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Erde ist kein Dreck

Tim Schauenberg
5. Dezember 2021

Ohne gesunde Böden wäre das Leben, wie wir es kennen, auf der Erde nicht möglich. Das Erdreich ist dennoch kaum im Fokus der Aufmerksamkeit. Beim Kampf gegen den Klimawandel ist es aber von entscheidender Bedeutung.

Ein Mann laesst Mutterboden durch die Hand rieseln in einem Garten in Melaune (Sachsen)
Mutterboden in einem sächsischen Garten: Atmende Oberfläche des PlanetenBild: Florian Gaertner/photothek.net/picture alliance

1937 schrieb der damalige Präsident der Vereinigten Staaten, Franklin D. Roosevelt, im Zuge verheerender Dürren und Sandstürme an seine Gouverneure: "Ein Land, das seine Böden zerstört, zerstört sich selbst."

Vielleicht denkt der eine oder andere beim Stichwort Boden eher an Dreck, Staub, Schlamm oder Matsch. Zum Internationalen Tag des Bodens an diesem Sonntag wollen wir ein Blick unter die Erde werfen und verstehen, warum Böden für den Menschen und die Ökosysteme eine zentrale Rolle spielen.

Artenvielfalt sichert unsere Existenz

Die Erde auf der wir Getreide, Obst und Gemüse anbauen, auf der unsere Wälder wachsen oder die wir im Garten umgraben, ist die atmende Oberfläche unseres Planeten. Sie ist eine Mischung aus mineralischen und organischen Stoffen, Gesteinssedimenten, verrottenden Pflanzen und Mikroorganismen.

Regenwurm bei der Arbeit: Erhöhung der Ernteerträge um 25 ProzentBild: H. Schmidbauer/blickwinkel/picture alliance

Unser Boden ist einer der artenreichsten Lebensräume der Welt. Ein eigener Kosmos aus Würmern, Insekten, Bakterien und Pilzen, in dem es vor Vielfalt nur so wimmelt. In einem Quadratmeter Erde tummeln sich bis zu 10.000 verschiedene Arten lebender Organismen.

Allein in einem Gramm Erde können sich rund eine Milliarde Bakterien befinden. Und 160 Personen auf einem Fußballfeld entsprechen in etwa dem Gewicht der Lebewesen im Boden unter derselben Fläche: 11 Tonnen.

Für den Kreislauf des Lebens auf der Erde sind diese Organismen unverzichtbar. Pilze und Bakterien zersetzen Blätter, Bäume und tote Lebewesen. Pflanzen erhalten durch diesen Prozess Nährstoffe, die sie für ihr Wachstum benötigen.

Regenwürmer, Termiten und andere Bodenorganismen verbessern die Produktivität des Bodens, indem sie die oberen Schichten durchwühlen und mischen. Dies führt zu einer Umverteilung der Nährstoffe. Der Boden wird belüftet und Wasser kann eindringen und gespeichert werden. 

Wir verlieren unsere Böden

Nur ein Bruchteil der Organismen im Boden sind heute erforscht. Was Wissenschaftler allerdings wissen, ist, dass es schlecht um unsere Böden steht und die Artenvielfalt abnimmt. Weltweit befindet sich ein Großteil heute in einem mittelmäßigen, schlechten oder sehr schlechten Zustand, heißt es in einem Bericht der Vereinten Nationen zum Zustand der Böden. 

Je mehr Leben sich im Boden befindet, desto besser ist die fruchtbare Erde oder Mutterboden vor Erosion geschützt. Das heißt durch Wind, Regen oder Überschwemmungen weggespült zu werden. Vor allem Brasilien, Länder der Karibik, Zentralafrikas und Südostasiens haben auf 70 Prozent ihrer landwirtschaftlichen Nutzflächen Einbußen durch Bodenerosion zu beklagen.

Aus einer Studie von 2015 geht hervor, dass in den vergangenen 40 Jahren 33 Prozent der weltweiten Ackerflächen durch Verseuchung und Erosion verloren gegangen sind. "Dies ist katastrophal, wenn man bedenkt, dass es etwa 500 Jahre dauert, bis sich 2,5 cm Mutterboden gebildet haben", so die Autoren der Studie.   

Laut der Welternährungsorganisation könnten bis 2050 etwa 90 Prozent der Böden für eine landwirtschaftliche Nutzung unbrauchbar werden. Schätzungsweise 3,2 Milliarden Menschen spüren heute schon die Folgen durch Ernteausfälle oder geringere Ernten, dazu gehören vor allem ländliche Gemeinschaften im globalen Süden, Kleinbauern und Menschen in den ärmsten Ländern der Welt.

Entkoppelte Landwirtschaft 

Der Trend in der Landwirtschaft zeigt dabei weiter in Richtung Monokulturen. Auf über 50 Prozent der weltweiten Anbauflächen werden ausschließlich Reis, Mais, Sojabohnen und Weizen angebaut.

Wenn riesige Flächen mit nur einer Kultur bepflanzt werden, um den Ertrag zu maximieren und die Ernte zu erleichtern, führt das auf Dauer dazu, dass der Boden immer weniger Nährstoffe führt. Das bedeutet, dass die Landwirte auf Kunstdünger angewiesen sind, der Wasser verschmutzt und das natürliche Gleichgewicht der Ökosysteme stört.

Gerste-Ernte in Nordrhein-Westfalen: Monokulturen auf der Hälfte aller FelderBild: picture alliance/Inderlied/Kirchner-Media

Synthetische Pestizide und Dünger töten oft Mikroben ab und das Pflügen zerstört natürliche Netzwerke aus Pilzen und Mikroorganismen. Die Folge: Die Böden verlieren schnell ihre Fruchtbarkeit, werden weniger widerstandsfähig gegen Überschwemmungen, gegen Dürre und anfällig für Erosion.  

Die Herstellung von Stickstoffdünger benötigt außerdem viel Energie. Mehr als 40 Prozent des CO2-Fußabdrucks eines gewöhnlichen Brotes (800g) entfällt auf die Herstellung von synthetischem Dünger, der für den Anbau des Getreides verwendet wird.

Durch den Verlust gesunder Böden sinken die landwirtschaftlichen Erträge. Dies könnte dazu führen, dass bis 2050 die Ernten um bis zu 25 Prozent abnehmen.

CO2-Speicher in Gefahr

Der Boden ist nicht nur ein lebenswichtiger Bestandteil der Ökosysteme. Er ist von zentraler Bedeutung für die Verlangsamung des Klimawandels. Denn von Menschen verursachte Emissionen werden zu einem bedeutenden Teil von Pflanzen absorbiert. Wenn sie absterben und sich zersetzen, bleibt ein Großteil des Kohlenstoffs, den sie aus der Atmosphäre aufgenommen haben, im Erdreich. Böden binden zweimal so viel CO2 wie die gesamte Pflanzenwelt und unsere Atmosphäre zusammen.  

Besonders feuchte und gefrorene Böden speichern viel CO2. Die Trockenlegung von Mooren und Sümpfen für den Torfabbau schadet dem Klima gleich doppelt. Nicht nur der CO2-Speicher wird zerstört. Wenn man diese Böden entwässert, setzt man auch die Gase frei, die in diesen Gebieten gespeichert sind. Dazu gehört auch das klimaschädliche Gas Methan.

Rehdener Geestmoor in Niedersachsen: Trockenlegung als KlimagefahrBild: Olaf Juergens/Zoonar/picture alliance

Das gilt auch für Permafrost-Böden in der Antarktis und Kanada. Mit steigenden Temperaturen schmelzen sie immer schneller. Verschwänden sie ganz, würde in etwa so viel CO2 freigesetzt werden, als ob die USA bis 2100 jährlich weiterhin genauso viele fossile Brennstoffe emittieren würden wie heute.

Wie kann wertvolle Erde erhalten werden?

Will man den Ausstoß von Treibhausgasen durch trockene Moore verhindern, führt kein Weg an einer großflächigen Renaturierung dieser Lebensräume vorbei, heißt es von Autoren einer im Fachmagazin "Nature" veröffentlichten Studie von 2019. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass bis zu 40 Prozent des noch zur Verfügung stehenden Treibhausgas-Budgets für das Erreichen der Pariser Klimaschutzziele allein aus diesen Gebieten kommen könnte.

In der Landwirtschaft könnten traditionelle Anbaumethoden wie Permakultur und Subsistenzlandwirtschaft zu einer Erholung des Bodens beitragen. Dazu gehört zum Beispiel regelmäßiger Fruchtwechsel auf den Feldern, das Mischen von Pflanzenarten auf dem Anbaugebiet oder Säen ohne Pflügen. Doch diese Prozesse sind oft arbeitsintensiver und kurzfristig weniger rentabel.

Andererseits sind die langfristigen Kosten für die Ausbeutung mit den herkömmlichen Methoden enorm. Schätzungen zufolge könnte eine Erhöhung der biologischen Vielfalt der Böden bis zu 2,3 Milliarden Tonnen zusätzliche Ernteerträge pro Jahr im Wert von 1,4 Billionen US-Dollar einbringen. Allein ausreichend Regenwürmer erhöhen die Ernteerträge im Durchschnitt um 25 Prozent. Gesunde Böden zahlen sich also aus.

Permakultur: Folge der Natur!

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