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Was bedeutet die Auflösung der PKK für die Kurden in Nahost?

8. März 2025

Der in der Türkei inhaftierte Kurdenführer Abdullah Öcalan hat die Arbeiterpartei Kurdistans aufgefordert, sich aufzulösen. Was bedeutet das für das PKK-Hauptquartier im Irak und die Verbündeten der PKK in Syrien?

Kämpferinnen der YPG mit geschultertem Gewehr
YPG-Kämpferinnen im Nordirak (Archivbild)Bild: DELIL SOULEIMAN/AFP/Getty Images

Seit Abdullah Öcalan, der seit Jahrzehnten inhaftierte Anführer der Arbeiterpartei Kurdistans, die PKK Ende Februar dazu aufrief, die Waffen niederzulegen, befinden sich die Kurden in Nahost im Ausnahmezustand.

In seiner historischen Rede forderte er die verbotene Organisation auf, einen Kongress einzuberufen und eine Entscheidung zu treffen: "Alle Gruppen müssen ihre Waffen niederlegen und die PKK muss sich auflösen."

Noch wurde kein offizielles Datum für eine solche Zusammenkunft genannt, doch bereits am 1. März gab die PKK bekannt, dass sie dem Aufruf folgen werde. Sie erklärte außerdem eine einseitige Waffenruhe. Seit 40 Jahren führt die PKK einen gewaltsamen Kampf um Unabhängigkeit auf türkischen Gebiet. Öcalans Erklärung könnte nun das Ende der PKK und dieses Kampfes einläuten.

Bis zur offiziellen Bestätigung der Auflösung betrachtet die Regierung in Ankara nicht nur die PKK in der Türkei nach wie vor als terroristische Vereinigung, sondern sie hat auch weiterhin das Hauptquartier der PKK im Irak und die PKK-Verbündeten in Syrien im Visier. Ankara fordert die Auflösung aller Gruppierungen – ohne Ausnahme.

Öcalan nahm nicht explizit Bezug auf kurdische Kämpfer oder Verwaltungseinheiten außerhalb der Türkei. Er sprach von "allen Gruppen", es könnten also auch die Verbündeten in Syrien gemeint sein.

Das Siedlungsgebiet der Kurden ist groß. Etwa 35 Millionen Kurden leben in der Region, sie bilden eine der größten Volksgruppen weltweit, die über keinen eigenen Staat verfügen. Für sie hatte Öcalan in seiner Rede keine neuen Lösungen anzubieten.

Die meisten Kurden sind sunnitische Muslime. Trotz ihrer gemeinsamen ethnischen Identität verfügen die in der Türkei, in Syrien, im Irak, im Iran und in Armenien lebenden Kurden weder über eine grenzüberschreitende Vertretung, eine gemeinsame Politik oder einheitliche bewaffnete Kräfte. Sprecher der PKK im Irak und in Syrien reagierten unterschiedlich auf den Aufruf Öcalans.

Die Kurden im Irak

Beobachter sind sich weitgehend einig, dass das Hauptquartier der PKK im Norden des Iraks dem Aufruf Öcalans folgen wird. "Sobald der Kongress der PKK formell seine Auflösung erklärt und dem bewaffneten Kampf abschwört, gilt eine solche Entscheidung sowohl für Südostanatolien in der Türkei [wo die Mehrzahl der Kurden in der Türkei lebt], als auch für die Milizen, die unmittelbar den Führungsstrukturen der PKK im Nordirak unterstehen", sagt Nigar Göksel, Türkei-Expertin der regierungsunabhängigen Organisation International Crisis Group.

Nechirvan Barzani, der Präsident der halbautonomen Region Kurdistan im Nordirak, hat die PKK bereits aufgefordert, sich zu Öcalans Botschaft "zu bekennen und diese umzusetzen".

In der Region hofft man nicht nur, dass ein Ende des bewaffneten Kampfes zwischen PKK und Türkei ein Ende der anhaltenden Angriffe durch das türkische Militär mit sich bringt, man hofft auch auf eine Verbesserung der politischen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen der irakischen Kurdenregion und der Türkei.

Eine Auflösung der PKK würde vermutlich auch zu einer Verbesserung der politischen Lage im Nordosten Syriens führen, wo sich türkische und kurdische Kräfte seit Jahren bekämpfen.

"Wenn sich diese Gruppen [in der Türkei und im Irak] vollständig auflösen und einen Prozess der Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung durchlaufen, eröffnet dies nicht nur ungeahnte Möglichkeiten für eine gute Regierungsführung und Stabilität im Norden Syriens, sondern verändert die Machtverhältnisse im ganzen Land", unterstreicht Burcu Özcelik, der in der Londoner Denkfabrik "Royal United Services Institute" (RUSI) die Sicherheitspolitik im Nahen Osten erforscht.

Die Kurden in Syrien

Sowohl Göksel als auch Özcelik weisen darauf hin, dass die kurdischen Kräfte in Syrien sich letztlich nicht an Öcalans Aufruf gebunden sehen. Diese bestehen aus den Volksverteidigungseinheiten (YPG), die die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) anführen.

Maslum Abdi, Befehlshaber der SDF, hofft auf ein Ende türkischer Angriffe auf Stellungen in SyrienBild: Bernat Armangue/AP/dpa/picture alliance

Laut Özcelik ist die YPG organisatorisch und institutionell mit der PKK verbunden und es ist kaum vorstellbar, dass die Türkei einem Fortbestehen der YPG in ihrer jetzigen Form zustimmen würde. Mazlum Abdi, der Befehlshaber der SDF, äußerte hingegen bereits, dass sich der Aufruf Öcalans nicht an seine Gruppe richte. "Das hat nichts mit uns in Syrien zu tun", betonte er, begrüßte aber den Aufruf: "Wenn in der Türkei Frieden herrscht, gibt es keine Ausreden mehr dafür, uns hier in Syrien anzugreifen."

"Wenn die PKK ernsthaft und nachweisbar die Waffen niederlegt und sich auflöst, bewaffnete Kader also ihre Waffen an staatliche Behörden übergeben, wie es der Prozess verlangt, dann wäre das der Beginn einer neuen Ära", ist sich Özcelik sicher. Sie betont aber auch, dass dies nicht bedeute, dass PKK-Verbündete in Nordostsyrien dann freie Hand hätten.

Macht das Ende der PKK den Weg frei für neue Allianzen?

Öcalans Aufruf, die PKK aufzulösen, fällt in eine ungewöhnliche Zeit. Im Dezember wurde in Syrien der langjährige Diktator Baschar al-Assad gestürzt. Die Übergangsregierung unter Präsident Ahmed al-Scharaa hat die kurdischen Streitkräfte aufgefordert, sich der nationalen Armee anzuschließen. Diese bestehen jedoch darauf, eine eigenständige Truppe innerhalb der nationalen Armee zu bilden. Bislang hat die syrische Regierung diesen Vorschlag abgelehnt und die SDF nicht zu einer ersten Konferenz des nationalen Dialogs Ende Februar eingeladen.

Viele Kurden in Syrien verfolgten die Rede Öcalans, in der er zur Auflösung der PKK aufrief. Hier eine Versammlung in Hasakah nach der RedeBild: Orhan Qereman/REUTERS

Auch wenn abzuwarten bleibt, ob und in welchem Maße sich die SDF integrieren, liege der Fokus der kurdischen Kräfte "nicht auf Entwaffnung", betont Nigar Göksel. Durch die Auflösung der PKK würden die Verbindungen zwischen den kurdischen Kräften in Syrien und der PKK allerdings faktisch gekappt, fügt sie hinzu.

Öcalans Aufruf könnte den Kurden in Syrien sogar dabei helfen, politisch Boden zu gewinnen, meint Burcu Özcelik. "Wenn es den Syrischen Demokratischen Kräften gelingt, sich glaubhaft von der PKK und ihren Verbündeten zu distanzieren und sich im politischen Raum des neuen Syriens als demokratische Partei zu etablieren, würde das einen Weg für die politische Mobilisierung eröffnen", macht sie deutlich.

Redaktionelle Mitarbeit: Aref Gabeau.

Adaption aus dem Englischen: Phoenix Hanzo.

Jennifer Holleis Redakteurin und Analystin mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika.
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