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Das große Tauziehen um die Fischerei

Silja Thoms
17. Juni 2022

Fischerei-Subventionen gelten als Ursache für überfischte Meere. Die WTO versucht seit Jahren, sich auf weniger staatliche Hilfe zu einigen. Was das WTO-Abkommen bringt und warum es uns alle etwas angeht.

Unzählige Fische an Deck eines Fischerboots
Über 20 Jahre hat die WTO über ein Abkommen verhandelt, das die Überfischung der Meere eindämmen sollBild: Yomiuri Shimbun/AP/picture alliance

Riesige Fischtrawler und kleine Fischerboote bringen täglich riesige Mengen Fisch an Land - in zu großen Mengen, warnen Experten schon seit Langem. Schuld an der Überfischung der Meere seien unter anderem staatliche Subventionen in fast allen Ländern weltweit.

Am Freitagmorgen hat sich die Welthandelsorganisation nach über 20 Jahren Verhandlung darauf geeinigt, schädliche Fischereisubventionen einzudämmen, um die Überfischung zu stoppen. Laut WTO wird die Einigung als Durchbruch gewertet. Auch die für nachhaltige Fischerei engagierte Organisation Pew Charitable Trusts sieht das Abkommen als Wendepunkt im Kampf gegen eine der Hauptursachen der weltweiten Überfischung. Andere Experten kritisieren, dass der aktuelle Text im Vergleich zu ursprünglichen Plänen verwässert wurde.

Wie groß ist die Überfischung der Meere?

Um das Ausmaß der Überfischung anzudeuten, lohnt ein Blick auf den deutschen Fischkonsum: Bereits Mitte März dieses Jahres hatte die Bundesrepublik so viel Fisch und Meeresfrüchte verbraucht, wie im Laufe des ganzen Jahres unter deutscher Flagge gefangenen oder in Deutschland gezüchtet werden. Trotzdem wird weiter Fisch konsumiert. Damit trägt Deutschland, wo Fisch in der Ernährung nicht einmal eine dominante Rolle spielt, zur Überfischung der Weltmeere bei - sogar, ohne notwendigerweise die eigenen Küstengewässer zu überfischen.

WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala hatte die WTO-Konferenz verlängert, um ein Scheitern der Verhandlungen abzuwendenBild: Fabrice Coffrini/AFP/Getty Images

Nach Angaben der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) waren bereits 2017 mehr als ein Drittel der Fischbestände weltweit überfischt. In nur noch etwa sechs Prozent wurde demnach weniger gefischt, als nachhaltig wäre. Während der Anteil überfischter Gewässer steigt, sinkt - scheinbar paradoxerweise - der Ertrag: Wurden 1996 noch 130 Millionen Tonnen Fisch aus dem Meer gezogen, gehen die Mengen seitdem kontinuierlich zurück. Während Unmengen von Fisch zu Tierfutter verarbeitet werden, wird die Überfischung laut der evangelischen Entwicklungsorganisation Brot für die Welt für Abermillionen von Menschen zunehmend zum Ernährungsproblem, weil Fisch für sie eine wichtige Proteinquelle ist.

Vor allem Entwicklungsländern fehlt Fisch

Mit den staatlichen Subventionen fördern die Staaten die Überfischung - so zumindest lautet der Vorwurf von Umweltorganisationen und Wissenschaftlern. Am meisten Geld fließt demnach in China, der EU, den USA, Südkorea und Japan. Damit bauen diese Länder ihre Flotten weiter aus, etwa indem sie Treibstoff oder den Bau von Schiffen bezuschussen.

Vor allem die Subventionen für Treibstoff machen eigentlich unrentable Fischfangexpeditionen in ferne Meere lukrativ. So können große Flotten fernab ihrer nationalen Gewässer fischen. Den größten Schaden haben ärmeren Länder und kleinere Fischfangflotten, erklärt die Politikwissenschaftlerin Aletta Mondré von der Universität Kiel, die zu Internationaler Meerespolitik forscht: "Je mehr Fisch weit draußen auf dem Meer gefangen wird, desto weniger steht in den Küstengewässern zur Verfügung." Dies verstärke die Knappheit in lokalen Fischereibetrieben - vor allem in Entwicklungsländern. Die Einschränkung von Subventionen soll helfen zu verhindern, dass Bestände weiterhin illegal und legal überfischt werden.

Fischerei-Subventionen machen unprofitable Hochseefischerei erst lukrativ, deshalb sollten sie verboten werden.Bild: Salvatore Di Nolfi/KEYSTONE/picture alliance

Laut Angaben von Fischereiexperte Francisco Mari von Brot für die Welt sorgen nur 30.000 von mehreren Millionen Fischereischiffen und -booten weltweit für die Hälfte des gesamten Fischfangs. "Das führt zu einem Ungleichgewicht auf der Welt", kritisiert er. 

Dabei gilt die Fischerei gerade für ärmere Länder als besonders wichtig. Sie sichert laut der HilfsorganisationWelthungerhilfe etwa 800 Millionen Menschen die Lebensgrundlage; 90 Prozent dieser Menschen lebt im globalen Süden. Die Umweltschutzorganisation WWF fordert auf ihrer Webseite "faire Fischereiabkommen mit Drittstaaten", die eine "umweltverträgliche und nachhaltige Fischerei fördern und die Rechte und Bedürfnisse der lokalen Fischer schützen". 

Politisches Tauziehen um Details

Die Verhandlungen sind auch deshalb so schwierig, weil die WTO Regelungen nur einstimmig beschließen kann. Deshalb kann jedes einzelne der 164 Mitgliedsländer Vereinbarungen stoppen. Deshalb kam es auch bei der diesjährigen Sitzung auf jedes Detail an, sagte die WWF-Expertin für Meeresschutz Heike die Vesper der DW Anfang der Woche: "So viele Länder haben versucht, Schlupflöcher einzubauen."

Besonders Indien hatte sich als Sprecher für Entwicklungsländer hervorgetan. So hatte Indiens Handelsminister Piyush Goyal zum Beispiel darauf gepocht, dass die Rechte der indischen Fischer "in keiner Weise eingeschränkt werden dürfen". Es sei nun an den Ländern, die die Fischbestände in den Ozeanen bisher dezimiert haben, Verantwortung zu übernehmen.

Ausnahmen verwässern das Fischerei-Abkommen

Der nun verabschiedete Kompromiss sieht nun sehr allgemein vor, dass kein Mitgliedstaat Subventionen für Schiffe oder deren Betreiber ausschütten soll, die illegale, unregistrierte oder unregulierte (IUU) Fischerei betreiben. Einige Länder haben allerdings Ausnahmen erstritten, die teilweise noch nachverhandelt werden müssen.

Das habe das Abkommen verwässert, kritisiert Mari: "Wir sind skeptisch, ob das Ziel des Abkommens, also die Reduzierung von Subventionen, in dieser Form erreicht werden kann", sagt er. Besonders Kleinfischer könnten dadurch weiter unter Druck geraten, da viele Länder nun nicht mehr wüssten, was sie staatlich unterstützen dürften und was nicht. Große Industriestaaten hätten sich unterdessen eher durchgesetzt und sich Vorteile verschafft.

Die zahlreichen Forderungen, dass es eben keine Ausnahmen von Subventionen gibt, sind also nicht erfüllt worden. Statt kurzfristiger Profite für einige wenige auf Kosten der Natur und der Menschen, deren Lebensgrundlage vom Fisch abhängt, sollte es langfristige Verbesserungen für alle geben, betonte Heike Vesper vom WWF. Denn: "Es geht um die Gesundheit des Ozeans, aber auch um fairen Welthandel, Ernährungssicherheit und mehr Gerechtigkeit im Umgang mit dem Allgemeingut Fisch." 

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