Viele Menschen haben etwas Neandertaler in sich, einige sogar eine Genvariante, die zu einem schweren COVID-19-Verlauf führen kann, so eine Studie. Haben die Erkenntnisse Einfluss auf die Therapie?
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Nicht nur in der Fachwelt hat die Studie für großes Interesse gesorgt: Zwei schwedische Forscher (Svante Pääbo und Hugo Zeberg) haben im Neandertaler ein Gen gefunden, das bei den Trägern ein bis zu dreimal höheres Risiko verursacht, schwer an COVID-19 zu erkranken.
"Es geht hier um eine Mutation in einem einzigen Gen, das die Wahrscheinlichkeit eines schweren Verlaufs bei COVID-19 beeinflusst, sodass das Risiko dafür knapp zweimal so hoch ist, bei einer Erkrankung ins Krankenhaus zu müssen", sagt Schiffels. Dazu gehören im schlimmsten Fall dann auch Konsequenzen wie künstliche Beatmung. Warum die genetische Variante ein höheres Risiko für COVID-19-Infektionen bedeutet, ist bisher nicht bekannt.
Medizinischer Nutzen
Wer sich wichtige Erkenntnisse für die Therapie von COVID-19 aus dieser Studie erhofft, wird allerdings enttäuscht. Hier geht es um Grundlagenforschung. Schiffels sieht die Zielsetzung der Studie vor allem in der weiteren Erforschung des menschlichen Genoms.
"Die Studie versucht herauszufinden, wie sich das Neandertaler-Genom vom heutigen Menschen unterscheidet und an welchen Stellen wir das gleiche Genom geerbt haben. Ich sehe es als ein weiteres Puzzleteil in unserer Herkunft und in Fragen wie: Wo kommen wir her? Wie funktioniert menschliche Herkunft? Es ist eine abstrakte Erkenntnis, die zunächst einmal keinen direkten Nutzen hat, die aber über COVID-19 erstaunlich aktuellen Bezug bekommt."
Experten für die Neandertaler-Forschung
Verfasser der Studie sind Hugo Zeberg und Svante Pääbo vom Karolinska Institutet in Stockholm und vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig. Der Neurobiologe Hugo Zeberg hat bereits etliche Arbeiten zur Neandertaler-Forschung herausgegeben. Svante Pääbo gilt als Begründer der Paläogenetik.
2010 war es ihm und seinem Team gelungen, eine erste Version des Neandertaler-Genoms zu rekonstruieren. Grundlage waren Knochen, die Zehntausende Jahre alt sind. Er verglich Neandertaler Genome mit den Genomen heutiger Menschen. Eine Erkenntnis war, dass sich in uns zirka zwei Prozent Neandertaler-DNA befinden, und das hat die menschliche Evolution beeinflusst.
So stärkte es beispielsweise unser Immunsystem, aber es trägt auch heute noch zur Anfälligkeit für etliche Krankheiten bei – der jüngsten Studie der beiden Schweden zufolge eben auch bei COVID-19. Die beiden Forscher haben herausgefunden, dass die Version des Genclusters, das mit diesem erhöhten Risiko verbunden ist, den entsprechenden DNA-Sequenzen eines etwa 50.000 Jahre alten Neandertalers aus Kroatien sehr ähnlich ist.
"Es ist auffällig, dass das genetische Erbe der Neandertaler während der aktuellen Pandemie so tragische Folgen hat. Warum das so ist, muss jetzt so schnell wie möglich untersucht werden", so Svante Pääbo in einer Pressemitteilung des Stockholmer Karolinska Instituts.
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Große Unterschiede in der Verteilung
In verschiedenen Teilen der Welt kommt die genetische Risikovariante unterschiedlich oft vor. "Die Mutation des Gens, die der Neandertaler hatte und an uns vererbt hat, trägt in Europa etwa jeder zwölfte Mensch in sich. In Afrika hingegen ist sie so gut wie gar nicht vorhanden", erklärt Schiffels.
Ein Hauptziel der Studie sei es vermutlich zu verstehen, dass eine bestimmte Mutation, die heutzutage etwas Schlechtes hervorruft, über einen bestimmten Weg in die Population gekommen ist, wie sich eine bestimmte Risikomutation über den Erdball verbreitet hat und warum.
"Wenn man Zusammenhänge zwischen Merkmalen findet, die beispielsweise die Größe eines Menschen beeinflussen oder eben eine Krankheit, dann findet man dafür oft genetischen Punkte", sagt Schiffels. "Aber das Warum kann man nicht unbedingt erklären."
Ein wichtiges Puzzleteil
Besondere Bedeutung kommt dem Gencluster auf dem Chromosom 3 zu, das die Forscher mit dem SARS-CoV-2-Virus in Verbindung bringen. Chromosome enthalten tausende von Genen. Und so galt es unter anderem herauszufinden, ob Patienten mit schwerem Verlauf tendenziell eine bestimmte Mutation öfter haben als das beim Populationsdurchschnitt zu erwarten gewesen wäre.
Wir alle tragen Millionen von Mutationen in uns. Mutation heißt hier lediglich, dass es sich um ein genetisches Merkmal handelt, das zwischen Menschen unterschiedlich ist. Diese Mutationen werden nicht einzeln vererbt, sondern gewissermaßen immer im Block vererbt. So funktioniert Vererbung. Und der Block, den die Forscher identifiziert haben, zeigt eine sehr große Ähnlichkeit zu Neandertalern auf.
"Und jetzt, mit SARS-CoV-2 merkt man plötzlich: Diese Mutation, die wir schon seit zehntausenden von Jahren in uns tragen, hat bislang nichts Schlimmes ausgelöst. Aber jetzt hat sie in dieser Krankheit COVID-19 diesen tragischen Effekt", gibt Schiffels zu Bedenken.
Die Studie kommt zu vielen interessanten Ergebnissen zu unserer Herkunft, zu unseren Vorfahren. Wir können viel über die menschliche Vergangenheit lernen, direkte klinische Auswirkungen auf COVID-19 aber hat sie nicht.
Archäologische Funde - Zeugen einer bewegten Zeit
Jeder Fund der Ausstellung "Bewegte Zeiten" erzählt eine eigene Geschichte. Sie alle zeigen zugleich eindrucksvoll, dass das Gebiet Deutschlands mitten drin war in den großen Bewegungen auf dem europäischen Kontinent.
Bild: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt/J. Lipták
Der "geschmiedete" Himmel
Die Himmelsscheibe von Nebra ist ein Sensationsfund. Bis 2020 galt sie als die älteste konkrete Himmelsdarstellung überhaupt. 1999 wurde sie von sogenannten Raubgräbern in Sachsen-Anhalt gefunden. Die kreisförmige Bronzeplatte mit Applikationen aus Gold zeigt vermutlich Sterne, Sichel- und Vollmond. Ihr Alter wurde auf 3600 Jahre geschätzt. Nun glauben Forscher, dass sie jünger sein könnte.
Bild: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt/J. Lipták
Ältestes bekanntes Kunstwerk der Menschheit
Die Venus vom Hohlefels wurde 2008 bei Ausgrabungen am Südfuß der Schwäbischen Alb gefunden. Die knapp sechs Zentimeter hohe, aus Elfenbein geschnitzte Figur wurde als Anhänger getragen und ist 35.000 bis 40.000 Jahre alt. Damit ist sie vermutlich die weltweit älteste Darstellung des menschlichen Körpers und das älteste bekannte figürliche Kunstwerk der Menschheit.
Bild: Urgeschichtliches Museum Blaubeuren/J. Wiedmann
Wer den Hut auf hat,...
...hat das Sagen. Solche Goldhüte waren vermutlich religiöse Insignien von Göttern oder Priestern eines Sonnenkultes. Diese Artefakte aus der späten Bronzezeit (1000 v. Chr.) bestehen aus dünnem Goldblech voller Symbolik. Unter der hauchdünnen Schmuckverkleidung befand sich wohl die eigentliche Kopfbedeckung aus organischem Material.
Bild: Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin/C. Plamp
Schatztruhe Kölner Rheinhafen
Tausende Funde - auch diese Öllampen aus dem 1. Jahrhundert - bargen Archäologen im Schlamm des römischen Kölner Hafens. Das frisch gegründete Köln war schon eingebunden in das exzellent funktionierende Netzwerk der Römer. Güter aus Nordafrika, Fischsoße aus Pompeji oder Wein aus Aquitanien - kein Problem. Die Römer verbanden die Welt mit Schiffen. Amphoren waren die Transportbehälter jener Zeit.
Bild: Römisch-Germanisches Museum der Stadt Köln; Foto: Axel Thünker, DGPh
(Fund)Grube der Keltenfürstin
Ende 2010 wurde in der Donauebene bei Herbertingen das komplette frühkeltische Kammergrab einer Fürstin geborgen, samt Erdreich 80 Tonnen schwer. Armreife aus Holz, Bleche aus Bronze oder Ringe aus Gold, die bei der Toten gefunden wurden, kommen zum Teil von weit her. Weitere Indizien dafür, dass im 6. Jahrhundert v. Chr. reger Handel und Kontakt mit anderen Regionen Europas bestand.
Bild: Landesamt für Denkmalpflege Stuttgart/Y. Mühleis
Römischer Luxus bis in den Tod
In Haltern wurde ein besonderes römisches Grab entdeckt. Es enthielt neben dem Leichenbrand eines Mannes hochwertige Knochenschnitzereien. Es handelte sich um Teile einer Kline, eines Schlafmöbels, auf dem man auch Tote zum Verbrennen aufbahrte. Die Kline stammt aus Italien und garantierte römischen Luxus in der Fremde. Das 1900 Jahre alte Totenbett wurde aus tausenden Bruchstücken rekonstruiert.
Bild: LWL-Archäologie für Westfalen/S. Brentführer
"Schweizer Taschenmesser" der Steinzeit
Den Faustkeil, das älteste bekannte Werkzeug der Gattung Homo, gab es bereits vor rund zwei Millionen Jahren in Afrika. In Eurasien sind Faustkeile erst deutlich später, vor etwa 600.000 Jahren nachgewiesen. Das Allround-Werkzeug erfüllte wahrscheinlich zahlreiche Funktionen wie Hacken, Schneiden, Schaben, Schlagen und sogar Werfen. Dieses Exemplar aus Flintstein ist höchstens 35.000 Jahre alt.
Bild: Archäologisches Museum Hamburg
Ritt durch den Feuersturm
Dieser Reiter aus Bronze gehört zum Berliner Skulpturen-Fund und galt als zerstört. 1941 gelangte er in den Depotstandort der Partei-Propagandastelle der NSDAP. Im Spätsommer 2010 wurde er aus dem zerstörten Keller des Hauses geborgen. Der Reiter (1933/34) des Bildhauers Fritz Wrampe - für die Nazis "entartete Kunst" - ist durch die Hitzeentwicklung während der Berliner Bombennächte verformt.
Bild: Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin/A. Kleuker
Ältestes Schlachtfeld Europas
Mitte der 1990er Jahre wurde das bisher älteste bekannte Schlachtfeld in Europa entdeckt. Die Kämpfer gehörten vermutlich zwei unterschiedlichen Gruppen an. Am Fluss Tollense in Mecklenburg-Vorpommern fand man mehr als 10.000 Menschenknochen, Pfeil- und Lanzenspitzen, Speerspitzen und Messer. Die auf dem Bild gezeigten Exponate sind rund 3300 Jahre alt.
Bild: Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern
Weltsensation aus Wittenberg
Ende 2012 wurde am Wittenberger Schaffensort des Dr. Faustus eine ganze Laborausstattung gefunden: Tiegel, Becher, Retorten, Destillierkolben. Allerdings zerbrochen in 10.000 Scherben. Zusammengesetzt ergaben sie ein Alchemistenlabor aus der Zeit von 1520 bis 1540, das bisher älteste bekannte Europas. Jemand hat dort wohl die Formel zur Goldherstellung gesucht oder gar die Weltformel.
Bild: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt/J. Lipták
Ahnen auf Putz
Ein unglaublicher Fund kam in der Nähe des Bodensees bei Bad Schussenried ans Licht. Ein neolithischer bemalter Lehmputz. Er beweist, dass die Menschen bereits 4000 Jahre v. Chr. ihre Häuser stark dekorierten. Der in Berlin ausgestellte, bemalte Wandverputz, bildet eine Ahnenreihe ab, möglicherweise auch himmlische Gestalten, die über dieses Haus wachen sollten. Eine komplexe, frühe Bildidee.
Bild: Landesamt für Denkmalpflege Hemmenhofen/M. Erne
Christus im Grab
Pilgerreisen sind zentrale Ereignisse im Leben von Menschen und Pilgerzeichen der sichtbare Beweis dafür. Manche ließen sich die Zeichen ihrer Pilgerschaft ins Grab legen. Dieses Bremer Pilgerzeichen (13./14. Jh.) wurde in Harburg (heute Stadtteil von Hamburg) gefunden. Es zeigt Christus, auf einem Esel reitend. Pilgerzeichen waren überwiegend Gitter- oder Flachgüsse aus einer Zinn-Blei-Legierung.
Bild: Archäologisches Museum
Hamburg
900 Gramm Gehacktes
Ein Spaziergänger fand 2005 in der Oberlausitz den bedeutenden Silberschatz von Cortnitz. Die meisten der gefundenen Münzen, Schmuckstücke und Silberbarren wurden um 1150 vom Besitzer zerhackt. Die einzelnen Fragmente stammen aus Böhmen und Mähren, aber auch aus Bulgarien, Skandinavien und sogar Bagdad. Brauchte man Kleingeld, so wurden passende Stücke von einem größeren Batzen abgetrennt.
Bild: Landesamt für Archäologie Sachsen/U. Wohmann
Der Mann unter der Kirche
1955 wurde in dem kleinen Dorf Morken, etwa 45 km westlich von Köln, unter der ehemaligen Pfarrkirche die unberaubte Grabkammer des Herrn von Morken gefunden. Der war im späten 6. Jahrhundert n. Chr. dort bestattet worden. In der Kammer lagen Beigaben von höchster handwerklicher Qualität: Speise- und Trankbeigaben, Waffen und auch dieser Helm aus Eisen und Gold mit Kupferlegierung.