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Bienenkiller Pestizide

Kerstin Schweizer
20. April 2018

Über ein vollständiges Verbot von Neonicotinoiden im Freiland will die EU-Kommission die Mitgliedsstaaten am 27. April abstimmen lassen. Würde ein solches Verbot den Bienen langfristig tatsächlich helfen?

Imkerin unter Kirschblüten
Bild: picture-alliance/dpa/P. Seeger

In Europa verschwinden die Insekten. Schuld daran ist die industrielle Landwirtschaft. Besonders der Schutz der Bienen ist ins Zentrum der Öffentlichkeit gerückt. Doch wird ein Verbot einzelner Pestizide etwas ändern?

Immer im Frühling steigen chinesische Obstbauern in der südwestlichen Provinz Sichuan in ihre Bäume. Bewaffnet mit einem pollengetränkten Puschel bestäuben sie Blüte um Blüte. Ein Bild wie aus der Öko-Apokalypse, nach der totalen Ausrottung der natürlichen Bestäuber.

"Ganz so ist es nicht", sagt der deutsche Bienenforscher Jürgen Tautz, der viele Beziehungen mit chinesischen Imkern unterhält. "Pollenerzeugung und -handel sind in China ein Riesengeschäft. Viele Bauern glauben einfach, dass eine kontrollierte Handbestäubung eine bessere Ernte bringt, als die Bestäubung durch Bienen."

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Also alles kein Problem? Die Zahlen für Honigbienen sehen erstmal gut aus. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, FAO, zählte im Jahr 1991, dem ersten Jahr der Erhebung, 49 Millionen kommerzielle Bienenstöcke weltweit. Im Jahr 2016 waren es mit 90 Millionen fast doppelt so viele.

Bienen von kommerzieller Bedeutung

Das liegt vor allem an der Entwicklung in Asien. In China zum Beispiel hat sich die Zahl der Völker verdreifacht. Das allerdings liege weniger an guten Umweltbedingungen, als daran, dass Bienen als Nutztiere Menschen Gewinn bringen und deshalb gepäppelt werden, so Jürgen Tautz. China verdient  als weltweit größter Honigexporteur gutes Geld. Und innerhalb des Landes boomt das Geschäft mit Gelee Royale.

Wer wissen will, wie es um die Natur wirklich bestellt ist, muss alle Insekten in den Blick nehmen. Und da sieht es düster aus. Eine Studie deutscher, britischer und niederländischer Wissenschaftler hatte im Oktober für Aufsehen erregt. Demnach hat sich die Zahl der Falter, Käfer, Wespen, Bienen und aller möglichen anderen fliegenden Insekten in Deutschland in den letzten 27 Jahren dramatisch verringert - um 76 Prozent.

In manch anderen Ländern dürfte es nicht viel besser aussehen. Schuld daran ist die industrielle Landwirtschaft, die Insekten weltweit nicht nur die Lebensräume nimmt, sondern unter dem Titel "Pflanzenschutz" auch gezielt vergiftet. So die einhellige Meinung der Umweltschützer.

Erst ein Blick auf die Gesamtheit der fliegenden Insekten kann das Dilemma verdeutlichenBild: imago/blickwinkel

"Wir brauchen deshalb ein komplettes Verbot der Neonicotinoide", fordert Corinna Hölzel, Pestizid- und Bienenexpertin der renommierten Umweltorganisation BUND.  Neonicotinoide sind nach Glyphosat das zweite Pflanzenschutzmittel, das in Europas Öffentlichkeit breit diskutiert wird. Während Glyphosat Unkraut vernichtet, zielen die Neonicotinoide auf das Nervensystem der Insekten ab.

Zur falschen Zeit am falschen Ort?

Landwirte wollen damit Schädlinge wie Läusen den Garaus machen. "Honig und Wildbienen sind dabei Kollatoralschäden", so Corinna Hölzel.  Am 27. April soll über die Zukunft der Neonicotinoide in der EU abgestimmt werden. Eine Abstimmung, der Bienenexperte Tautz mit gemischten Gefühlen entgegen sieht.

"Das Bild, dass mit Verboten alles gut wird, ist schön, aber falsch. Entweder wird die Ernte dann von Schädlingen gefressen, oder die verbotenen Mittel werden durch andere ersetzt", so seine Einschätzung.

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Die Lösung klingt zunächst einfach -  der ökologische Umbau der Landwirtschaft. "Kleinere Felder, Hecken, Blühwiesen, Fruchtfolgen", fordert auch BUND Expertin Hölzel. Ob das allerdings realistisch ist?

Seit Jahrzehnten schreitet der Trend zu immer größeren landwirtschaftlichen Betrieben unaufhaltsam voran. Vereint mit einer mächtigen Industrie, die die passenden Mittel vom Trecker bis zur Chemie liefert. Getragen auch von weltweit immer mehr Konsumenten, die möglichst günstig und vor allem möglichst viel Fleisch essen wollen.

"Ökologische Landwirtschaft bedeutet geringere Erträge", sieht Jürgen Tautz das nüchtern. Und genau das stimmt ihn skeptisch. "Das Insektenproblem ist nicht die Schuld der Bauern. Es ist wie das Diesel-Abgasproblem die Folge unserer Lebensweise." 

So sei ist es zwar einfach, sich vor vermeintlich apokalyptischen Bildern von bienenlosen Obstplantagen in China zu gruseln, oder in Deutschland für mehr Bienenschutz auf die Straße zu gehen.

Entscheidend allein sei jedoch die Bereitschaft, die ökologische Umstellung nicht nur von der Landwirtschaft zu fordern, sondern auch im eigenen Leben umzusetzen. Mehr Honigbrote, weniger Schnitzel. Nur wenn das auf Dauer gelingt, kommt man auf einen guten Weg.

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