Was bedeutet das Ende der Sanktionen der USA für Syrien?
18. Mai 2025
Auf den Straßen Syriens wurde diese Woche wieder gefeiert. US-Präsident Donald Trump hatte angekündigt, die US-Sanktionen gegen das Land vollständig aufzuheben. Nach 45 Jahren der internationalen Isolation blicken die Syrer und Syrerinnen nun wieder mit mehr Freude und Hoffnung auf die Zukunft ihres vom Krieg zerrütteten Landes.
"Die Zeit Syriens ist gekommen. Wir heben [die Sanktionen] alle auf", sagte Trump am Dienstag während seines Besuchs in mehreren Golfstaaten. "Viel Glück, Syrien. Zeigt uns, dass ihr zu etwas ganz Besonderem fähig seid."
Syriens Außenminister Asaad al-Schaibani bezeichnete die Ankündigung als "entscheidenden Wendepunkt" und "wichtige Chance für Syrien, Stabilität, wirtschaftliche Unabhängigkeit und einen wirklichen nationalen Wiederaufbau durch und für das syrische Volk zu erreichen".
Noch keine Einzelheiten bekannt
Noch ist jedoch unklar, ob die Aufhebung der Sanktionen nur bestimmte Bereiche betrifft, wie internationale humanitäre Hilfen, den Bankensektor oder allgemeine Geschäftstätigkeiten, oder ob sie an bestimmte Bedingungen geknüpft ist. Die EU zum Beispiel hat bereits einige Sanktionen aufgehoben, andere gelten jedoch noch immer. Am Donnerstag schlug die außenpolitische Sprecherin der EU-Kommission, Kaja Kallas, vor, die Sanktionen gegen Syrien weiter zu lockern.
"Angesichts der Bandbreite der gegen Syrien erhobenen Maßnahmen bleibt abzuwarten, ob Trumps Worten Taten folgen", meint Julien Barnes-Dacey, Direktor des Nahost- und Nordafrika-Programms beim Thinktank European Council on Foreign Relations (ECFR) im Gespräch mit der DW. "Dieser Prozess könnte länger dauern, als vielen Syrern lieb ist."
"Sollten zentrale US-Sanktionen jedoch aufgehoben werden können und sollte dies einhergehen mit einer stabileren Sicherheitssituation vor Ort, gäbe es deutlich bessere Bedingungen, um wirtschaftliche Hilfen ins Land zu bringen. Andernfalls würde es die Regierung schwer haben", fügt er hinzu.
Syrien - ein Land im Übergang
In den vergangenen sechs Monaten hat Syrien massive Veränderungen durchlaufen. Im Dezember stürzte eine Rebellengruppe unter Führung von Haiat Tahrir al-Scham den Diktator Baschar al-Assad. Angeführt wurde die Rebellengruppe von Ahmed al-Scharaa, dem jetzigen Übergangspräsidenten. Die Kosten für den Wiederaufbau des Landes, in dem fast 14 Jahre lang ein Bürgerkrieg wütete, werden auf zwischen 360 und 900 Milliarden Euro geschätzt.
Al-Scharaa hat gelobt, die vielen verschiedenen politischen und religiösen Gruppierungen Syriens in die neue Regierung einzubinden, doch es bleiben Zweifel. In den vergangenen Monaten kam es zu mehreren gewalttätigen Auseinandersetzungen, in denen sich die mehrheitlich sunnitische Bevölkerung gegen Minderheiten zu wenden schien. Diese Vorfälle machten deutlich, dass die neue syrische Regierung die Lage im Land noch nicht vollständig unter Kontrolle hat.
Nach Meinung von Trump hat Al-Scharaa, der in der Vergangenheit mit extremistischen Gruppierungen wie Al-Kaida in Verbindung stand, jedoch "eine echte Chance, es zu schaffen".
"Er ist ein echter Anführer", sagte Trump.
Ist die Aufhebung der Sanktionen an Bedingungen geknüpft?
Neben seiner Ankündigung, die Sanktionen aufzuheben, stellte Trump fünf Forderungen an Syrien, wie seine Sprecherin Karoline Leavitt auf der Plattform X schrieb:
"1. das Abraham-Abkommen mit Israel zu unterzeichnen; 2. alle ausländischen Terroristen aufzufordern, Syrien zu verlassen; 3. palästinensische Terroristen zu deportieren; 4. die USA dabei zu unterstützen, ein Wiedererstarken des Islamischen Staates (IS) zu verhindern; 5. die Verantwortung für die IS-Lager im Nordosten Syriens zu übernehmen."
Trump selbst sagte, Syrien habe zugestimmt, Israel anzuerkennen, sobald es "wieder auf die Beine gekommen" sei. Aus Damaskus kam keine offizielle Bestätigung, dass es dem Abraham-Abkommen, einem von den USA vermitteltem Abkommen zur Normalisierung der Verhältnisse zwischen Israel und mehreren arabischen Staaten, zustimmen würde.
"Angesichts der Tatsache, dass Israel seit dem Sturz Assads zu einer wichtigen destabilisierenden Kraft in Syrien geworden ist, wären bessere Beziehungen mit Israel wichtig", sagt Nanar Hawach, Syrien-Analyst beim Think Tank International Crisis Group, im DW-Gespräch.
"Sie haben hunderte Luftangriffe auf syrische militärische Einrichtungen geflogen und sind im Süden auf syrisches Gebiet vorgedrungen. Sollte es zu keiner Übereinkunft kommen, wird Israel aller Voraussicht nach ein destabilisierender Faktor bleiben", meint er.
Mögliche Auswirkungen einer Annäherung zwischen Israel und Syrien
Engere Verbindungen mit Israel könnten zu innenpolitischem Druck auf Al-Scharaa führen, fügt Hawach hinzu. In der Vergangenheit standen sich Israel und Syrien feindselig gegenüber, seit der Gründung Israels kam es immer wieder zu Konflikten. "Doch die Vorteile würden mögliche Nachteile vermutlich überwiegen", betont Hawach.
Israel hat sich zu einer möglichen Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der neuen syrischen Regierung noch nicht geäußert. Das Land hat Bedenken wegen der Verbindungen des gestürzten syrischen Regimes zum Iran und der Hisbollah und fürchtet einen Angriff über die Grenze, ähnlich dem von Gaza ausgehenden Angriff der Hamas am 7. Oktober 2023. Neue diplomatische Beziehungen könnten dem entgegenwirken.
Die vierte und fünfte Forderung, die USA dabei zu unterstützten, "ein Wiedererstarken des IS zu verhindern" und "die Verantwortung für die IS-Lager im Nordosten Syriens zu übernehmen", könnten ein weiteres Signal dafür sein, dass die Vereinigten Staaten planen, ihre Truppen aus dem Nordosten des Landes abzuziehen. In den Lagern, die mit Unterstützung durch US-Truppen von syrisch-kurdischen Milizen verwaltet werden, leben Tausende Anhänger des Islamischen Staates mit ihren Familien.
Rückkehr syrischer Flüchtlinge
Ein Ende der Sanktionen wird nicht nur für die Wirtschaft positive Auswirkungen haben, ist Nanar Hawach von der International Crisis Group überzeugt. "Der Zusammenbruch der Wirtschaft hat die Unsicherheit erhöht, weil er die Grundversorgung unterhöhlte, lokale Missstände verstärkte und die Menschen bewaffneten Gruppierungen in die Arme trieb", macht er deutlich. "Eine Aufhebung der Sanktionen könnte dabei helfen, diese Dynamik umzukehren."
Dies könnte auch mehr syrische Flüchtlinge dazu bewegen, in ihr Land zurückzukehren, meint Kelly Petillo, Nahost- und Nordafrika-Expertin beim ECFR im Gespräch mit der DW.
Syrien ist im Zentrum einer der größten Flüchtlingskrisen der Welt. Seit 2011 sind laut Zahlen der Vereinten Nationen mehr als 14 Millionen Syrer und Syrerinnen auf der Flucht. Über 6 Millionen von ihnen haben ihr Land verlassen, der Rest von ihnen lebt als Binnenflüchtlinge im eigenen Land.
Etwa 1,87 Millionen Syrer sind nach dem Sturz Assads bereits wieder in ihre Heimatorte zurückgekehrt, sei es aus dem Ausland oder von anderen Orten innerhalb Syriens, so ein am Mittwoch veröffentlichter Bericht der Internationalen Organisation für Migration der Vereinten Nationen. "Wirtschaftliche Not und mangelnde Grundversorgung erschweren jedoch den Wiederaufbau", heißt es in dem Bericht.
Petillo kann das nur bestätigen: "Wenn ich mit syrischen Flüchtlingen darüber spreche, warum sie zögern zurückzukehren, erwähnen sie als Erstes die wirtschaftliche Lage und den Zustand der Infrastruktur, die Lebensbedingungen und die Erfüllung von Grundbedürfnissen."
"Viele Menschen werden zurückkehren, sobald sich die Aufhebung der Sanktionen vor Ort wirklich bemerkbar macht", ist Petillo überzeugt. Doch es brauche mehr als nur eine Aufhebung der Sanktionen: "Wenn wir wollen, dass die Syrer freiwillig und dauerhaft zurückkehren, müssen wir den Schutz und die sozialen und wirtschaftlichen Rechte aller Syrer sicherstellen."
Adaptiert aus dem Englischen von Phoenix Hanzo.