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Politik

Was die Klitschkos über Selenskyj denken

Zhanna Nemzowa mo
24. April 2019

Nach der ukrainischen Präsidentschaftswahl hat die DW mit Vitali und Wladimir Klitschko gesprochen. Sie mahnen in der Sendung "Nemtsova.Interview": Die Ukraine darf nicht vom Weg der europäischen Integration abkommen.

DW Nemtsova - Interview mit Wladimir und Vitali Klitschko
Wladimir und Vitali (r.) KlitschkoBild: DW

Zhanna Nemzowa: Wladimir, für welchen Präsidentschaftskandidaten haben Sie in der Stichwahl gestimmt? Für Wolodymyr Selenskyj oder Petro Poroschenko?

Wladimir Klitschko: Was ich in der Wahlkabine gemacht habe - das ist meine persönliche Meinung, die ich für mich behalten möchte.

Einverstanden. Das dürfen Sie, weil Sie eine Privatperson sind. Aber Vitali, sie dürfen das nicht. Für wen haben Sie gestimmt?

Vitali Klitschko: Unabhängig davon, wer Präsident der Ukraine ist, Hauptsache ist für mich, für Wladimir und für Millionen von Ukrainern, welchen Entwicklungsweg die Ukraine nimmt. Kommt sie vom Kurs der europäischen Integration, des demokratischen Wandels und der Reformen ab, für den sie sich entschieden hat? Für jeden Ukrainer ist es viel wichtiger, auf keinen Fall vom dem Weg abzukommen, der 2013 gewählt wurde. Man darf nicht vergessen, dass viele Ukrainer diese Entscheidung über die Zukunft der Ukraine während der Proteste auf dem Maidan und bei der Verteidigung des Landes im Osten der Ukraine mit dem Wertvollsten überhaupt bezahlt haben: mit ihrem Leben.

Aber für wen haben Sie gestimmt?

Vitali Klitschko: Ich mache keinen Hehl daraus, dass ich für Poroschenko gestimmt habe. Ihn kann ich besser begreifen. Ich weiß, was ich von ihm zu erwarten habe. Poroschenko ist ein sehr effektiver Präsident, auch was die internationale Politik angeht. Außerdem ist ihm gelungen, eine internationale Koalition zur Unterstützung der Ukraine zusammenzubringen. Dank dieser Tatsache hat die Ukraine im Großen und Ganzen ihre Unabhängigkeit bewahrt. Selenskyj hat nicht einmal sein Programm vorgestellt. Wir wählen doch nicht eine Personalie, sondern eine Politik für die Zukunft. Jeder Ukrainer will doch in erster Linie wissen, was er von der Zukunft zu erwarten hat. Alle wollen europäische Lebensstandards.

Macht es Ihnen Angst, dass ein Mann ohne politische Erfahrung Präsident wird?

Wladimir Klitschko: Man kann viele Parallelen ziehen. In der Geschichte der Vereinigten Staaten gab es beispielsweise den ehemaligen Schauspieler Ronald Reagan.

Vitali Klitschko: Ich möchte dazu anmerken, dass er zweimal Senator war, bevor er US-Präsident wurde.

Wladimir Klitschko: Richtig. Arnold Schwarzenegger kommt auch ursprünglich aus dem Sport, wie du: Ein ehemaliger Boxer, der Bürgermeister (von Kiew, Anm. d. Red.) wurde. Also, was haben wir jetzt mit Selenskyj? Wir haben jetzt als Präsidenten einen ehemaligen Showman. Ich denke, bald werden wir sehen, in welcher Situation wir uns befinden. Und in fünf Jahren wird man insgesamt sehen, wie viel versprochen wurde und ob diese Versprechen erfüllt wurden.

Es gibt eine wichtige Frage, die im Wahlkampf immer wieder aufkam. Selenskyjs Gegner werfen ihm vor, keine selbständige Figur zu sein und von dem bekannten ukrainischen Oligarchen Ihor Kolomojskyj finanziert zu werden, der seinen Wohnsitz vor kurzem nach Israel verlegt hat. Stimmt das?

Vitali Klitschko: Ich kann das weder dementieren noch bestätigen. Alle reden darüber, es gibt dafür indirekte Anzeichen: Der TV-Kanal 1+1 (dessen Mehrheitseigner Kolomojskyj ist, d.R.) ist ein langjähriger Medienpartner von Selenskyj. Dies ist für niemanden ein Geheimnis. Alle Serien von Selenskyjs Produktionsfirma Quartal 95 laufen auf dem Kanal. Selenskyj wurde oft in der Gesellschaft von Ihor Kolomojskyj gesehen, er kam zu seinem Geburtstag, das wurde im Fernsehen gezeigt. All dies sind indirekte Beweise. Ich bin in diesem Fall aber nicht der Richtige, der irgendetwas behaupten oder widerlegen kann. All dies sind Fakten, die der Öffentlichkeit gut bekannt sind.

Wladimir, bedeuten Ihre Auftritte im Wahlkampf, dass Sie in die Politik gehen wollen?

Wladimir Klitschko: Eigentlich habe ich von Ihnen mit der Frage gerechnet, ob ich wieder in den Sport zurückkehren will. Das ist ein interessanteres Thema. Ich sage auf diese Frage immer: Sag niemals nie.

Sie sprechen vom Sport, und was ist mit der Politik?       

Wladimir Klitschko: Sag niemals nie.

DW-Moderatorin Zhanna Nemzowa im Interview mit Wladimir (M.) und Vitali (r.) KlitschkoBild: DW

Vitali, werden sie Ihren Bruder unterstützen, sollte er in die ukrainische Politik gehen?

Vitali Klitschko: Ich werde meinen Bruder bei jeder Entscheidung unterstützen, unabhängig davon, welche er trifft.

Vitali, im Herbst finden in der Ukraine Parlamentswahlen statt. Werden Sie antreten?

Vitali Klitschko: Ich werde auf jeden Fall an den Parlamentswahlen teilnehmen. Da die Ukraine eine parlamentarisch-präsidentielle Republik ist, hängt vieles vom Parlament ab. Derzeit hat unsere Partei UDAR 30 Vertreter im Parlament. Ohne sie wäre es äußerst schwierig für mich, viele Gesetzesvorlagen durchs Parlament zu bringen, die die lokale Selbstverwaltung und die Entwicklung der Stadt Kiew betreffen. Ich rede mit vielen Bürgermeistern und weiß, dass sie gesetzgeberische Unterstützung benötigen. Wir brauchen eine Fraktion im Parlament, um die Interessen der Menschen zu verteidigen.

Soll das eine Fraktion Ihrer Partei UDAR werden?

Vitali Klitschko: Entweder wird es eine UDAR-Fraktion sein, oder es wird ein Rebranding geben. Jedenfalls ist das Parlament eines der wichtigsten Bestandteile der Politik.

Wladimir, unterstützen Sie ihren Bruder dabei, fürs Parlament zu kandidieren?

Wladimir Klitschko: Ich unterstütze meinen Bruder immer. Das habe ich in den letzten 43 Jahren immer getan.

Vitali, warum wünschen Sie sich gleichzeitig zur Parlamentswahl eine vorgezogene Bürgermeisterwahl in Kiew? Dafür müsste erst das Gesetz geändert werden.

Vitali Klitschko: Wahlen sind mit viel Populismus verbunden. Fragen Sie die Leute auf der Straße. Sie sagen: "Wir haben diese Wahlen satt." Viele Entwicklungen werden im Zusammenhang mit Wahlen gebremst. Daher wäre es besser, wenn sich das Land nicht ständig in einem Wahlmodus befinden würde. Es wäre gut, einen Neustart in allen Zweigen der Staatsmacht durchzuführen, vom Parlament bis hin zu den lokalen Räten, um in den nächsten fünf Jahren so effizient wie möglich arbeiten zu können und nicht von einer Wahl zur anderen zu gehen.

 

Die Brüder Vitali und Wladimir Klitschko sind ehemalige Profi-Boxer, beide waren mehrfache Weltmeister im Schwergewicht. 2004 engagierten sich die beiden Ukrainer für die Orange Revolution in ihrem Heimatland. Nach seiner Sportlerkarriere hat sich Vitali Klitschko der Politik gewidmet. Er ist Gründer der Partei UDAR. Seit Mai 2014 ist er Bürgermeister der ukrainischen Hauptstadt Kiew. 

Das Gespräch führte Zhanna Nemzowa.

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