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KlimaGlobal

Was ist regenerative Landwirtschaft?

Tim Schauenberg
21. Juli 2023

Die Bodenqualität nimmt weltweit ab. Regenerative Landwirtschaft will das ändern und setzt auf ganzheitliche Anbaukonzepte. Was verbirgt sich dahinter?

Eine Hand voller Kartoffeln
Bei regenerativer Landwirtschaft geht es nicht nur um die Ernte, sondern auch um die Verbesserung der BodenqualitätBild: Jens Büttner/ZB/picture alliance

Weltweit sind bereits 22 Prozent aller Weiden, Äcker und Waldböden durch Industrie, Verschmutzung und Abholzung zerstört. Auch die Landwirtschaft hat einen entscheidenden Anteil daran.

Ansätze regenerativer Landwirtschaft versuchen, den Schaden für Klima und Umwelt zu minimieren, vor allem durch eine Verbesserung der Bodenqualität samt der in ihnen lebenden Mikroorganismen. Die Böden sollen dadurch als natürliche Nährstoff- und Kohlenstoffspeicher wieder hergestellt werden. Auch bei der Anpassung an einen sich erwärmenden Planeten soll die regenerative Landwirtschaft helfen. 

Die Produktivität der Landwirtschaft hat in den vergangenen Jahrzehnten enorm zugenommen. Doch dieser Fortschritt hat seinen Preis. Heute werden rund ein Viertel aller klimaschädlichen Treibhausgase in der Landwirtschaft verursacht. Gleichzeitig ist die Art und Weise, wie wir unsere Lebensmittel anbauen, die treibende Kraft für das Artensterben auf dem Planeten.

Regenerative Landwirtschaft als Gegensatz zur überdüngten und pestizidintensiven industriellen LandwirtschaftBild: Yevhenii Podshyvalov/Zoonar/picture alliance

In der EU wird derzeit über das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur verhandelt. Ein Gesetzespaket, das auch die Förderung einzelner Praktiken der regenerativen Landwirtschaft einschließen könnte. Rund 100 Großkonzerne, die in der Landwirtschaft tätig sind, forderten die EU kürzlich dazu auf, dieses Gesetz zu verabschieden. Sie sehen ihr langfristiges Geschäftsmodell durch die Zerstörung von Ökosystemen und den Klimawandel in Gefahr.

Direktsaat: Warum pflügen, wenn's auch ohne geht?

Regenerative Landwirtschaft ist vor allem eines: ein Mischkonzept verschiedener Methoden, die zusammen und einzeln in konventionellen oder Ökobetrieben angewandt werden können. 

In der intensiven Landwirtschaft ist es üblich, den Boden vor der Saat zu pflügen und aufzubrechen. So wird Unkraut entfernt und das Saatgut kann leicht in den Boden eingebracht werden. Allerdings hat diese Methode auch entscheidende ökologische Nachteile: Zum einen fördert sie die Bodenerosion, der wertvolle Boden kann also leichter austrocknen und vom Wind weggetragen werden. Zudem werden im Boden enthaltene Wurzelsysteme und Kulturen von Mikroorganismen zerstört.

Beim Pflügen wird die Erde komplett aufgebrochen, was Bodenerosion begünstigtBild: imago images/CTK Photo/Petr Malina

Pilzkulturen beispielsweise seien enorm wichtig für das gesamte Ökosystem, den Wasserhaushalt, die Speicherung von CO2 und die Abwehrkräfte der Pflanzen, erklärt Simon Krämer, Autor eines Berichts, den der Deutsche Naturschutzbund (NABU) zusammen mit der Boston Consulting Group zum Potenzial und zu den Herausforderungen von regenerativer Landwirtschaft veröffentlicht hat. Doch genau diese Pilzkulturen würden durch das Pflügen komplett zerstört.

Das Gegenkonzept zum Pflügen nennt sich Direktsaat. Dabei wird der Boden nicht aufgebrochen, sondern die Saat lediglich in einen schmalen Schlitz gepflanzt. Pflanzenreste aus dem Vorjahr bleiben auf dem Acker liegen und können in warmen Zeiten die Bodenfeuchtigkeit erhöhen. Bodenerosion wird durch Direktsaat verhindert und die Bodenkulturen bleiben erhalten. 

Direktsaat kommt dem Boden zugute und braucht langfristig eher weniger Arbeitskraft und Energie. Mögliche Ernteeinbußen in der Übergangsphase und Investitionen in spezielle Maschinen und Biodünger schrecken viele Bauern aber immer noch von dieser Anbaumethode ab. Eine Studie in den USA stellte fest, dass es im Schnitt mindestens zehn Jahre dauert, bis ein Direktsaatfeld nach der Umstellung profitabel wird und beginnt, die Anfangskosten wieder einzuspielen.  

Direktsaat alleine, ohne weitere Maßnahmen, kann auch aber dazu führen, dass mehr Unkrautvernichter nötig sind. "Wenn jemand sagt, er macht nur Direktsaat und sonst aber keine Zwischenfrüchte, dann ist das auch jede Kritik wert. Und dann kann es auch sein, dass wir einen größeren Herbizideinsatz haben," so Krämer.

Die Mischung macht's: Deckpflanzen und Zwischenkulturen 

Dem kann die Durchmischung des Ackers mit anderen Pflanzen entgegengenwirken. Regenerative Landwirtschaft versteht sich als nachhaltiger Prozess, nicht als kurzfristiges Gegenmittel. Und das heißt auch: Verschiedenste Maßnahmen greifen ineinander und bauen aufeinander auf. Neben den Hauptkulturpflanzen wie etwa Weizen, Raps, oder Kartoffeln können sogenannte Deckpflanzen zwischen Ernte und der nächsten Saat gepflanzt werden. 

Pflanzen wie die Alfalfa können zusammen mit den Bodenkulturen natürlichen Stickstoff im Boden bindenBild: picture-alliance/blickwinkel/F. Hecker

Das sei die Basis, "dass sich dieses Ökosystem als solches wieder etablieren kann. Also das ist die Grundbedingung dafür, dass wir wieder gesunde Mykorrhiza, also Pilze, in unseren konventionell genutzten Böden haben können," so Krämer. 

Sorten wie Zaunwicke, Ackererbsen, Rotklee oder Weißklee haben zum Teil tiefe Wurzeln und ihr großer Vorteil ist: Sie holen natürlichen Dünger mithilfe von Mikroorganismen aus der Luft in den Boden. Die richtige Kombination der Hauptsaat mit den Deckfrüchten kann den Einsatz von Düngemittel und Insektiziden reduzieren und die Kosten dafür senken. Mittelfristig helfen die Pflanzen dabei, dass der Boden in Dürreperioden im Sommer nicht so stark austrocknet und überhitzt, wodurch Ernteverluste minimiert werden können. Ein großer Pluspunkt in Zeiten des menschengemachten Klimawandels, in dem Dürren in vielen Regionen der Erde häufiger und stärker werden.

Heute wird dieser Mischansatz aus Direktsaat, Deck- und Zwischenpflanzen auf fast 15 Prozent der weltweiten Anbauflächen betrieben. Zwischen 2009 und 2019 haben sich die Flächen verdoppelt.

Agroforstwirtschaft: Bäume helfen Feldern

09:55

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Ein Baum kann nicht schaden - die Agroforstwirtschaft 

Auch das Pflanzen von Bäumen, Büschen und Sträuchern auf Äckern, Feldern und Weiden ist möglich. Das Konzept nennt sich Agroforstwirtschaft. Für die Bauern sei es vor allem eine Möglichkeit, sich unabhängiger von Monokulturen und schwankenden Weltmarkpreisen zu machen, erklärt Sonya Kay vom schweizerischen Forschungsinstitut Agroscope in einer Folge des DW-Podcasts "On the Green Fence”, die sich diesem Thema widmet.

Büsche, Hecken und Bäume zwischen den Feldern können viel bewirkenBild: Pascal Bonniere/dpa/picture alliance

"Ja, es ist auch mehr Arbeit," so Kay und durch weniger Platz würde die Ernte der Hauptsaat geringer. Wer aber beispielsweise Frucht- oder Nussbäume pflanzt, kann nach einiger Zeit zusätzliche Produkte ernten. "Im Endeffekt ist es eine Intensivierung der Fläche”, so Kay. Mit dem Unterschied, dass sie nachhaltiger sei und die Pflanzen sich einander stimulieren könnten, Bestäuber anzögen, mehr CO2 bänden, Erosion vermieden und die Artenvielfalt gefördert werde. 

Wie effektiv das System ist, hängt enorm davon ab, was wo reduziert wird. In den Tropen beispielsweise profitieren besonders Kaffeebauern von Bäumen auf ihrer Farm, da sie die Kaffeesträucher vor der starken Sonne schützen, Schatten spenden und ein kleines Mikroklima erzeugen. Auch weidende Milchkühe profitieren von Bäumen und Schatten. Denn Milchproduktion und -qualität nehmen bei Hitzestress ab.

Wandernde Viehherden können dem Boden und der Artenvielfalt zugute kommenBild: Mauro Pimentel/AFP via Getty Images

Viehhaltung: einfach mal die Weide wechseln

Viehhaltung kann ebenfalls Teil regenerativer Landwirtschaft sein. Wichtig dabei ist, dass die Viehherden regelmäßig und in kurzen Abständen die Weide wechseln. So kann Überweidung vermieden werden, die zur Verdichtung des Bodens führt. Dadurch werden das Pflanzenwachstum behindert und die Bodenkulturen geschwächt.

Wechseln Tiere regelmäßig in kurzen Abständen die Weide, düngen die weit verteilten Ausscheidungen den Boden und die kurzgehaltene Vegetation begünstigt in vielen Fällen eine größere Vielfalt von Pflanzen, Insekten und Vögeln, so eine Studie der University of KwaZulu-Natal im südafrikanischen Pietermaritzburg aus dem Jahr 2021. Nur wenige Arten waren demnach negativ beeinflusst.

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