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PolitikEuropa

USAID: Was der Kahlschlag für die Entwicklungshilfe bedeutet

7. Februar 2025

Mit den USA und seiner Entwicklungsbehörde USAID fällt der weltweit größte Geber von Entwicklungshilfe plötzlich aus. Ärmere Länder wie Bangladesch könnten sich nun China zuwenden.

China Hilfsgüter mit der Aufschrift „China Aid“
Hilfe aus China: seit 2018 betreibt Peking die Agentur "China Aid"Bild: Liang Xu/Xinhua/picture alliance

Donald Trumps Entscheidung, die Entwicklungshilfe auszusetzen, hat US-finanzierte Projekte in etwa 130 Ländern zum Erliegen gebracht. Das hat dramatische Folgen für Millionen Menschen, humanitäre Helfer weltweit sind verunsichert.

US-Präsident Trump wirft der Entwicklungsbehörde USAID Verschwendung vor. Am Donnerstag (6.2.) behauptete er auf seiner Plattform "Truth Social" zudem, dass es aussehe, als seien "bei USAID Milliarden an Dollar gestohlen worden". Belege dafür nannte er nicht.

Rivalen im Indopazifik

Oppositionspolitiker in den USA werfen Trump vor, damit nicht nur den Kampf gegen Hunger, Krankheiten und Konflikte zu gefährden. "Es geht nicht um Wohltätigkeit, es geht um uns selbst", sagte Andy Kim, demokratischer US-Senator für New Jersey, bei CNN. "USAID ist eines unserer besten Instrumente, um dem finanziellen und wirtschaftlichen Einfluss Chinas entgegenzuwirken."

Denn ihren Konflikt um globale Vorherrschaft tragen die beiden Supermächte auch mit Auslandshilfen rund um die Welt aus. Diese Rivalität zeigt sich besonders im Indopazifik, etwa in Bangladesch. Das Land am Indischen Ozean ist für China von strategischer Bedeutung. Und bietet mit seinen mehr als 170 Millionen Einwohnern einen Absatzmarkt für Chinas Wirtschaft. Peking legt seine Auslandshilfen nicht offen, doch Forscher am College of William and Mary im US-Bundesstaat Virginia schätzen, dass China seit dem Jahr 2000 in Bangladesch 138 Entwicklungsprojekte finanziert hat. Dabei seien insgesamt fast 21 Milliarden US-Dollar geflossen.

"Auch China ist ein guter Freund"

Bislang haben die USA dagegengehalten. Allein 2024 hatten sie sie dem südasiatischen Land393 Millionen US-Dollar an Hilfe gewährt. "Bangladesch pflegt schon seit langem eine sehr gute Partnerschaft mit USAID und der US-Regierung", sagt Jashim Uddin, Direktor von ADAB, einer Vereinigung von Entwicklungs-Agenturen in Bangladesch. In ihr haben sich mehr als 1000 Nichtregierungsorganisationen zusammengeschlossen. "Die USA haben uns seit dem Beginn unserer Unabhängigkeit 1971 finanziell unterstützt", so Uddin im Telefoninterview mit der DW.

Der chinesische Botschafter in Bangladesch Yao Wen (2.v.r.) übergibt Nothilfe gegen das Dengue-FieberBild: Salim/Xinhua/picture alliance

Der Stopp der US-Hilfen stelle das Land nun vor große Probleme, sagt Uddin. Tausende Projektmitarbeiter seien bereits entlassen worden. "Es wird die Zivilgesellschaft in Bangladesch schwächen. Es könnte zu sozialer Instabilität, höheren Gesundheitsrisiken und mehr Armut kommen. All das wird sich verstärken." Uddin meint, seine Regierung solle sich nun aktiv um neue Geber bemühen. "Wir müssen unsere Finanzierung diversifizieren. Auch China ist ein guter Freund von Bangladesch." Peking könne seine Unterstützung nun ausweiten; auch auf humanitäre Hilfe und die Unterstützung sozialer Projekte.

Peking setzt auf Großprojekte

Während USAID meist mit lokalen Organisationen zusammenarbeitet, konzentriert sich China Aid, gegründet 2018, auf Kredite und große Infrastrukturprojekte. Beide Agenturen verfolgen jedoch ähnliche Ziele: Sie sollen den Einfluss ihrer Regierungen in wichtigen Partnerländern sichern. Mit seiner Initiative Neue Seidenstraße (Belt and Road Initiative (BRI)) versucht China, derzeit mehr als 145 Ländern über gemeinsame Großprojekte wie Brücken, Straßen und Häfen an sich zu binden.

So baut China seine Macht in der Welt aus

15:11

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"Den Chinesen kann nichts Besseres passieren, als ein amerikanischer Rückzug", sagt Volkmar Klein. Er ist Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung ."Peking versucht, Absatzmärkte zu sichern, Abhängigkeiten zu schaffen und sich mittels dieser Unterstützung Vorteile in internationalen Verhandlungen zu sichern."

Kann Deutschland einspringen?

So würde die chinesische Position gestärkt und Vertrauen in die Vereinigten Staaten zerstört, sagt Klein im Gespräch mit der DW. Und die Auswirkungen für die Entwicklungspolitik Deutschlands, des zweitgrößten Gebers nach den USA? "Ich glaube, das Vertrauen in die Zusammenarbeit mit uns wird dadurch nicht tangiert. Ganz im Gegenteil, wir werden als verlässlicher Partner angesehen und das sollte auch so bleiben." 

Auch für Deutschland sei China ein systemischer Konkurrent, sagt Volkmar Klein von der CDUBild: Felix Zahn/Photothek/picture alliance

Ähnlich äußerte sich die deutsche Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) kürzlich im öffentlich-rechtlichen Sender RBB. Man müsse nun in Europa schauen, was man gemeinsam auf die Beine stellen könne. "Wir sind gut beraten, unsere Entwicklungszusammenarbeit weiter zu stärken, nicht zu kürzen."

Volkmar Klein rät einer neuen Bundesregierung – voraussichtlich unter Führung seiner Partei – international mehr Verantwortung zu übernehmen. "Aber ausgleichen könnten wir amerikanische Ausfälle nicht. Die Amerikaner bezahlen ungefähr sechsmal so viel Entwicklungszusammenarbeit wie Deutschland. Da ist es eine völlige Illusion, auch nur annähernd über Kompensationen nachzudenken."

"US-Diplomatie neu denken"

Macht China also Boden gut im Wettstreit der Mächte um internationalen Einfluss? Die geplante Zerschlagung von USAID jedenfalls dürfte man in Peking begrüßen. Ein Bericht des chinesischen Außenministeriums aus dem Jahr 2024 bezeichnete die US-Entwicklungshilfe als "egoistisch, arrogant, heuchlerisch und hässlich". 

Der Kampf um Einfluss zwischen den USA und China sei jedoch kein Nullsummenspiel, bei dem einer gewinnt, was der andere verliert, sagt Evan Cooper. Er leitet das Projekt "Reimagining US Diplomacy" der Denkfabrik Stimson Center in Washington DC. "Der Zusammenbruch von USAID, die Streichung von Geldern und die Entlassung von Mitarbeitern wird nicht dazu führen, dass die Rivalen der USA plötzlich enormen Einfluss in der Welt gewinnen", sagt er der DW am Telefon. 

97 Prozent der USAID-Mitarbeiter sind freigestellt

Das Einfrieren von Geldern werde vermutlich zum Zusammenbruch der Entwicklungshilfe-Industrie führen. "Aber es wird nicht dazu führen, dass China einspringt, um diese Lücke zu füllen." In den USA müsse man sich nun eher Sorgen darum machen, dass der plötzliche Zusammenbruch der Entwicklungsprogramme weltweit zu mehr Konflikten und mehr Migration führen könnte. "Wir haben gesehen, wie verstärkte Migrationsströme zu Instabilität und dem Aufkommen von Populismus führen können. Und ich denke, dass dies mittel- bis längerfristig destabilisierend für die Vereinigten Staaten sein könnte."

"USAID rettet Leben": Demonstration in Washington DCBild: J. Scott Applewhite/AP/picture alliance

Nur noch etwa 300 von 10.000 USAID-Mitarbeitern dürfen derzeit ihrer Arbeit nachgehen, berichten mehrere US-Medien. Es ist nicht klar, wie viele Entwicklungsprojekte US-Präsident Trump nach einer 90-tägigen Überprüfung, wieder anlaufen lässt. Schon lange wurde nicht mehr so hitzig über Entwicklungszusammenarbeit diskutiert wie jetzt - in den USA und darüber hinaus. Auch bei der Münchner Sicherheitskonferenz dürfte USAID ein Thema sein. Dort werden in der kommenden Woche Vertreter Chinas, aber auch US-Vizepräsident J.D. Vance und Außenminister Marco Rubio erwartet.