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Politik

"Ausländischer Agent" in den USA und Russland

Mikhail Bushuev
21. November 2017

Als Antwort auf Maßnahmen der USA gegen russische Sender will der Kreml nun auch Medien als "ausländische Agenten" registrieren lassen. Doch was versteht man in den USA und in Russland unter diesem Begriff?

Galerie - Russisches Fernsehen
Im Studio von Russia Today. Der russische Sender steht nun in den USA auf einer Liste der "ausländischer Agenten"Bild: picture-alliance/dpa

"Wir sind gezwungen, auf die Verfolgung des russischen Fernsehsenders Russia Today (RT) in den USA zu reagieren", erklärten Abgeordnete der Staatsduma Mitte November 2017. Sie hatten Gesetzesänderungen verabschiedet, wonach ausländische Medien in Russland als "ausländische Agenten" eingestuft werden können. Auch in den USA gibt es ein Gesetz über ausländische Agenten - den Foreign Agents Registration Act (FARA). Die amerikanischen Behörden hatten jüngst RT und den russischen Radiosender Sputnik auf die entsprechende Liste gesetzt.

Der Begriff "ausländischer Agent" hat im Russischen eine negative Bedeutung und wird mit dem Wort "Spion" gleichgesetzt. "Auch ein englischer Muttersprachler würde denken, dass es um Spionage geht", sagt Eliot Borenstein, Slawistik-Professor an der New York University, der Deutschen Welle. Doch der Unterschied sei, dass man in Russland mit dem Gesetz die Zivilgesellschaft insgesamt stigmatisieren wolle, während die FARA-Registrierung von RT in den USA "ein schmaleres Ziel" verfolge. Borenstein zufolge sollen die russischen Sender als solche gebrandmarkt werden, die das amerikanische politische System untergraben. Im politischen Jargon sei ein "Foreign Agent" aber kein Spion, sondern ein Lobbyist, dessen Arbeit von einem anderen Staat finanziert wird.

Ähnlichkeiten und Unterschiede

Das amerikanische FARA-Gesetz wurde 1938 verabschiedet, um gegen Propagandisten aus Nazideutschland vorgehen zu können. 1966 angenommene Änderungen zielten in erster Linie auf politische Lobbyisten ab, die im Auftrag fremder Länder tätig sind. Das können sowohl juristische als auch natürliche Personen sein.

Das russische Gesetz über ausländische Agenten stammt aus dem Jahr 2012. Es war bekanntlich eine Reaktion der russischen Führung auf die politischen Massenproteste im Winter 2011 und Frühjahr 2012. In seiner ursprünglichen Form betraf es nur Nichtregierungsorganisationen. Doch fünf Jahre später wurde es auf die Medien ausgedehnt.

Massenproteste in Moskau gegen Wahlfälschung im Dezember 2011Bild: dapd

Auf den ersten Blick enthalten das russische und amerikanische Gesetz über ausländische Agenten viele Ähnlichkeiten, zum Beispiel die Registrierung beim Justizministerium und die Notwendigkeit, Rechenschaftsberichte vorzulegen. Doch das US-Justizministerium verlangt alle halbe Jahre einen Bericht über die Ein- und Ausgaben und die russischen Behörden für jedes Quartal. Ferner müssen sich "ausländische Agenten" in Russland einer jährlichen Prüfung unterziehen und alle sechs Monate einen Tätigkeitsbericht vorlegen.

Einige Bestimmungen sind im amerikanischen Gesetz strenger. Beispielsweise müssen Kopien von Informationsmaterialien spätestens 48 Stunden nach ihrer Veröffentlichung bei den Behörden eingereicht werden. Das FARA-Gesetz verlangt, propagandistische Informationen entsprechend zu kennzeichnen. In der Praxis werden diese Regeln jedoch nicht angewandt, wie aus dem Bericht des Inspekteurs des US-Justizministeriums für das Jahr 2016 hervorgeht.

Wenn eine Person oder Organisation direkt von einer ausländischen Regierung oder Organisation geführt oder kontrolliert wird, dann kann sie in den USA zum ausländischen Agenten erklärt werden. In Russland genügt es schon, Geld aus dem Ausland zu erhalten, um entsprechend eingestuft zu werden. Das gilt auch für Medien. Potentiell kann in Russland jedes Medium als "ausländischer Agent" gebrandmarkt werden.

Doch letztlich besteht der Hauptunterschied darin, dass die Registrierung als "ausländischer Agent" nach amerikanischem Recht keine Einschränkung der Tätigkeit mit sich bringt. Das russische Justizministerium hatte hingegen bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes eine Reihe amerikanischer Medien vor einer "möglichen Einschränkung ihrer Tätigkeit" in Russland gewarnt.

Unterschiedliche Anwendung

Theoretisch drohen "ausländischen Agenten" in den USA, die sich nicht als solche registrieren lassen, bis zu fünf Jahre Gefängnis und eine Geldstrafe von bis zu 10.000 Dollar. Nach Angaben des Inspekteurs des US-Justizministeriums gab es aber seit 1966 nur sieben Fälle, die vor Gericht kamen, und nur einmal wurde wegen Verstoßes gegen das Gesetz über ausländische Agenten ein Urteil gesprochen. Derzeit stehen auf der FARA-Liste 413 Organisationen und Einzelpersonen.

In Russland führte das Gesetz über ausländische Agenten hingegen zur Schließung einer ganzen Reihe von Nichtregierungsorganisationen. Und die NGOs und deren Mitarbeiter, die auf der Liste der "ausländischen Agenten" stehen, erfahren Diskriminierung. Viele, die sich einer Registrierung als ausländischer Agent verweigert haben, erhielten eine Geldstrafe. Sie klagen vor Gericht gegen das russische Justizministerium, das bislang 87 nichtkommerzielle Organisationen zu "ausländischen Agenten" erklärt hat.

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