Zurück in die Heimat
4. Juli 2008Es ist das Dauermantra in den politischen Talkshows des deutschen Fernsehens. Vor allem hohe Lohnkosten und Steuerlast führten dazu, dass immer mehr Unternehmen aus Deutschland ins Ausland abwandern, ist da von Experten und Politikern gebetsmühlenartig zu hören. China sei der große Zukunftsmarkt, Asien der große Magnet für weitsichtige Unternehmer.
Als kürzlich der traditionsreiche Stofftier-Hersteller Steiff aus dem schwäbischen Giengen mitteilte, seine Produktion in China bis 2009 aufzugeben, war das öffentliche Interesse groß. Nur einen Tag später ließ der Verein Deutscher Ingenieure (VdI) per Pressemitteilung verlautbaren, Steiff sei kein Einzelfall. Nach einer vom VdI in Auftrag gegebene Studie des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung komme fast jeder fünfte Betrieb, der seine Fertigung ins Ausland verlegt habe, nach einigen Jahren wieder zurück.
Zwar verlagere noch jeder elfte Betrieb Teile seine Produktion ins Ausland, doch der Trend sei rückläufig. "Diese Zahlen zeigen uns, dass das Label 'Made in Germany' weiterhin ein Qualitätssiegel ist", sagte VdI-Präsident Bruno O. Braun in der Mitteilung.
Ausland bleibt interessant
Diese Einschätzungen werden jedoch nicht überall geteilt. Der Chefvolkswirt des Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), Volker Treier, sieht diesen Trend nicht. Er hält die Zahlen des VdI für "deutlich zu hoch". Es habe schon immer Rückverlagerungen gegeben und der Anteil der "Heimkehrer" sei in den vergangenen Jahren relativ konstant geblieben.
Treier beruft sich dabei auf die jährliche DIHK-Umfrage unter 8000 Industrieunternehmen. "Der Trend im Ausland zu investieren - was übrigens nicht mit Produktionsverlagerung gleichzusetzen ist - ist ungebrochen. Und China liegt bei einem Drittel der Industrieunternehmen weiter hoch im Kurs", sagt Treier. Die Behauptung "Immer mehr Firmen verlassen China" - wie in einigen Medien in den letzten Tagen zu lesen war - hält er für falsch.
Zwischen 2003 und 2007 hätten die befragten Unternehmen zwar das Signal gegeben, dass die Notwendigkeit, Produktion ins Ausland zu verlagern, zurückgegangen ist. Doch aufgrund des gestiegenen Euro-Außenwertes in diesem Jahr sei es für Unternehmen, die Güter im Dollarraum absetzen, wieder interessant Produktionsstätten in diesem Markt aufzubauen.
Kurzsichtige Entscheidungen
Dass Unternehmen ihre Auslandsvorhaben beenden, führt der VdI vor allem darauf zurück, dass "sehr kurzsichtig" gehandelt wurde. "Die Anlaufzeiten am neuen Standort, das Netzwerk vor Ort oder etwa die Kosten für die Betreuung und Kontrolle werden häufig nicht berücksichtigt", so die Einschätzung.
Nach Ansicht von Treier sind auch Fehleinschätzungen, was die Qualifizierung des Personals betrifft, häufig. "Da gibt es oft böse Überraschungen", so der DIHK-Chefvolkswirt. Was China angeht, wird oft auch fehlende Produktsicherheit von den Unternehmen angeführt, die sich aus dem Markt zurückziehen.
Die Firma Steiff machte in ihren öffentlichen Erklärungen vor allem Qualitätsmängel und lange Transportwege für den Rückzug verantwortlich. "Für Premiumprodukte sei China einfach "nicht kalkulierbar", sagte der Geschäftsführer Martin Frechen in einem Zeitungsinterview. Er beklagte außerdem, es sei wegen des Booms in China zu einer hohen Fluktuation unter den Mitarbeitern gekommen. Wer zum Beispiel 20 Dollar mehr im Jahr verdienen könne, wechsele flugs den Job. Allerdings brauche das Unternehmen bis zu zwölf Monate, um Mitarbeiter für ihren Job einzuarbeiten.
Ölpreis als Handelsbarriere?
Künftig könnten auch die steigenden Energiepreise Unternehmen dazu bewegen, ihre Standorte zurückzuverlagern. In der globalen Wirtschaft lassen Hersteller - von Autos bis zu Computern - die Einzelteile ihrer Produkte einfach da produzieren, wo es am billigsten ist. Danach wird alles per Schiff, Flugzeug oder LKW an einen Ort gebracht und zusammenmontiert. Transportkosten spielten dafür bislang kaum eine Rolle. Doch steigt der Ölpreis weiter, könnte er zu einer wichtigen Handelsbarriere werden. Dies sei in Einzelfällen zwar schon zu beobachten, sagt Treier. Ein genereller Trend sei zu diesem Zeitpunkt nicht zu sehen.