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Politik

Jerusalemer über Trumps Beschluss

6. Dezember 2017

US-Präsident Donald Trumps Entscheidung, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, stößt weltweit auf Kritik. In Jerusalem selbst sind die Meinungen geteilt. Tania Krämer hat sich dort umgehört.

Jerusalem Davidszitadelle  Stadtansicht
Blick über die Mauer der Davidzitadelle in JerusalemBild: picture-alliance/dpa/O. Balilty

Grau, stürmisch und regenverhangen präsentiert sich Jerusalem an diesem so entscheidenden Tag. Seit letzter Woche bereits wurde darüber spekuliert, jetzt ist klar: Der amerikanische Präsident Donald Trump will sein Wahlversprechen umsetzen und die amerikanische Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegen. Er hat Jerusalem als israelische Hauptstadt anerkannt und damit die langjährige Praxis der US-Außenpolitik gebrochen. Die USA isolieren sich auch international: Bisher herrscht Konsens darüber, dass über den Status Jerusalems erst bei Friedensverhandlungen entschieden werden soll.

"Ich bin wirklich total froh, ja, es macht mich glücklich, dass es endlich ein bedeutender Politiker dieser Welt nun auch durchsetzt", sagt Tzana Riznik, die auf der Jaffa-Straße im Westteil unterwegs ist. "Jerusalem ist die Hauptstadt eines jüdischen Staates und des Staates Israel. So sollte es sein, es hätte schon viel früher passieren sollen." Die USA, Israels engster Verbündeter, kommen damit einem lange gehegten Wunsch der israelischen Regierung nach. Dort sah man es als lange als "historisches Unrecht" an, dass der engste Verbündete jahrelang die Anerkennung in der Hauptstadtfrage verweigert hatte.

Die Jerusalemer AltstadtBild: Reuters/A. Awad

"Ewige, unteilbare" Stadt Jerusalem

In Israel spricht man auf offizieller Seite von der "ewigen, unteilbaren" Hauptstadt Jerusalem. Israel beansprucht das gesamte Jerusalem, auch das arabische Ost-Jerusalem, das israelische Truppen im Sechstagekrieg 1967 erobert, annektiert und zur Hauptstadt Israels erklärt hatten. Ein Schritt, der nie von der internationalen Gemeinschaft anerkannt worden ist. Deshalb sind die Botschaften in Tel Aviv und nicht in Jerusalem angesiedelt. Der Status von Jerusalem, so die bisherige internationale Haltung, soll bei Friedensverhandlungen geklärt werden. Die Palästinenser wiederum beanspruchen Ost-Jerusalem als Hauptstadt ihres künftigen unabhängigen Staates.

"Es ist die richtige Entscheidung. Ich lebe hier seit 45 Jahren, seit meiner Geburt, und als Jerusalemerin muss ich sagen, es ist an der Zeit, dass die Welt anerkennt, das Jerusalem unsere Hauptstadt ist", sagt Sarah Partouche. Andere sind skeptisch, wenn es um die möglichen Folgen einer solchen Entscheidung geht. "Nein, für das Zusammenleben geht das gar nicht, es wird alles noch schwieriger machen", sagt eine andere Passantin. Ob das Verlegen der Botschaft nicht nur zu neuen Problemen führen könnte, fragen sich auch andere. "Für mich ist Jerusalem unsere Hauptstadt, egal, was andere sagen", findet Ravit BenNaim. "Aber ich bin geteilter Meinung darüber, ob man wirklich die Botschaft hierher verlegen muss. Das führt doch nur zu noch mehr Chaos."

Betroffenheit in Ost-Jerusalem

Im besetzten Ost-Jerusalem wird der neue US-Vorstoß eher als eine weitere bittere Enttäuschung gesehen. "Nichts wird sich ändern, de facto hat die Welt Jerusalem doch schon lange als Hauptstadt anerkannt", sagt Abu Mohammed, der am frühen Morgen in einem Café am Damaskus-Tor die Zeitung liest. "Seit 1967 sind wir besetzt, und daran wird sich auch nichts ändern, ob die US-Botschaft nun umzieht oder nicht."

Shinaz SalemBild: DW/T. Krämer

Andere finden es unverständlich, das die Amerikaner damit "bestehende Realitäten" anerkennen wollen, wie aus Kreisen des Weißen Hauses zu hören war. "Herr Trump hat keine Ahnung, wie die Leute hier leben", sagt Shihnaz Salem, eine US-Palästinenserin, die im israelisch besetzten Ost-Jerusalem zu Besuch ist. "Das ist unser Zuhause, das kann man nicht einfach einer Seite zusprechen." Andere werden deutlicher: "Nein, Jerusalem kann nicht die Hauptstadt Israels alleine sein", sagt Hanan Abu Geith. Die junge Palästinenserin ist schon früh unterwegs. "Jerusalem ist die Hauptstadt Palästinas. Es gehört uns."

Viele hier befürchten, dass die Ankündigung Trumps neue Gewalt auslösen könnte. Palästinensische Parteien haben zu dreitägigen Protesten aufgerufen, in Jerusalem, den palästinensischen Gebieten, aber auch vor den US-Botschaften im Ausland. "Trump ist der Präsident der USA, mir ist es egal, was er macht. Aber man kann davon ausgehen, dass es zu neuer Eskalation führt, in welcher Form auch immer, darüber sind sich die Leute hier einig", sagt Sahar Hammoudeh.

Bild: Reuters/A. Awad

Symbolischer Akt mit weitreichenden Folgen

Kritik an der US-Entscheidung kommt aus vielen Ländern, auch von den engsten Verbündeten der USA. Nach einem Telefonat mit Trump ließ Palästinenserpräsident Abbas am Dienstag abend mitteilen, dass man nicht den Anspruch auf Ost-Jerusalem als zukünftige Hauptstadt eines palästinensischen Staates aufgeben werde. Jordaniens König Abdullah, dem als Hüter der religiösen Stätten im besetzten Ost-Jerusalem eine besondere Rolle zukommt, warnte vor einer destabilisierenden Wirkung im gesamten Nahen Osten. Saudi-Arabiens König Salman sagte in einem Telefonat mit Trump, das Muslime weltweit damit provoziert werden könnten.

Und auch die EU, Deutschland, Frankreich haben den USA nahegelegt, die Entscheidung nicht umzusetzen. Rein praktisch gesehen, wird sich zunächst wenig ändern - der Umzug der Botschaft nach Jerusalem könnte einige Jahre dauern. Die Ankündigung sei deshalb nur der Beginn eines langen Prozess, heißt es aus dem Weißen Hauses. Doch es ist die Symbolik, die zählt, und diese wiegt schwer an einem Ort wie Jerusalem. "Die einen bekommen ihre Hauptstadt", fasst eine palästinensische Passantin die Situaton zusammen. "Und wir? Keine Ahnung. Es ist völlig ungewiss, was jetzt kommt."

 

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