US-Sicherheitsstrategie: Affront gegen die EU
9. Dezember 2025
"Wir können nicht die Drohung akzeptieren, sich in das politische Leben Europas einzumischen", sagte António Costa am Montagmorgen in Brüssel. Der Präsident des Europäischen Rats zeigte sich bei einer Diskussion des Jacques-Delors-Instituts alarmiert und betonte die europäische Souveränität. Hintergrund ist die neue nationale Sicherheitsstrategie der USA, die zum Großteil als Affront gegen Europa gesehen wird.
Die US-Regierung veröffentlicht in regelmäßigen Abständen einen Plan, wie sie künftig Sicherheitspolitik gestalten will. Die neuste Fassung stellt die europäischen Institutionen an den Pranger und kann als richtungsweisend angesehen werden, was künftig von den USA in Europa zu erwarten ist.
USA-Strategie: Die Demokratie in Europa ist bedroht
US-Präsident Donald Trump setzt im Vorwort der nationalen Sicherheitsstrategie den Ton: "Amerika soll die größte und erfolgreichste Nation der Geschichte bleiben." Die Strategie folgt der MAGA-Doktrin und betont "Amerika Zuerst".
Die US-Regierung stellt klar, dass sie primär nationale Interessen verfolgt. Europa bleibt ein strategischer Partner, erhält jedoch vor allem Kritik.
Wirtschaftlicher Abschwung, unterdrückte politische Freiheit und fehlerhafte Migrationspolitik: Europa entwickelt sich aus US-Sicht in die falsche Richtung. Die Vorwürfe sind zahlreich. Europäische Institutionen würden Meinungsfreiheit einschränken und Opposition unterdrücken, nationale Identitäten gingen verloren. "Wenn sich nichts ändert, wird der Kontinent in 20 Jahren oder weniger nicht mehr wiederzuerkennen sein", heißt es in der Strategie. Weltweit müsse die Massenmigration gestoppt werden.
Das Strategiepapier setzt die MAGA-Doktrin fort
Judy Dempsey von "Carnegie Europe" sieht in dem Papier eine Fortsetzung der MAGA-Politik: "Wir wissen jetzt, wo die Trump-Administration steht", sagt sie der DW am Telefon, "das ist gut." Das Strategiepapier zeigt klar, dass die USA eine transaktionale Politik verfolgen. Alles habe einen Preis und müsse amerikanischen Interessen dienen, erklärt Dempsey. Jetzt steht schwarz auf weiß, was sich lange angekündigt hat.
Die US-Regierung will künftig selbst aktiv werden und "helfen", den aktuellen Pfad zu korrigieren. Ein Ziel ist, den "Widerstand gegen den aktuellen Kurs Europas innerhalb der europäischen Nationen fördern." Die US-Regierung blickt dabei positiv auf den Einfluss "patriotischer europäischer Parteien". Damit könnte zum Beispiel die Alternative für Deutschland (AfD) gemeint sein, die sich mit führenden Republikanern vernetzen.
Was das konkret heißen könnte, ist bereits in den Anweisungen von Marco Rubio zu sehen. Der US-amerikanische Außenminister hat US-Diplomaten in Europa angewiesen, auf die nationalen Regierungen einzuwirken, um Einwanderung weitgehend einzuschränken.
US-Sicherheitsstrategie: Lob aus Moskau, Verwirrung in Brüssel
Um die europäische Wirtschaft zu stabilisieren, sei es im US-amerikanischen Interesse, den Krieg in der Ukraine zu lösen. Die Trump-Regierung sieht sich jedoch "im Widerspruch zu europäischen Politikern, die unrealistische Erwartungen an den Krieg haben".
Ian Lesser sieht darin einen fundamentalen Unterschied bestätigt, wie er DW-Journalistin Teri Schultz erklärt. Lesser leitet das Brüsseler Büro des German Marshall Funds, einem transatlantischem Think Tank. Während die US-Regierung den Ukraine-Krieg "lediglich als ein unangenehmes Problem betrachtet, das gelöst und beiseite geschoben werden muss", so Lesser, würde Europa vor der Herausforderung stehen "wie man in Zukunft mit einem aggressiven Russland leben soll".
Kaja Kallas: "Einiges ist auch wahr"
Während viele EU-Beobachter mit Sorge auf die Zeichen aus der USA blicken, halten führende EU-Politiker an der transatlantischen Partnerschaft fest. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas versuchte auf dem Doha Forum am Samstag zu beschwichtigen. "Einigies ist auch wahr", sagte sie auf einem Podium in der katarischen Hauptstadt, "Europa unterschätzt tatsächlich seine eigene Stärke." Sie rief zu mehr Selbstbewusstsein auf und betonte gleichzeitig die Partnerschaft mit den USA. "Wir sollten zusammenhalten."
Anitta Hipper, Sprecherin der EU-Kommission für Sicherheitspolitik, ergänzte die Aussage am Montag in der Pressekonferenz: "Entscheidungen, die die Europäische Union betreffen, werden von der Europäischen Union für die Europäische Union getroffen, einschließlich derjenigen, die unsere regulatorische Autonomie und den Schutz der Meinungsfreiheit betreffen."
EU-Ratspräsident Costa: "Die USA können nicht entscheiden"
Auch der EU-Ratspräsident António Costa betont die transatlantische Partnerschaft. Die USA blieben ein wichtiger Partner, gibt sich jedoch wehrhaft angesichts der Äußerungen zu innereuropäischen Angelegenheiten der Sicherheitsstrategie: "Die Vereinigten Staaten können nicht anstelle der europäischen Bürger entscheiden, welche Parteien richtig und welche falsch sind", sagte er am Montagmorgen auf einer Konferenz in Brüssel.
Auch wenn die USA nach wie vor ein wichtiger Partner bleibt, unterstreicht er die Souveränität Europas. "Um uns nicht nur vor unseren Gegnern zu schützen, sondern auch vor unseren Verbündeten, müssen wir Europa stärken", sagte Costa.
Keine europäische Strategie in Sicht
Judy Dempsey von Carnegie Europe vermisst eine einheitliche Strategie aus Brüssel. Die neue nationale Sicherheitsstrategie der USA "ist ein harter Stoß in den Rücken von den USA", sagt sie, "aber Europa wird darauf nicht reagieren." Europa sei den USA gegenüber im Nachteil, weil es keine gemeinsame Strategie der Mitgliedsstaaten gebe.
Die Präsidentin der Kommission Ursula von der Leyen hat sich nicht zur neuen Strategie geäußert.