1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Was ist Homöopathie?

Veröffentlicht 26. Mai 2016Zuletzt aktualisiert 23. Januar 2024

Homöopathie verkauft sich gerne als Arzneitherapie. Das ist sie aber nicht, denn die Mittelchen entfalten keine spezifische medikamentöse Wirkung. Was ist es dann? Zehn Fragen und Antworten.

Symbolbild Homöopathie
Globuli sind reine Zuckerkügelchen. Der Wirkstoff ist so stark verdünnt, dass er kaum noch nachweisbar ist.Bild: Fotolia/B. Wylezich

Was ist Homöopathie?

Homöopathie ist eine Heilungslehre, die der Arzt Samuel Hahnemann vor 200 Jahren entwickelt hat. Sie basiert darauf, dass Testpersonen Substanzen einnahmen und daraufhin bestimmte Symptome entwickelten. Die Ergebnisse katalogisierte der Arzt als Arzneimittelbild in umfassenden Nachschlagewerken, den sogenannten "Materiae medicae". Darin flossen nicht nur körperliche Symptome ein, sondern auch Beobachtungen zur seelischen, psychischen oder emotionalen Verfassung der Patienten.

Samuel Hahnemann (1755-1843) erfand die Homöopathische Behandlungsmethode.Bild: picture-alliance/ZB/H. Wiedl

Hahnemanns Lehre besagt, dass Ähnliches durch Ähnliches geheilt werden müsse. Also suchen die Homöopathen im Symptomfinder - dem Repertorium - eine Substanz aus, die ein ähnliches Krankheitsbild erzeugt, wie das, unter dem der Patient scheinbar leidet. Diese Substanz verabreicht er dem Patienten. Allerdings wird der Wirkstoff zuvor so stark verdünnt, dass er chemisch praktisch im Mittelchen nicht mehr nachweisbar ist.

Wie stark wird verdünnt?

Bei homöopathischen Mitteln werden die Wirkstoffe in sogenannten Potenzen verdünnt. Die Verdünnungen werden mit den Buchstaben D (für Zehntel) oder C (für Hundertstel) bezeichnet. Dahinter steht jeweils eine Zahl, die anzeigt, um wie viele Potenzen weiterverdünnt wurde.

Zum Beispiel wäre in einer D6 oder C3 Potenz nur noch ein Millionstel des eigentlichen Wirkstoffs enthalten. Eine D24 oder C12 Potenz entspräche einem Pipettentropfen Wirkstoff in der 100.000-fachen Wassermenge eines Erd-Ozeans. Bei einer solchen Potenz ist es durchaus möglich, dass nicht einmal mehr ein einziges Molekül des vermeintlichen Wirkstoffs übrig bleibt.

Umstrittene Kügelchen - wie homöopathische Arzneien hergestellt werden

01:30

This browser does not support the video element.

Warum soll es bei so starker Verdünnung noch wirken?

Obwohl es die Idee der Homöopathie ist, Ähnliches mit Ähnlichem zu heilen, darf man sie nicht mit einer Impfung verwechseln. Bei einer Impfung erzeugen abgetötete oder anderweitig unschädlich gemachte Erreger eine tatsächliche Abwehrreaktion des Immunsystems, die im Blut auch messbar ist. Bei der Homöopathie gibt es keine Immunreaktion.

Hahnemann erklärt die Wirkungsweise seiner homöopathischen Mittel auf esoterische Weise: Seiner Vorstellung nach beinhaltet der Wirkstoff "geistartige Kräfte." Diese sollen durch das rituelle Schütteln oder "Schlagen" der Lösung bei den Verdünnungsvorgängen in die Lösung übergehen. Homöopathen benutzen dafür auch den Begriff der "feinstofflichen Energie" oder "Schwingung", die in der Lösung erhalten bleiben soll. Wissenschaftlich ist das nicht nachvollziehbar.

Was für Wirkstoffe nutzen Homöopathen?

Die Wirkstoffe sind sehr vielfältig: Oft kommen hochgiftige chemische Elemente wie Arsen oder Plutonium zum Einsatz. Auch chemische Verbindungen wie etwa Zyankali oder Quecksilbercyanid gelten als homöopathische Zutaten.

Aber es können auch pflanzliche oder tierische Produkte sein, wie zermahlene Bienen, Kopfläuse oder Bettwanzen, Fliegenpilze, Schlangengift oder der Kot von Hunden. Sogar der Speichel tollwütiger Hunde dient manchen als homöopathischer Wirkstoff neben Eiter oder Krebs- und Leprazellen.

Wissen die Patienten, was sie da nehmen?

Das hängt vor allem vom behandelnden Arzt oder Heilpraktiker ab. Sicher ist vielen Patienten nicht bewusst, was Homöopathen ihnen geben. In der Apotheke werden diese Mittelchen nur durch ihren lateinischen Namen bezeichnet.

Vor einer Vergiftung müssen die Patienten dennoch keine Angst haben: Durch die extreme Verdünnung ist von diesen Giften meist nichts mehr chemisch nachweisbar.

Homöopathie-Kritiker und Verbraucherschützer fordern indes eine eindeutige Bezeichnung der Inhaltsstoffe auf Deutsch, damit die Kunden sehen, was sie zu sich nehmen.

Ist da sonst noch etwas in den Mitteln drin?

Bei den Mittelchen handelt es sich im Kern nur noch um Kristallzucker - sofern sie als tablettenförmige "Globuli" verabreicht werden. In flüssiger Form enthalten homöopathische Mittel oft nur Wasser oder Alkohol. Allerdings können darin noch natürliche Verunreinigungen auftreten. Diese sind zwar ungefährlich, aber oft noch deutlich stärker als der hochverdünnte eigentliche Wirkstoff.

Dass diese Verunreinigungen keine homöopathische Wirkung entfalten sollen, der viel geringer dosierte homöopathische Wirkstoff aber schon, ist eins der von Homöopathie-Kritikern gerne angeführten Argumente, um zu veranschaulichen wie unwissenschaftlich die Homöopathie arbeitet.

Oft wird es fälschlicherweise miteinander vermischt, aber Homöopathie hat mit Heilkräutern nichts zu tun.Bild: Marina Lohrbach - Fotolia.com

Was hat das mit Naturheilkunde zu tun?

Naturheilverfahren oder Pflanzenheilkunde - die Bestandteil der anerkannten Medizin sind - haben nichts mit Homöopathie zu tun. So sind etwa Kräutertees, die durchaus starke Wirkstoffe enthalten, nicht mit hochpotenzierten, wirkstofflosen homöopathischen Mitteln zu vergleichen.

Viele Menschen verwechseln aber die beiden Begriffe miteinander, weil Heilpraktiker oft auch mit Homöopathie arbeiten oder Ärzte die homöopathische Anwendungen anbieten auch mit Naturheilkunde arbeiten. Homöopathie gilt als "sanfte" Behandlungsform, was den Eindruck des "natürlichen" untermauert. Auch vermitteln Apotheker ihren Kunden die Unterschiede zwischen beiden Disziplinen oft nicht richtig.

Was ist die größte Gefahr der homöopathischen Behandlung?

Die größte Gefahr besteht darin, dass Patienten zunächst eine wirkungslose homöopathische Behandlung einleiten und dadurch wertvolle Zeit verlieren, obwohl Gefahr im Verzug ist.

So kann eine frühzeitig eingeleitete Krebstherapie über Leben und Tod entscheiden. Versucht ein Betroffener sich zunächst an der vermeintlich milderen Homöopathie, wenn eigentlich eine Chemotherapie oder Bestrahlungsbehandlung nötig wäre, kann es schnell zu spät sein.

Es kann sogar strafrechtsrelevant sein, wenn etwa Sorgeberechtigte - Eltern oder Pflegebevollmächtigte - ihren Schutzbefohlenen eine adäquate medizinische Behandlung vorenthalten, weil sie selbst Anhänger der Homöopathie oder gar erklärte Gegner der Schulmedizin sind.

Homöopathie – Dr. Roland Baur im Fit & gesund-Studiointerview

07:16

This browser does not support the video element.

Wirkt Homöopathie denn nicht trotzdem?

Vielleicht! Die Verfechter der Homöopathie begründen die Anwendung dieser Heilmethode routinemäßig mit Heilungserfolgen, die sie bei Patienten beobachten.

Medizinisch sind diese Erfolge allerdings nicht mess- oder nachweisbar. In systematischen, vergleichenden und replizierbaren Patientenstudien mit Vergleichsgruppen können regelmäßig keine über den Placebo-Effekt hinausgehenden medikamentösen Wirkungen festgestellt werden.

Der Placebo-Effekt beschreibt eine Verbesserung des Gesundheitszustandes des Patienten in Folge dessen positiver psychologischer Erwartung von der ärztlichen Behandlung. Dabei hat er gar keinen Arzneistoff zu sich genommen. Bei medizinischen Studien erfahren die Patienten nicht, ob sie das Medikament oder das Placebo erhalten haben.

Wovon hängt der Erfolg der Homöopathie ab?

In der Praxis beschäftigen sich Homöopathen sehr lange - oft über viele Stunden - und intensiv mit ihren Patienten. Sie versuchen mit Empathie und Detailverliebtheit die Ursachen ihrer Erkrankung im Gespräch zu ergründen. Sie vermitteln den Patienten das Gefühl, mit ihrem Leiden ernst genommen zu werden, und dass dabei eine ganz individuell zugeschnittene Arzneibehandlung herauskommt.

Damit gleicht eine homöopathische Therapie oft in Wirklichkeit mehr einer Psychotherapie. Sie schafft sehr viel Raum für Selbstheilungskräfte. Das Paradox dabei: Weder der behandelnde Arzt oder Heilpraktiker noch der Patient dürfen sich eingestehen, dass die Globuli unwirksam und nur Teil eines zelebrierten Rituals sind - sonst würden die Therapie und der psychosomatische Heilungserfolg wohl schnell in sich zusammenbrechen. Es geht also im Kern um Glauben - nicht um Wissen.

Fabian Schmidt Wissenschaftsredakteur mit Blick auf Technik und Erfindungen
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen