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Politik

Was die Frankreich-Wahl für die EU bedeutet

Nina Niebergall
24. April 2017

In der Stichwahl werden sich zwei Kandidaten mit völlig unterschiedlichen Visionen für Europa gegenüberstehen: der Sozialliberale Macron und die Rechtspopulistin Le Pen. Für Brüssel ergeben sich daraus mehrere Szenarien.

Berlin Kundgebung "Pulse of Europe"
Bild: picture-alliance/dpa/M. Skolimowska

Wer wird Frankreichs nächstes Staatsoberhaupt - ein reformwilliger Proeuropäer oder Madame "Frexit"? Es sei "eine Richtungsentscheidung, die in zwei Wochen ansteht", meint Evelyne Gebhardt, Vizepräsidentin im europäischen Parlament, im Interview mit der DW. Diese laute: "Solidarität und Gerechtigkeit oder Nationalismus und Spaltung".

Es kommt nun darauf an, wie die Franzosen am 7. Mai entscheiden: Entweder wird Frankreich unter einem Präsidenten Emmanuel Macron die europäische Integration weiter mittragen, sie womöglich sogar vertiefen. Oder das Land schottet sich, wie es Marine Le Pen fordert, von den Nachbarländern ab, macht die Grenzen dicht und schafft den Euro ab. Ein solches politisches Erdbeben könnte Europa noch heftiger erschüttern als der "Brexit". Es steht also einiges auf dem Spiel.

Vorsichtige Freude

Umso mehr freuten sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, die Außenbeauftragte Federica Mogherini und Abgeordnete des europäischen Parlaments, als am Sonntagabend feststand: Macron gewinnt in der ersten Wahlrunde die meisten Stimmen. Es ist dieser Gedanke, der Politiker in ganz Europa aufatmen lässt: Die Populisten sind in Frankreich nicht so stark wie befürchtet. "Der vielbeschworene Dominoeffekt nach dem Brexit-Referendum und Donald Trumps Wahlsieg ist bis jetzt nicht eingetreten. Und das europäische Projekt hat gewonnen", kommentiert die britische Tageszeitung "The Guardian" am Tag nach der Wahl, fügt aber nach einem Gedankenstrich hinzu: "vorläufig jedenfalls".

Welche Vorstellung von Europa überzeugt die Franzosen: die Emmanuel Macrons oder Marine Le Pens?Bild: picture-alliance/dpa

Denn mit Le Pen ist noch immer eine entschiedene Europagegnerin im Rennen um die Präsidentschaft. Sie erhielt 21,4 Prozent der Stimmen. Damit votierten immerhin 7,6 Millionen Franzosen für den rechtspopulistischen Front National. Dazu kommen 19,6 Prozent, die mit Jean-Luc Mélenchon ebenfalls den Austritt aus der EU in Kauf nehmen würden. Der linksextreme Kandidat wollte zunächst versuchen, die EU zu reformieren. Sollte das nicht funktionieren, hatte auch er angekündigt, die Gemeinschaft verlassen zu wollen. Als sich die Kandidaten der Republikaner und der Sozialisten, François Fillon und Benoît Hamon, am Wahlabend hinter Macron stellten, hielt sich Mélenchon mit solchen Bekundungen zurück. Bislang unterstützt er weder Macron noch Le Pen.

Es mag diesem Umstand geschuldet sein, wenn der aus Frankreich stammende EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici warnt: "Die Wahl ist noch nicht gelaufen." Zwar glaube er nicht, dass die Front-National-Chefin Le Pen in der Stichwahl gewinnen werde. "Ich fürchte aber, dass sie 40 Prozent holt". Sollte Moscovicis Prognose eintreffen, müsste Macron damit leben, dass ein Großteil der Franzosen seinen proeuropäischen Kurs ablehnt.

Unterschiedliche Vorstellungen

Der Direktor des Brüsseler Think Tanks "Centre for European Policy Studies", Daniel Gros, macht im Interview mit der DW auf ein weiteres Hindernis für Macrons EU-Politik aufmerksam. Gros meint, in der französischen Parlamentswahl im Juni werde Macrons Bewegung "En marche" kaum eine Mehrheit erhalten. Dann könne der 39-Jährige nicht so stark auftreten, wie er gerne möchte. "Für Brüssel ist aber entscheidend, ob ein Politiker auf nationaler Ebene ein eindeutiges Mandat hat. Das wird wohl nicht der Fall sein." Auch gingen Macrons wirtschaftspolitische Interessen in eine andere Richtung als die anderer EU-Mitglieder - allen voran Deutschlands. "Ich glaube nicht, dass er auf europäischer Ebene viel bewegen kann", schlussfolgert Gros.

Ob Macron mit diesen beiden auf einer Linie wäre? Wolfgang Schäuble und Angela Merkel stehen für strenge HaushaltspolitikBild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Tatsächlich trat Macron im Wahlkampf unter anderem für einen gemeinsamen Haushalt der Eurozone ein. Das dürfte beim konservativ geführten Berlin auf taube Ohren stoßen. Vor allem der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble hatte in den vergangenen Jahren immer wieder jegliche Vergemeinschaftung in der Finanzpolitik von sich gewiesen.

SPD-Politikerin Evelyne Gebhardt ist Macron hingegen zu wirtschaftsliberal. "Es gibt durchaus Positionen, die ich nicht teilen kann", betont die Europaabgeordnete. Sie stimme dem ehemaligen Investmentbanker allerdings zu, "wenn er sagt, dass wir die Austeritätspolitik überdenken müssen. In südeuropäischen Ländern trägt sie dazu bei, dass die Arbeitslosigkeit steigt und die Wirtschaftskraft sich verringert." Das sei auch ein Grund dafür, dass extreme Parteien Zulauf erhielten.

EU-Politik gegen Rechts

Für den Wirtschaftswissenschaftler Daniel Gros ist das jedoch nicht der einzige Grund. "Die EU sollte natürlich wirtschaftlich Sinn machen. Aber das spricht nicht die Herzen der Leute an", meint er. Man müsse den Menschen daher zeigen, wie man ihre Sicherheit garantiere und ihre nationale Identität wahre. "Die EU muss sich auf die Fragen der inneren und äußeren Sicherheit konzentrieren. Das ist das Gebiet, auf dem es die größten Defizite gibt."

Die Präsidentschaftswahl in Frankreich war von vielen zur Schicksalsentscheidung für Europa erklärt worden. Mit seinen klar pro-europäischen Positionen knüpft Macron sein Schicksal umgekehrt an das der EU. Das berge ein gewisses Risiko, meint Gros. Aber es sei gut, "dass die europäische Frage nicht in den Hintergrund tritt". Nun werde endgültig geklärt, wer in Frankreich die Mehrheit hat: Die Euroskeptiker oder die Proeuropäer.

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