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"Was haben Sie nur aus Bayer gemacht?"

26. April 2019

Die Aktie ist im Keller, in den USA drohen Milliardenkosten durch Gerichtsurteile. Bayer-Chef Baumann musste sich bei der Hauptversammlung harte Kritik anhören - und wurde am Ende nicht einmal entlastet.

Deutschland l Bayer Hauptversammlung in Bonn - Chef Werner Baumann
Werner Baumann bei seiner Rede auf der Hauptversammlung im Bonner KongresszentrumBild: DW/A. Becker

Fast auf den Tag genau drei Jahre ist Werner Baumann jetzt Bayer-Chef. Am 1. Mai 2016 trat er das Amt des Vorstandsvorsitzenden an. Seitdem ist die Übernahme des US-Agrarchemie-Spezialisten Monsanto das mit Abstand wichtigste Thema bei Bayer.

Baumanns Vorgänger Marijn Dekkers soll nicht grundsätzlich gegen den Kauf von Monsanto gewesen sein, wollte ihn aber nicht verantworten. Anders Baumann: Kaum im Amt, gab er am 23. Mai 2016 das erste Angebot ab. Inzwischen ist der Kauf abgeschlossen - und Baumann steht vor einem Scherbenhaufen.

So sehen es zumindest die aufgebrachten Aktionäre, die ihrem Ärger auf der Hauptversammlung im Bonner Kongresszentrum Luft machten. "Herr Baumann, was haben Sie nur mit unserem Unternehmen angestellt?", fragte Joachim Kregel von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. Unter Baumanns Vorgänger war Bayer zum wertvollsten Unternehmen Deutschlands geworden, seitdem hat sich der Aktienkurs halbiert.

"Der einstige Pharmagigant ist zu einem Zwerg mutiert", schimpfte Ingo Speich von Deka-Investment, dem Wertpapierhaus der Sparkassen. Und Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), dem führenden Anlegerverband, sprach gar von einem Albtraum: "Nie zuvor hat ein Dax-Konzern so schnell so viel an Wert und Reputation eingebüßt."

Chef lässt Kritik abprallen

Zuvor hatte Werner Baumann fast eine Stunde lang darzulegen versucht, warum es eine gute Idee war, 63 Milliarden Dollar für Monsanto auszugeben. "Als Folge der Monsanto-Übernahme ist Bayer heute das führende Unternehmen im Agrarbereich", sagte Baumann.

Ob bei Saatgut, Pflanzenschutz, Biotech, Gentechnik oder digitaler Landwirtschaft, Bayer und Monsanto würden sich einfach perfekt ergänzen. Und das werde sich bald auch finanziell lohnen, sagte Baumann und verwies auf erwartete Synergie-Effekte von jährlich einer Milliarde Euro ab 2022.

Vor dem Kongresszentrum demonstrierten Umweltschützer, innen schimpften die AktionäreBild: Reuters/T. Schmuelgen

Wenn da nicht das Problem mit dem Glyphosat wäre. Monsanto hatte den Wirkstoff in den 1970er Jahren als Unkrautvernichter Roundup auf den Markt gebracht und damit viel Geld verdient. Seit dem Ablauf des Patentschutzes ist Monsanto zwar nicht mehr der einzige Hersteller, aber der traditionsreichste und berühmteste.

Nachdem die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC), die zur Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen gehört, Glyphosat im Jahr 2015 - also vor dem Monsanto-Kauf - als "wahrscheinlich krebserregend" einstufte, begannen an Krebs erkrankte Nutzer vor Gericht zu ziehen - vor allem in den USA, und vor allem gegen Monsanto. Inzwischen ist die Zahl der Kläger auf 13.400 angewachsen.

Wie teuer werden die Prozesse?

Rechtsgültige Urteile gibt es noch nicht, aber zwei erste Jury-Entscheidungen. Dem US-Amerikaner Dewayne Johnson, der an Krebs im Endstadium leidet, wurden im Herbst in erster Instanz 80 Millionen Dollar Schadenersatz zugesprochen. Dieselbe Summe soll auch Edwin Hardeman erhalten, befand eine US-Jury im März.

Zwei Kläger von 13.400 - und bereits 160 Millionen Kosten für Bayer? Der Konzern-Chef betonte vor seinen Aktionären, dass er das nicht hinnehmen wird. "Wir haben großes Mitgefühl für Herrn Johnson, Herrn Hardemann und ihre Familien", sagte Baumann, "aber Glyphosat-basierte Produkte sind nicht der Grund für ihre schweren Erkrankungen."

In beiden Fällen gehe Bayer in die nächste Instanz und sei optimistisch, dass dort "andere Entscheidungen" getroffen werden. Das Unternehmen stützt sich dabei auf zahlreiche Studien und die Tatsache, dass Behörden auf der ganzen Welt den Unkrautvernichter zugelassen haben.

Macht der Emotionen

"Kalt. Kälter. Bayer", sagte ein Aktionär. Und in der Tat geht es hier auch um Symbolik und die Macht der Bilder. Hier der weinende Dewayne Johnson, der seine durch den Krebs zerstörte Haut zeigt. Dort das laut Eigenwerbung "führende Unternehmen für Gesundheit und Ernährung", das zwar auch Krebsmedikamente herstellt, jetzt aber vor allem den Schaden durch Monsanto kleinhalten will.

Sichtlich bewegt: Der an Krebs erkrankte Dewayne Johnson nach dem Jury-Urteil im August 2018Bild: Getty Images/AFP/J. Edelson

"Das Management hat den kerngesunden Bayer-Konzern mit dem Monsanto-Virus infiziert", sagte Ingo Speich von Deka-Investment. Zumal Monsanto ja nicht nur wegen Glyphosat berüchtigt ist. Dem Konzern wird außerdem vorgeworfen, Bauern durch die Kombination von Unkrautvernichtern und gentechnisch veränderten Pflanzen abhängig gemacht zu haben. In Indien sollen sich zahlreiche Bauern umgebracht haben, weil sie die steigenden Kosten für patentiertes Saatgut und Pflanzenschutzmittel nicht mehr tragen konnten.

Bayer-Chef Baumann blieb unbeeindruckt. "Uns wird vorgehalten, dass wir uns im Zusammenhang mit Monsanto und Glyphosat zu sehr auf die Fakten konzentrieren, aber die Emotionen nicht ausreichend berücksichtigt haben." Glyphosat aber sei von den Regulierungsbehörden geprüft und für unschädlich befunden worden - und die "entscheiden auf der Basis von wissenschaftlichen Analysen - und nicht auf der Basis von Emotionen", so Baumann.

Aufsichtsrat stützt Vorstand

Werner Wenning, früher selbst Bayer-Chef und jetzt Vorsitzender des Aufsichtsrats, stärkte Baumann demonstrativ den Rücken. Die Unternehmensleitung habe bei der Bewertungen der Risiken der Monsanto-Übernahme nichts falsch gemacht, sagte Wenning, das hätten auch zwei unabhängige Gutachten bestätigt. Der Kauf sei gut für Bayer, das werde die Zukunft zeigen.

Demonstrative Unterstützung: Werner Wenning, Bayers oberster Aufseher und Vorstandschef Werner Baumann (r.)Bild: Reuters/W. Rattay

Wie viele Milliarden eine Beilegung der Klagen in den USA kosten wird, ist noch offen. Bisher hat der Konzern für die Prozesse erst 600 Millionen Euro zurückgestellt, einige Aktionäre erwarten Gesamtkosten von 15 Milliarden Euro.

Keine Entlastung für den Vorstand

Am Ende gab es für den Vorstand des Konzerns einen deutlichen Denkzettel von den Aktionären: Anders als sonst üblich wurde der Vorstand nicht entlastet. Werner Baumann ist damit der erste amtierende Vorstandschef eines Dax-Konzerns, dem die Anteilseigner das Vertrauen entzogen haben. Dem Aufsichtsrat sprachen die Aktionäre dagegen das Vertrauen aus.

"Das Abstimmungsergebnis ist eine Blamage", so das Urteil von Ingo Speich. Innerhalb so kurzer Zeit das Vertrauen sehr vieler Investoren zu verspielen, habe eine historische Dimension. "Hoffentlich werden Vorstand und Aufsichtsrat künftig endlich wieder auf die Aktionäre hören", so Speich. Wichtige Anteilseigner wie die Deka und die Fondsgesellschaft Union Investment hatten zuvor bereits angekündigt, eine Entlastung zu verweigern.

Andreas Becker Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Geldpolitik, Globalisierung und Verteilungsfragen.