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PolitikUkraine

Was der Durchbruch der ukrainischen Gegenoffensive bedeutet

4. September 2023

Seit Wochen stockte der von der Ukraine und dem Westen ersehnte Durchbruch an der Südfront. Nun gelang ein Weiterkommen entlang der ersten Linie - was nach Ansicht von Experten für Russland gefährlich werden könnte.

Ukrainische Kräfte nahe des Ortes Robotyne am 25. August 2023
Durchbruch an der Südfront: Ukrainische Kräfte nahe des Ortes Robotyne (25. August 2023)Bild: VIACHESLAV RATYNSKYI/REUTERS

Lange Zeit stockte die ukrainische Gegenoffensive, die Frontlinien schienen sich nicht zu bewegen - doch nun ist der Ukraine ein Durchbruch entlang der wichtigen Südfront bei Saporischschja gelungen. Streitkräfte konnten die erste Verteidigungslinie der Russen durchbrechen, wie die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar sagte. Die Armee setze ihre Offensiveinsätze im Gebiet Melitopol fort.

"Unsere Streitkräfte hatten Erfolge in der Nähe von Nowodanyliwka und Nowoprokopiwka", sagte sie. Beides sind kleinere Ortschaften in der Oblast Saporischschja. Zudem habe Kiew drei Quadratkilometer nahe der umkämpften ostukrainischen Stadt Bachmut zurückerobert.

Bereits im Juni hatte die Gegenoffensive der Ukrainer begonnen. Kiew will die teils von Moskau kontrollierten Gebiete Saporischschja, Donezk, Luhansk und Cherson von der russischen Besatzung befreien. Auch die Schwarzmeer-Halbinsel Krim, die Moskau 2014 völkerrechtswidrig annektiert hatte, soll zurückerobert werden.

Zur Zeit befinden sich die Truppen zwischen der ersten und zweiten Verteidigungslinie der Russen im Süden, sagte Brigadegeneral Oleksander Tarnawskyj, Kommandeur im Gebiet Saporischschja der britischen Sonntagszeitung Observer. Schon in den vergangenen Tagen wurden Erfolge der ukrainischen Armee rund um den Ort Robotyne gemeldet. Die russischen Truppen versuchen derzeit verlorene Gebiete durch Gegenangriffe zurück zu gewinnen.

Warum war der Durchbruch so schwierig?

Ursprünglich war mit einem deutlich schnelleren Durchbruch gerechnet worden, doch die ukrainische Gegenoffensive war lange durch ein riesiges Minenfeld in der Region erschwert worden. Dadurch sei die Evakuierung von Verwundeten behindert und das Vorrücken verkompliziert worden, so der ukrainische General Tarnawskyj.

Beim Durchqueren des Minenfelds seien Einsatzkräfte zudem stark beschossen worden. Laut Militäranalyst Allan Orr seien die Ukrainer zudem nicht ausreichend von der NATO ausgerüstet oder trainiert worden, wie er der dem US-Nachrichtenmagazin Newsweek sagte.

Ein Experte an einem Minenräumgerät: Vor allem die Minen erschwerten den Einsatzkräften das Vorankommen Bild: VIACHESLAV RATYNSKYI/REUTERS

Warum konnte der Durchbruch trotz aller Schwierigkeiten gelingen?

Dies könnte auch an dem Zustand der russischen Armee liegen. Laut dem russischen Batallionsführer Alexander Chodakowski stünden seine Truppen bei der Verteidigung der südöstlichen Regionen unter "extremen physischen und psychischen Stress". In dem neuen Bericht der US-Denkfabrik for the Study of War (ISW) von Samstag wird mit Bezug auf die Aussage Chodakowskis deshalb geschlussgefolgert, dass sich die Lage für Russland verschlechtere. 

Die Soldaten würden ständig ukrainischen Artilleriebeschuss erleben. Chodakowski äußerte Zweifel daran, dass die "erschöpften russischen Einheiten in der Lage sein werden, künftige Angriffe der ukrainischen Offensive an diesen Frontabschnitten abzuwehren", so der Bericht des ISW.

Wie ist der Durchbruch zu bewerten?

Nach Ansicht von Experten kann der Durchbruch durchaus positiv für die Ukrainer gewertet werden. Nach Einschätzung von Brigadegeneral Tarnawskyj hätten die russischen Truppen bereits an der ersten Linie rund 60 Prozent ihrer Ressourcen und Zeit aufgewendet.

Bei der zweiten und dritten Verteidigungslinie seien jeweils nur noch 20 Prozent der Ressourcen zu erwarten. Auch das US-Institut für Kriegsstudien ISW sprach von Fortschritten der ukrainischen Streitskräfte, die Lage der russischen Truppen verschlechtere sich zunehmend.

Teilerfolg der Ukraine bei Gegenoffensive

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Es gehe nicht um einen "hollywoodreifen Durchbruch", sondern um eine Lücke in der russischen Verteidigung, sagte Militärexperte Marcus Keupp bei ZDFheute. Diese müsse "so fünf bis zehn Kilometer breit sein - und durch diese Lücke schieben sie dann das schwere Material, also ihre Reserven." Die Ukraine sei gerade dabei, diese Lücke auszumachen. "Das ist also ein sehr gefährlicher Moment für die Russen."

Wie geht es möglicherweise weiter?

Laut Brigadegeneral Tarnawskyj bewege sich die ukrainische Armee weiter in Richtung der von den Russen besetzten Städte Tokmak und Melitopol am Asowschen Meer. Wie groß das dort bereits zurück eroberte Gebiet ist, wurde noch nicht bekannt gegeben. Ziel ist, das etwa 90 Kilometer entfernte Asowsche Meer zu erreichen und die russischen Truppen voneinander abzuschneiden.

Laut Militärexperte Marcus Keupp bei ZDFheute sei der Ort Tokmak von zentraler Bedeutung, da in diesem Gebiet mehrere wichtige Landstraßen verliefen sowie eine wichtige Eisenbahnlinie. Die russische Logistik könne von dort "sehr effizient" unterbunden werden, so Keupp weiter. Tokmak sei eine "Art Wachposten" für den Raum bis zur Schwarzmeerküste. Sobald die Ukraine die Schwarzmeerküste erreiche und die Krim beschießen könnte, sei der Krieg für die Russen taktisch verloren.

Nach Einschätzung des Sicherheitsexperten Christian Mölling im stern-Podcast blieben den Ukrainern noch etwa zwei Monate, bis das Wetter größere Bewegungen unmöglich mache. Es sei jedoch viel gewonnen, wenn man es schaffe, einen Keil nach Süden auszubauen, "sodass man die gesamte Landmasse bis zum Asowschen Meer unter Artilleriefeuer halten kann". Dies würde die Versorgung der russischen Truppen erschweren.

(mit Agenturen)

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