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Was hält Kameruns Langzeitherrscher Paul Biya an der Macht?

Martina Schwikowski
24. Juli 2025

Paul Biya ist mit 92 Jahren bereits das älteste Staatsoberhaupt der Welt. Im Oktober will er sich im Amt bestätigen lassen. Sein Machtapparat wird durch Härte, und Angst vor Verlust von Privilegien stabil gehalten.

Portrait Paul Biya, Präsident von Kamerun
"Das Beste kommt erst noch": Auch mit 92 will Paul Biya noch keinen Generationenwechsel in Kamerun einleitenBild: Jacovides Dominique/Pool/ABACA/picture alliance

"Das Beste kommt erst noch." So lautet das Versprechen, mit dem Paul Biya sich um eine achte Amtszeit an der Staatsspitze Kameruns bewirbt. Der 92-Jährige hatte schon viele Gelegenheiten, die Geschicke seines Landes zu prägen: Seit 1982 ist er an der Macht; wenn er am 12. Oktober wiedergewählt wird, könnte der schon heute älteste Staatschef der Welt bis kurz vor seinem 100. Geburtstag im Amt bleiben.

Viele Einwohner des zentralafrikanischen Landes glauben nicht mehr an ein besseres Kamerun unter Biya. Insbesondere vielen jungen Menschen - das Durchschnittsalter von mehr als 36 Prozent der Bevölkerung ist 18 Jahre - fehlt es an Perspektiven: Arbeitslosigkeit, Bildung und Gesundheitsversorgung zählen zu ihren Sorgen.

Das "System Biya"

Sie wachsen auf in einem Land, in dem ein Viertel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt. Trotz seines Reichtums an Öl, Erdgas, Aluminium, Gold, Edelhölzern, Kaffee, Kakao und Baumwolle ist Kamerun stark von der Wirtschaft Chinas, aber auch von Entwicklungshilfen abhängig. Korruption und Menschenrechtsverletzungen gehören zum Alltag.

Ein Jugendtreff in Douala: Ein Großteil der Kameruner sind junge Menschen - viele meinen, dass ihre Stimmen kein politisches Gehör finden Bild: Henri Fotso/DW

Biyas erneuter Kandidatur begegnen viele Kameruner mit Schulterzucken. "Das ist keine Überraschung", sagt der Student Olivier Njoya zur DW. "Es ist einfach eine Schande, dass es Menschen gibt, die nicht an das Gemeinwohl denken, sondern nur an ihre eigenen Interessen."  

Wie schafft es ein Politiker, über 43 Jahre lang das gespannte Netz seiner Macht bis zu seinem Lebensabend nicht reißen zu lassen? Zumal sich Biya häufig außer Landes in Kliniken und zur Erholung in Paris und in der Schweiz aufhält.

Christian Klatt, Büroleiter der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Kamerun findet es "auffällig, wie gut er darin ist, sich an der Macht zu halten". Aus dem eigenen Lager sowie aus der Opposition seien immer wieder Stimmen zu hören, dass er ein sehr taktierender, machtpolitischer Mensch sei, der wisse, wie man Konkurrenten gegeneinander ausspielt.

"In den vergangenen Jahren konnte niemand Biya gefährlich werden", sagt Klatt. Es sei nie einer Person wirklich gelungen, sich als Nachfolger Biyas zu installieren, weder aus den eigenen Reihen, noch in den größten Oppositionsparteien. "Biya ist sehr gut darin, Personen wegzuloben, auf andere Posten zu versetzen."

Keine Gefahr eines Putschs in Kamerun

Insbesondere in Westafrika putschten sich in der Vergangenheit Generäle an die Macht. Ein solches Szenario hält Klatt in Kamerun für ausgeschlossen: "Das Militär, das in vielen anderen Staaten immer ein Risikofaktor ist, hat eine große Gewaltenteilung innerhalb der eigenen Strukturen. Keine einzelne Gruppierung wäre somit stark genug, einen Putsch zu starten", sagt er zur DW.

Sitz der Regierungspartei in Yaounde: Präsident Paul Biya regiert seit 43 Jahren und duldet keine Öffnung des politischen SystemsBild: Henri Fotso/DW

Biyas Partei, die Demokratische Vereinigung des Kamerunischen Volkes (Rassemblement Démocratique du Peuple Camerounais, RDPC), regiert seit der Unabhängigkeit Kameruns 1960 und wird von Präsident Biya seit 1982 geführt.

Es sei nicht unwahrscheinlich, dass Biya die Wahl im Herbst wieder gewinnt, so Klatt. "Seine Regierungspartei hat viele Anhänger und ist am besten im ganzen Land vertreten." In einem kurzen Wahlprozess könne die RDPC andere Oppositionsparteien ausstechen. Im kamerunischen Wahlsystem brauche ein Kandidat nur die einfache Mehrheit zum Wahlsieg, das komme Biya sehr zugute.

Einzelkämpfer statt geschlossener Opposition

Einer, der sich als Biyas Nachfolger bewirbt, ist der 37-jährige Hiram Samuel Iyodi. Er ist einer der jüngsten Kandidaten und wurde von der 2018 gegründeten Partei Mouvement Patriotique pour la Prospérité du Peuple (MP3) aufgestellt.

"Insbesondere junge Menschen haben den Eindruck, dass der kamerunische Wahlapparat auf die Regierungspartei zugeschnitten ist", sagt Iyodi zur DW. Sie seien nicht der Ansicht, dass ihre Stimme bei der Beteiligung in der Politik gehört werde. "Was wir den jungen Kamerunern also sagen, ist: Wenn wir alle zusammenhalten, können wir einen Schlussstrich unter dieses Regime ziehen, (...) das nicht mehr in der Lage ist, die aktuellen Sorgen der Bevölkerung zu beantworten."

Kameruns Bevölkerung hofft seit Jahrzehnten auf einen politischen Wechsel, der das Land reformiertBild: Blaise Eyong

Die Bemühungen der Oppositionsparteien, über die Jahre ein Gegengewicht zur Kandidatur Biyas zu schaffen, scheiterten an unterschiedlichen Ideologien und ihrer Zerstrittenheit: Eine politische Koalition, die Douala-Gruppe - zerbrach kurz vor Ende der Nominierungsfrist für die Präsidentschaftskandidatur am 22. Juli.

Strippenzieher im Schatten des Präsidenten

Manche Experten sehen Biya aber nicht als starken Mann, sondern als Marionette eines perfiden politischen Systems. Denn laut Philippe Nanga, Politikanalyst und Menschenrechtsaktivist, liegt die tatsächliche Macht nicht mehr in den Händen des Präsidenten, sondern in denen eines kleinen Kreises von Akteuren, allen voran des Generalsekretärs des Präsidenten, Ferdinand Ngoh Ngoh. 

"Der Generalsekretär unterzeichnet mittlerweile fast alle Dokumente, die vom Präsidenten kommen sollen. Er ist vor Ort allgegenwärtig, leitet politische Missionen und löst interne Konflikte innerhalb der Partei. Dies sind Aufgaben, die normalerweise in die Verantwortung des Staatsoberhauptes fallen", sagt Nanga zur DW. 

Angst vor Aufgabe der Privilegien

Sogar die First Lady, Chantal Biya, spiele dabei eine Rolle, wenn auch im Hintergrund: "Sie profitiert so von einer strategischen Position, ohne die politische und rechtliche Belastung einer offiziellen Rolle übernehmen zu müssen."

Laut Nanga bleibt Paul Biya trotz seines gebrechlichen Gesundheitszustands der Einzige, der die Einheit der Partei bewahren könne. "Sobald ein anderer offiziell an die Macht kommt, wird die Partei zerbrechen. Es gibt bereits tiefe interne Gräben", so Nanga. Einige Funktionäre seien gegen die Wiederwahl des Präsidenten, trauten sich aber aus Angst vor Repressalien nicht, dies offen zu äußern.

Die Nichtregierungsorganisation Freedom House spricht in ihrem jüngsten Jahresbericht von Angriffen auf "unabhängige Medien, Oppositionsparteien und zivilgesellschaftliche Organisationen, die mit Verboten und Schikanen konfrontiert waren". Viele einzelne Journalisten, Politiker und Aktivisten seien willkürlich festgenommen und tätlich angegriffen worden.

Der greise Präsident Biya bei einer Militärparade im Mai 2025 zum NationalfeiertagBild: Kepseu/Xinhua/picture alliance

Der Angstfaktor halte die Fassade einer Stabilität des Systems Biya aufrecht, meint auch der Politologe Ernesto Yene: "Und jeder, der es wagt, die Tür zuzuschlagen, wird schnell an den Rand gedrängt", sagt Yene zur DW. "In Wirklichkeit verstecken sich alle hinter Paul Biyas Kandidatur, weil sie jedem die Wahrung seiner Privilegien innerhalb des Machtapparats garantiert. Sollte ein anderer Kandidat auftauchen, würde die Partei Gefahr laufen, zu implodieren."

Mitarbeit: Kossivi Tiassou, Etienne Gatanzi, Elisabeth Asen

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