Was der Krieg in der Ukraine für das Reisen bedeutet
2. März 2022Eigentlich verbieten sich derzeit Fragen danach, wie sich der Krieg in der Ukraine auf die Reisebranche auswirkt. Marten Lange-Siebenthaler vom Reiseanbieter Dreizackreisen, der auf Ziele in Osteuropa spezialisiert ist, bringt es so auf den Punkt: "Diese Fragen stehen gerade im Hintergrund. Es sterben in der Ukraine Menschen, Menschen die man kennt, Hunderttausende müssen fliehen, das ist es, was gerade wichtig ist."
Außerdem sei der Tourismus in die Region ja nicht erst seit Ausbruch des Krieges zusammengebrochen, sondern schon seit der Annektion der Krim durch Russland im Jahr 2014. Das sei über die Jahre bloß aus dem Blick der Öffentlichkeit geraten, so Lange-Siebenthaler.
Angesichts der aktuellen Eskalation hat sein Unternehmen - wie diverse andere Anbieter auch - alle Reisen nach Belarus, Russland und in die Ukraine aus dem Programm genommen. Die Ukraine sei aber von jeher kein Urlaubsziel für Pauschaltouristen gewesen, sondern überwiegend für Kultur- und Bildungsreisende, erklärt Lange-Siebenthaler.
Luftverkehr weltweit betroffen
Doch unabhängig davon beeinträchtigt der Krieg auch Reisende, die gar nicht in die Region wollen. Der Luftraum über Russland ist für zivile Flugzeuge aus Deutschland und 35 andere Staaten gesperrt, darunter Frankreich, Polen, Finnland aber auch Kanada. Umgekehrt erlaubt die Europäische Union russischen Flugzeugen seit dem 26. Februar weder Überflug noch Landung in Europa.
Die Agentur für Europäische Flugsicherheit (EASA) hatte bereits am 24. Februar, also unmittelbar nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine, Sicherheitshinweise für Fluglinien herausgegeben, die im Luftraum rund um das Kriegsgebiet operieren, dazu zählen auch die Republik Moldau und Belarus. Die umfangreichen Warnungen gelten zunächst für 90 Tage, falls sie nicht vorher aktualisiert werden.
Das hat Konsequenzen. Die Fluggesellschaften stellen sich auf möglicherweise langwierige Sperrungen wichtiger Ost-West-Flugkorridore ein. Wolf-Dietrich Kindt, Leiter Strategie und Kommunikation beim Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL), sagte der DW, dass die veränderten Bedingungen für die Airlines mit zusätzlichen Belastungen einhergehen: "Flüge nach Fernost, die üblicherweise über Russland fliegen, nehmen Umwege über alternative Routen. Das führt zu längeren Flugzeiten und längeren Routen. Die wiederum erhöhen den Kraftstoffbedarf und damit die Kosten für die Airlines."
Längere Strecken, teurer Treibstoff
So heißt es auf der Lufthansa-Internetseite: "Auf Lufthansa-Flügen nach Fernost kann es wegen Umplanung von Flugrouten kurzfristige Wechsel in der Abflugs- und Ankunftszeit geben." Eine Sprecherin erklärte auf DW-Anfrage, die Airline rechne damit, dass die Verbindungen nach Seoul in Südkorea rund 90 Minuten länger dauern werden, für Flüge nach Tokio müssten demnach sogar bis zu zwei Stunden mehr einkalkuliert werden.
Gleichzeitig erhöhten sich die Ölpreise zwischenzeitlich auf mehr als 100 US-Dollar pro Barrel. Dieser Anstieg kann und wird sich auf die Luftfahrtindustrie auswirken, die sich gerade erst von der Pandemie erholt - und damit auch auf die Kunden.
Sorgenvollen Fragen von Reisenden, ob es jetzt überhaupt möglich und angeraten sei, nach Europa zu kommen, entgegnet der BDL-Sprecher aber im Namen der von seinem Verband vertretenen Airlines: "Europa ist offen und sicher und wir heißen alle Gäste willkommen."
Tourismusexperten bestätigen, dass Touristen, die einen Urlaub beispielsweise in Polen oder dem Baltikum geplant haben, ohne Probleme reisen können. Sie müssten jedoch damit rechnen, dass die humanitäre Katastrophe auch in den Nachbarstaaten der Ukraine spürbar wird. Bislang sind fast 700.000 Menschen aus der Ukraine auf der Flucht.
Kreuzfahrten abgesagt
Auch die Kreuzfahrtbranche hat auf die neue Situation reagiert. Nachdem Norwegian Cruise Line bereits am Donnerstag als erster Anbieter alle Kreuzfahrten nach Russland abgesagt hat, folgten kurz darauf TUI Cruises, MSC Cruises und AIDA Cruises. Alle Reedereien strichen als Reaktion auf den russischen Angriff auf die Ukraine alle Anläufe für St. Petersburg in diesem Jahr.
Der Anbieter von Hochsee- und Flusskreuzfahrten Phoenix Reisen sagte zunächst alle Touren auf der Wolga für April und Mai ab, behielt sich nach Angaben einer Sprecherin aber "weitere Schritte" vor.
Die Tourismusbranche steht rat- und machtlos vor der Situation in der Ukraine. Gerade erst zeichnete sich eine leichte Erholung nach den katastrophalen Corona-Jahren ab, da werden Urlaubshungrige durch Kriegsbilder verunsichert. Es bleibt eigentlich nur das "Prinzip Hoffnung", wie auch eine Mitteilung des Deutschen Reiseverbandes (DRV) belegt: "Es steht zu hoffen, dass die Diplomatie jetzt schnell Oberhand gewinnt und die militärischen Operationen Russlands in der Ukraine gestoppt werden können."
Grundsätzlich gilt: Die Ereignisse überschlagen sich und Reisende sollten sich vor der Abreise genau informieren, wie der aktuelle Stand ist. So hat das Auswärtige Amt deutsche Bürgerinnen und Bürger am 1. März aufgefordert, über eine Ausreise aus Russland nachzudenken. Von Reisen in die Russische Föderation wird abgeraten, vor Reisen nach Südrussland in die Grenzregionen zur Ukraine wird sogar gewarnt. Reisepläne sollten auf jeden Fall überprüft werden, nach Möglichkeit sollten Reisen verschoben oder abgesagt werden.