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Gesellschaft

Ungarn und Polen - "eine Katastrophe"

21. Juni 2017

Wer Populismus meint, nennt heutzutage gerne den Brexit und Donald Trump. Dass es innerhalb der EU aber noch ganz andere Baustellen gibt, zeigte ein Panel des Global Media Forums.

Jean Asselborn (Minister, Ministry of foreign Affairs, Luxembourg)
Bild: DW/K. Danetzki

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn nahm kein Blatt vor den Mund: Er sei neulich in Kuba gewesen und habe mit der dortigen Führung auch über Menschenrechte gesprochen. Konkret habe er sich für die Unabhängigkeit mehrerer Nichtregierungs-Organisationen eingesetzt. "Doch wie kann ich das noch glaubwürdig tun, wenn auch innerhalb der Europäischen Union NGOs gegängelt werden", sagte Asselborn mit Blick auf das jüngste Gesetz in Ungarn, das ausländische Zivilorganisationen diskriminiert. Und nicht nur Ungarn laufe derzeit auf der "demokratischen Kriechspur". Auch in Polen habe sich die Lage dramatisch verschlechtert. "Was derzeit in Ungarn und Polen geschieht, ist eine Katastrophe. Diese Länder sind nicht mehr weit von der Türkei entfernt!"

Dass die Pressefreiheit in Polen tatsächlich gefährdet ist, zeigt nicht nur die Statistik von "Reporter ohne Grenzen", wonach das osteuropäische Land in der Rangliste zur Pressefreiheit von Platz 18 auf Platz 47 abgerutscht ist. Der stellvertretende Chefredakteur der polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborcza, Jaroslaw Kurski, sagt, Privatfirmen seien unter Druck gesetzt worden, keine Anzeigen mehr in seinem Blatt zu schalten. An mehreren zentralen Orten dürfe die Gazeta Wyborcza nicht mehr verkauft werden. Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk seien 250 Journalisten entlassen worden. "Alle unabhängigen Medien werden attackiert. Es gab sogar einen Exorzisten, der uns die antipolnische Ideologie austreiben sollte", erzählt Kurski.

Die Flüchtlingskrise sei ein Segen für Jaroslaw Kaczynski,den starken Mann der polnischen Konservativen. "Er sagte, dass die Flüchtlinge alle Arten von Parasiten und Bakterien ins Land bringen würden, die in den Organismen dieser Menschen harmlos, für Europäer aber gefährlich seien." Er sei zutiefst beschämt, was derzeit in Polen geschehe, sagte Kurski.

Jean Asselborn, Cécile Mégie, John Crowley, Jaroslaw Kurski, Jerzy Pomianowski (v. l. n. r.) Bild: DW/K. Danetzki

"Alle verlieren durch den Brexit"

Dass der Populismus auch in westeuropäischen Staaten verbreitet sei, habe der Brexit gezeigt, sagte Asselborn. "Eine wirkliche Debatte über die Konsequenz des Brexit wurde ja nicht geführt." Die Parlamentswahl vor einer Woche habe zumindest gezeigt, dass die Briten keinen harten Ausstieg aus der EU wollten. Dennoch: "Durch die Brexit-Entscheidung ist eine 'lose-lose-Situation' entstanden, die sowohl Großbritannien als auch der EU Schaden zufügen wird."

Doch was könne man gegen den grassierenden Populismus machen, fragte der Moderator, der britische Journalist John Crowley. Cécile Mégie, Direktorin beim französischen Auslandssender Radio France International, hatte dazu einen konkreten Vorschlag. "Journalisten müssen aus dem Newsroom hinaus, in die Klassenzimmer hinein und dort erzählen, was ihr Job ist. Der Wert verlässlicher Informationen muss wieder klar gemacht werden." In Frankreich gebe es sogar entsprechende Vereinbarungen der Medienhäuser mit dem Erziehungsministerium, dass während des Schuljahrs eine Woche lang Medienerziehung auf dem Stundenplan stehe.

Der Executive Director am "European Endowment for Democracy", Jerzy Pomianowski, wurde da grundsätzlicher: "Wir haben kein Patentrezept, wie gute Demokratie funktioniert. Aber wir wissen: Menschen sind bereit, für die Demokratie zu sterben, zu leiden und ins Gefängnis zu gehen." Allen, die gegen Populismus und antidemokratische Tendenzen kämpften, könne er nur sagen: "Ihr seid nicht allein!"