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KonflikteJordanien

Was der Israel-Iran-Konflikt für die Region bedeutet

25. Juni 2025

Die Waffenruhe zwischen Israel und dem Iran scheint sich zu stabilisieren. In der Region wächst die Hoffnung auf Entspannung - doch viele Staaten bleiben in ihrer Haltung gegenüber Teheran ambivalent.

Rauchwolken nach einer Explosion in Teheran, 21.6.25
Rauchwolken nach einer Explosion in Teheran, 21.6.25Bild: privat

Der israelisch-iranische Konflikt hat zumindest seine heißteste Phase offenbar hinter sich. Die am Montag unter der Regie von US-Präsident Donald Trump vereinbarte Waffenruhe scheint sich trotz einiger von beiden Seiten verantworteten kurzzeitigen Brüche zu stabilisieren. Damit haben alle Staaten in der Region Gelegenheit, ihre Positionen hinsichtlich des Konflikts und der daraus sich ergebenden Konsequenzen zu überdenken. 

Die bisherige Position einer Reihe von Staaten war vor allem eines: ambivalent. So hat Jordanien in einer gemeinsam mit anderen arabischen, afrikanischen und asiatischen Staaten veröffentlichten Erklärung zwar seine "kategorische Ablehnung und Verurteilung" der Angriffe Israels auf die Islamische Republik Iran seit dem 13. Juni 2025" ausgedrückt, zugleich aber aus dem Iran abgefeuerte Raketen über seinem Territorium abgeschossen. Dabei berief sich die jordanische Regierung auf das Prinzip der Selbstverteidigung. Ebenso hat auch Saudi-Arabien die Erklärung unterzeichnet. Zum Abschuss iranischer Raketen liegt aus Riad zwar keine Stellungnahme vor, Experten halten sie allerdings für durchaus möglich.

Grundlegend unterscheidet sich die Situation Jordaniens und Saudi-Arabiens wenig von der anderer einiger anderer Staaten in der Region. So pflegen beide ein stabiles friedliches Verhältnis zu Israel - Jordanien hat sogar einen Friedensvertrag -, beide sind aber auch auf militärische Kooperation mit den USA angewiesen. Jordanien erhält darüber hinaus auch finanzielle Unterstützung aus Washington, nämlich rund 1,45 Milliarden Dollar (1,25 Milliarden Euro) jährlich. Damit ist das Land nach Israel der weltweit zweitgrößte Empfänger von US-Hilfen. Diese Hilfe stand zu Beginn der Regierung Trump kurzfristig auf dem Spiel.

Bedrohung für weltweite Wirtschaft

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Beide Länder, Jordanien wie Saudi-Arabien, haben zugleich aber auch die Interessen der Region insgesamt im Blick. Dazu zählt vor allem deren Stabilität. Und die gründet vor allem auf einem ausgewogenen Verhältnis zum Iran.

Sorge vor einem Sturz des Regimes

Diese Ambivalenz dürfte die Regionalpolitik insbesondere der Golfstaaten auch künftig prägen, erwartet Simon Wolfgang Fuchs, Islamwissenschaftler an der Hebräischen Universität Jerusalem. Man habe in den Golfstaaten sehr genau registriert, dass der Iran einen erheblichen Teil seines Bedrohungspotenzials eingebüßt habe, sagt er im DW-Gespräch unter Verweis auf geschwächte pro-iranische Milizen wie die Hisbollah, die Hamas und schiitischer Gruppierungen im Irak. Auch Syrien ist als Verbündeter des Iran weggefallen. "Vor diesem Hintergrund scheint es aus Sicht der Golfstaaten natürlich sinnvoll, auf diesen zwar geschwächten, aber immer noch sehr wichtigen Akteur in der Region zuzugehen. An einer unmittelbaren Schwächung des dortigen Regimes oder gar an dessen Sturz und dem damit verbundene Chaos hat man allerdings kein Interesse. Eine vergleichbare Position vertritt auch Jordanien." 

Ideologische Mobilisierung: Ein Plakat zeigt Mitglieder der Revolutionsgarden in Teheran, 24.6. 2025 Bild: Morteza Nikoubazl/NurPhoto/NurPhoto

Tatsächlich setzen die Nachbarstaaten nun offenbar darauf, einen Sturz des autoritären Regimes zu verhindern. "Die Frage ist ohnehin, was auf die Islamische Republik folgen würde", umreißt Marcus Schneider, Leiter des Beiruter Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung, in einer Analyse auf der Homepage der Stiftung die Sorgen innerhalb und außerhalb der Region. "Im Land selbst existiert aus nachvollziehbaren Gründen keine organisierte Opposition - weder politisch noch bewaffnet. Und im Exil stehen mit den Volksmudschaheddin und den Monarchisten zwei Kräfte bereit, deren Schlagkraft zweifelhaft ist."

Ägyptische Ambivalenz

Ähnlich ambivalent tritt Ägypten auf. Das Land zeigte sich in der heißen Phase des Konflikts äußerst zurückhaltend. Das Land begrüßte die vereinbarte Waffenruhe und kündigte an, seine diplomatischen Bemühungen mit Partnern fortzusetzen. Ziel sei es, die Waffenruhe zu festigen, die Lage zu entspannen und eine umfassende, dauerhafte Lösung der Krisen zu erreichen. 

Ägypten sei in einer delikaten Position, gerade aufgrund seiner Abhängigkeit von US-amerikanischer Militärhilfe, sagt Fuchs. Das habe sich vor allem anlässlich des Gaza-Krieges gezeigt. Kairo habe zwar klar alle Planspiele zur Aufnahme von Palästinensern aus Gaza zurückgewiesen und deutlich gemacht, dass man eine Vertreibung der Bevölkerung nicht akzeptieren werde. "Auf der anderen Seite hat die ägyptische Regierung aber auch alles unternommen, um die israelische Seite und die USA nicht zu verärgern, indem man beispielsweise rigoros den Gaza-Solidaritätsmarsch aus Tunesien aufgehalten sowie internationale Aktivisten am 14. Juni attackiert und nicht einmal in die Nähe des Sinai gelassen hat."

Partner: der ägyptische Präsident Abdel Fattah Al Sisi (r) und US-Präsident Donald Trump, hier auf einer Aufnahme auf dem Jahr 2017Bild: Pat Benic/IMAGO

Komplikationen im Verhältnis zu den USA will die Regierung in Kairo ganz offenbar vermeiden. Gemeinsam widmen sich Staaten dem Anti-Terror-Kampf oder auch der Sicherung der ägyptischen Grenzen zu Konfliktländern oder -regionen wie Libyen, Gaza und dem Sudan. Zudem erhält Ägypten massive US-Militärhilfen. Allein im vergangenen Jahr belief diese sich auf einen Wert von 1,3 Milliarden US-Dollar (1,12 Milliarden Euro). All dies dürfte dazu beitragen, dass Ägypten sich weiterhin eng mit dem Weißen Haus abstimmt, zumal von dort auch zur desaströsen Menschenrechtsbilanz der Regierung al-Sisi nichts zu hören ist.

Sorge um politisches Gleichgewicht 

Allen Staaten in der Nachbarschaft des Iran dürfte aber klargeworden sein, wie sehr es darauf ankommt, das Gleichgewicht in der Region zu halten - und zwar auch mit Blick auf einen so schwierigen Partner wie den Iran. "Ein geschwächter Iran ließe sich einhegen und zähmen", schreibt Schneider. "Ein in die Enge getriebenes, schwer angeschlagenes Land im Überlebenskampf hingegen ist unberechenbar."

Es habe sich aber auch ein weiteres gezeigt, sagt Fuchs: Der Kurs der derzeitigen US-Regierung werde in weiten Teilen der Region als irritierend empfunden. "Präsident Trump wirft mit seiner Außenpolitik durch soziale Medien natürlich alle Gewissheiten über den Haufen. Ich glaube aber kaum, dass die USA ihr Hauptaugenmerk in den nächsten Jahren auf den Nahen Osten richten werden. Israel und Iran sind hier Sonderfälle. An weiteren Interventionen hat man wenig Interesse, der Fokus wird sich unweigerlich auf Ostasien verschieben."

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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