Daimlers Spenden-Aus für Parteien
24. April 2019Deutschlands zweitgrößtes Unternehmen, die Daimler AG, hat mitgeteilt, im laufenden Jahr keine Spende an Parteien überweisen zu wollen. Am fehlenden Geld kann es eigentlich nicht liegen - obwohl der Unternehmensgewinn zuletzt um ein Drittel eingebrochen ist. Denn die offizielle Begründung lautete: "Wir haben beschlossen, in diesem Jahr den Schwerpunkt bei Projekten aus den Bereichen Bildung, Naturschutz, Wissenschaft, Kunst und Kultur zu setzen." So sollen 20 Millionen Euro verteilt werden.
Manche Betroffene sind sauer. Der Schatzmeister der CSU, der bayerischen Schwesterpartei der CDU, zum Beispiel. Das sei "eine Schwächung der Demokratie", sagte Thomas Bauer. Daimler sei schließlich auch nur ein "Bürger" und dieser müsse sich schließlich um die Demokratie kümmern.
Zu viel Aufregung? Nicht unbedingt. Parteien gelten in Deutschland als Kernstück der Demokratie. Andere Elemente wie etwa Volksabstimmungen nach dem Vorbild der Schweiz haben keine große Bedeutung. Die Sorge um den Fortbestand der deutschen Parteien ist nachvollziehbar, weil zumindest bei den großen Parteien die Mitgliederzahlen zurückgehen - und damit auch Einnahmen durch Mitgliederbeiträge.
Zu viel Drama?
Im vergangenen Jahr 2018 spendete Daimler 320.000 Euro. Eigentlich nicht viel - dennoch gehört Daimler damit seit Jahren zu den Top 5 der Großspender. Je 100.000 Euro gingen 2018 an CDU und SPD. CSU, FDP und Grüne bekamen je 40.000 Euro.
Zum Vergleich: Im Jahr 2017 - neuere Zahlen gibt es noch nicht - erhielt die CDU insgesamt 35 Millionen Euro an Spendengeldern, die CSU knapp 10 Millionen. Zu den treuen Spendern gehören weiterhin Privatpersonen und Industrieverbände. Pleite werden die Parteien nach der Meldung aus der Konzernzentrale von Daimler also nicht gleich gehen.
Wie wichtig sind Spenden für die Parteien?
Doch der zweite Blick offenbart ein größeres Problem. Daimler ist nicht das erste Groß-Unternehmen, das nicht mehr spendet. BMW, VW und Siemens sind bereits vor Jahren ausgestiegen. Werden andere folgen? Parteien in Deutschland sind unterschiedlich abhängig von Spenden. Die Spannweite reicht von fast 40 Prozent bis zu weniger als 10 Prozent.
Die Linkspartei plädiert seit langem dafür, ganz auf Parteispenden zu verzichten. Frankreich macht es vor. Dort dürfen Unternehmen gar nicht spenden, selbst bei Privatpersonen gibt es eine Begrenzung auf 7500 Euro im Jahr.
Nicht alle Spenden sind erlaubt
Eine Debatte über Parteispenden gibt es in Deutschland regelmäßig. Es geht dabei um Fragen der Transparenz, der möglichen Einflussnahme und der Frage nach der Käuflichkeit von Politik.
Aktuell steckt die AfD in einem Parteispenden-Skandal. Sie soll Geld aus der Schweiz erhalten haben. Eine Finanzierung aus dem Ausland aber ist in Deutschland verboten. Nun soll die AfD die vierfache Summe der Spenden zurückzahlen.
Der weitaus größte Skandal rund um Parteispenden erregte 1999 die Gemüter: Der frühere Bundeskanzler Helmut Kohl gab zu, jahrelang Gelder aus schwarzen Kassen für seine CDU kassiert zu haben, weigerte sich aber, die Namen der Spender zu nennen. Wolfgang Schäuble, heute Präsident des Bundestages, musste als Kohls Nachfolger an der CDU-Spitze zurücktreten, weil auch er die Unwahrheit über Details der Spendenaffäre gesagt hatte. Am Ende führte das dazu, dass Angela Merkel, die heutige Bundeskanzlerin, Chefin der konservativen Partei wurde.
Legale Wege für Parteispenden
Der Bundestag hat im Parteiengesetz eine recht umfangreiche Prozedur festgelegt, damit bei Spenden alles möglichst nach Recht und Gesetz verläuft. Demnach müssen Parteien jede Einzelspende von mehr als 50.000 Euro dem Bundestag melden, der dann Namen und Betrag auf einer dafür vorgesehenen Webseite veröffentlicht.
Einzelspenden zwischen 10.000 und 50.000 Euro werden von den Parteien zunächst intern dokumentiert und erst 18 Monate später veröffentlicht, wenn der Rechenschaftsbericht über das entsprechende Jahr erscheint.
Aber es gibt Graubereiche: Spendet jemand weniger als 10.000 Euro im Jahr, erfährt die Öffentlichkeit nie, von wem das Geld stammt. Zum Vergleich: In den USA wird ab einer Spende von 200 Dollar offengelegt, wer der Spender ist. Auch gehen andere Länder bei den Meldungen zügiger vor. In Großbritannien werden Spenden alle drei Monate veröffentlicht.
Rache wegen "falscher" Politik?
Warum Daimler nicht mehr spenden will, darüber wird nun spekuliert. Bei einem Blick auf Twitter-Reaktionen finden sich auch Erklärungen, dass die Politik es sich mit der Autoindustrie verscherzt haben könnte. "Warum soll man jemanden unterstützen, der einen kaputt machen will?", heißt es dort zum Beispiel.
Aus der Luft gegriffen ist dies nicht, auch wenn es - Twitter-typisch - nach Verschwörung klingt. Denn Politik und Autoindustrie sind zerstritten. Es geht um Grenzwerte für Schadstoffe, Betrug, E-Mobilität, Fahrverbote für Dieselautos und Auflagen, die das Fahren umweltfreundlicher machen sollen.
Ein anderer Beweggrund wird ebenfalls diskutiert. Schon seit einigen Jahren gehen große Unternehmen zu Parteien-Sponsoring über. So gibt es auf den kostenintensiven Parteitagen auch immer mehr Stände von Autokonzernen wie VW oder BMW zu sehen, die für ihre Präsenz dort zahlen. Für Transparenz beim Sponsoring gibt es noch kaum gesetzliche Regelungen.