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Was bedeutet das Ende der PKK?

Burak Ünveren | Gülsen Solaker
14. Mai 2025

Die "Kurdische Arbeiterpartei" PKK kündigt nach 40 Jahren ihre Auflösung an. Was bedeutet das für ihre bisherigen Mitglieder - und was für die türkische Politik? Vier Fragen und Antworten zur Zukunft nach dem PKK-Aus.

PKK-Kämpfer
Was mit den PKK-Kämpfern geschieht, ist unklar. Die Türkei will nicht, dass die Führung der PKK in den Nachbarländern bleibtBild: Yahya Ahmed/AP Photo/picture alliance

Nach 41 Jahren des bewaffneten Konflikts mit dem türkischen Staat hat die "Kurdische Arbeiterpartei" (PKK) ihre Selbstauflösung angekündigt. Vertreter von Regierung und Opposition begrüßen über die Parteigrenzen hinweg die Entwicklung und ein mögliches Ende des Blutvergießens. Zehntausende Zivilisten und PKK-Kämpfer haben in den vergangenen Jahrzehnten ihr Leben verloren.

Die Ankündigung der auch in Deutschland als Terrororganisation eingestuften PKK löste in der Türkei Euphorie, aber auch zahlreiche Fragen aus. Die Selbstauflösung der PKK könnte die politischen Kräfteverhältnisse in der Türkei aus Sicht von Politikwissenschaftlern grundlegend verändern.

Wie wird sich die türkische Politik verändern?

Seren Selvin Korkmaz, Direktorin des Meinungsforschungsinstituts IstanPol, bezeichnet den angekündigten Waffenverzicht der PKK als möglichen Wendepunkt in der türkischen Politik. "Die politischen Gleichungen, über die wir noch vor einem Jahr gesprochen haben, sind schon heute völlig andere. Die Parteien müssen sich mit ihren Programmen und Diskursen anpassen", sagt Korkmaz. Besonders für die pro-kurdische DEM-Partei könnte sich das politische Aktionsfeld erweitern.

Zwei Faktoren werden laut Korkmaz die türkische Politik in den kommenden drei Jahren maßgeblich prägen: der mögliche Verlauf des Friedensprozesses mit der PKK sowie die juristische Situation rund um den Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu. Der demokratisch gewählte Imamoglu wurde im März 2025 verhaftet, während der Friedensprozess mit der PKK im Gange war. Korkmaz erinnert auch daran, dass Imamoglus Partei CHP mittlerweile von der Regierung als "neuer Feind" markiert wird, anstelle der kurdischen politischen Bewegung, bei der das in den vergangenen Jahren der Fall war.

Der Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu erhält auch Unterstützung von vielen kurdischen Bürgern. Nach seiner Verhaftung gingen Hunderttausende auf die StraßeBild: Francisco Seco/AP Photo/picture alliance

Neben Imamoglu sitzen heute auch viele kurdische Politiker im Gefängnis, so auch der prominente Politiker Selahattin Demirtas. Die kurdische Bewegung erwartet jetzt eine Freilassung ihrer Politiker; doch deren Schicksal bleibt weiter unklar. "Für die Diskussion der kurdischen Frage im Rahmen der Verfassung wäre nun vor allem eine Art Entspannung oder Demokratisierung erforderlich," sagt der türkische Politikwissenschaftler Mesut Yegen. "Die Verfassung muss im Wesentlichen so umgestaltet werden, dass sie ein demokratischeres Türkei-Modell schafft. Gleichzeitig gibt es jedoch eine Regierung, die nicht bereit ist, das Präsidialsystem mit seinen autoritären Tendenzen zu ändern."

Was passiert mit den Waffen?

Unklar ist auch, wem, wann und wie die PKK ihre Waffen übergeben wird. Ob dies unter internationaler Beobachtung erfolgen soll, ob es eine vollständige Entwaffnung oder nur symbolische Gesten geben wird, ist ebenso offen.

Laut Medienberichten, die sich auf inoffizielle Quellen stützen, könnte über diese Fragen im Sommer entschieden werden. Offenbar arbeiten staatliche Stellen bereits an einem Fahrplan. Auch innerhalb der PKK gab es Widerstand gegen die Selbstauflösung. Einige führende Mitglieder mussten zunächst überzeugt werden. Zudem wird diskutiert, ob neue Organisationen entstehen könnten und wie es mit der kurdischen Dachorganisation KCK weitergeht.

Den Weg ebnete der ultranationalistische Anführer Devlet Bahçeli (Mitte). Mit seiner überraschenden Initiative zur Versöhnung mit der kurdischen Bewegung leitete er die Auflösung der PKK einBild: DHA

Außenminister Hakan Fidan machte klar, dass ein einfacher Waffenverzicht nicht ausreiche. "Alle illegalen Strukturen, die potenziell Gewalt anwenden könnten, müssen beseitigt werden", sagte er am 9. Mai im Fernsehen. Fidan kündigte an, auf verschiedene alternative Szenarien vorbereitet zu sein.

Was geschieht mit den PKK-Kämpfern?

Auch das Schicksal der PKK-Mitglieder ist unklar, sowohl der Kämpfer in den Bergen als auch der Aktivisten in den Städten. Laut Schätzungen hatte die PKK eine Unterstützerbasis von etwa 60.000 Menschen, darunter Kämpfer, Sympathisanten und zivile Helfer.

Ob eine Generalamnestie denkbar ist, wird kontrovers diskutiert. Während über mögliche Integrationsprogramme nachgedacht wird, gilt eine pauschale Begnadigung durch Präsident Erdogan als unwahrscheinlich. Zu groß wäre das Risiko gesellschaftlicher Spannungen.

PKK-Anführer Abdullah Öcalan sitzt seit 1999 im Hochsicherheitsgefängnis auf der Insel İmralı. Seine zunächst verhängte Todesstrafe wurde später in lebenslange Haft umgewandeltBild: Mustafa Abadan/AA/picture alliance

Für die Führungsebene der PKK wird eine Rückkehr in die Türkei ausgeschlossen. Einige könnten in Drittländer ausreisen, andere möglicherweise im Nordirak bleiben. Doch auch hier fehlt es bislang an konkreten Entscheidungen. Ankara will nicht, dass die etwa 300 Führungskräfte der PKK, die in den türkischen Nachbarländern Irak, Syrien oder Iran leben, dort auch bleiben dürfen.

Was bedeutet das für die Kurden in Syrien?

Auch die Auswirkungen auf Syrien und den Irak werden genau beobachtet. Der Norden Syriens bleibt unter Kontrolle der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF). Deren Kern bildet die YPG, eine Organisation, die von der Türkei als PKK-Ableger betrachtet wird. Es wird auch darüber spekuliert, die SDF-Kämpfer in die syrische Armee zu integrieren. Ihre ausländischen Kämpfer sollen in ihre Heimatländer zurückkehren.

Während Ankara zu Beginn des Prozesses verlangte, dass auch die YPG entwaffnet werden müsse, ist diese Forderung inzwischen leiser geworden. Außerdem hat das türkische Verteidigungsministerium in seiner offiziellen Terminologie einen Wandel vollzogen und spricht vermehrt von den "SDF" statt von der "YPG/PKK". Bisher hatte die Regierung die Abkürzung "SDF" vermieden, weil sie diese als eine Verharmlosung der Terrororganisation betrachtete.

Allerdings gibt es auch innerhalb der türkischen Regierungspartei AKP skeptische Stimmen. Der frühere Abgeordnete und Erdogan-Vertraute Samil Tayyar warnte, dass neben der Waffenübergabe und rechtlichen Regelungen auch das künftige Schicksal der bisherigen PKK-Kämpfer geklärt werden müsse. "Diese Entwicklung kann nicht losgelöst von den Strukturen in Syrien bewertet werden", so Tayyar. "Wichtiger als die Abwicklung einer überholten PKK ist es, die Bedrohung durch die YPG an unserer Grenze zu beseitigen."

Burak Ünveren Redakteur. Themenschwerpunkte: Türkische Außenpolitik, Deutsch-Türkische Beziehungen.