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Politik

Was kommt nach dem Angriff?

Mirjam Benecke
16. September 2019

Beschuldigen, zurückweisen, drohen: Nach den Angriffen auf die saudi-arabische Ölindustrie verschärft sich die Lage in der Golf-Region. Ein Überblick: Was wir wissen - und was nicht.

Saudi-Arabien Drohnen-Angriff auf Aramco-Ölaufbereitungsanlage
Bild: Reuters

Die Liste der Fakten ist nicht besonders lang. Fest steht: In der Nacht zu Samstag haben Drohnen zwei wichtige Ölraffinerien in Saudi-Arabien angegriffen. Der wirtschaftliche Schaden ist enorm - aber immerhin abzuschätzen. Anders sieht es mit den politischen Folgen aus. Ganz oben steht die Frage nach dem Schuldigen.

Wer will's gewesen sein - und wer nicht?

Die Huthi-Rebellen aus dem benachbarten Jemen bekannten sich kurze Zeit später zu dem Angriff. Ihr Motiv: Die Rebellen kämpfen in ihrem Land seit Jahren gegen die jemenitische Regierung. Dabei steht der Iran hinter ihnen. Die jemenitische Regierung wird dagegen von einer internationalen Koalition unter Führung Saudi-Arabiens unterstützt. Huthi-Sprecher Jihja Sari forderte Saudi-Arabien auf, die "Aggression" gegen den Jemen einzustellen und die Blockade des Landes zu beenden.

Die Reaktionen der USA richteten sich dagegen ganz gegen den Iran. Zuerst meldete sich US-Außenminister Mike Pompeo zu Wort. Via Twitter machte er den Iran direkt für die Attacken verantwortlich. "Inmitten der Rufe nach Deeskalation hat der Iran jetzt einen beispiellosen Angriff auf die Welt-Energieversorgung verübt. Es gibt keinen Beweis, dass die Angriffe vom Jemen kamen", so Pompeo.

Etwas vager drückte sich Präsident Donald Trump am Sonntag aus. "Es besteht Grund zu der Annahme, dass wir den Täter kennen", so Trump via Twitter. Das Hauptargument der Vereinigten Staaten: Nach Satellitenbildern sollen die Anschläge eher aus Richtung des Iran oder Irak verübt worden sein - und nicht aus dem südlich gelegenen Jemen.

Sicht von oben: Nach den Drohnenangriffen auf die zwei Raffinerien brach die Ölproduktion Saudi-Arabiens dramatisch einBild: European Commission/AP

Der Iran wies die Anschuldigungen der USA vehement zurück. Die Vorwürfe seien "unverständlich und unsinnig", erklärte das Außenministerium in Teheran. Sie zielten darauf, "künftige Aktionen" gegen den Iran zu rechtfertigen. "Weil die US-Politik des maximalen Drucks auf den Iran gescheitert ist, sind die Amerikaner nun auf die der maximalen Lügen umgestiegen."

Von allen Beteiligten hielt sich Saudi-Arabien bisher am meisten zurück. Die Regierung in Riad nannte die Angriffe zwar einen "Terrorakt", hat den Iran aber bislang nicht direkt beschuldigt. Bei einer noch laufenden Untersuchung deute allerdings alles darauf hin, "dass die Waffen, die bei beiden Angriffen genutzt wurden, aus dem Iran stammten", erklärte der Sprecher der von Saudi-Arabien angeführten Militärkoalition, Turki al-Maliki, am Montag in Riad. Nun werde untersucht, von wo aus die Waffen abgefeuert wurden.

Und wie geht's weiter?

Die Huthi-Rebellen drohten am Montag mit weiteren Angriffen. Die Anlagen des staatlichen Öl-Konzerns Aramco seien nach wie vor ein Ziel, erklärte die Miliz. "Wir versichern dem saudischen Regime, dass unser langer Arm jeden von uns gewünschten Ort zum von uns bestimmten Zeitpunkt erreichen kann", erklärte Huthi-Sprecher Jihja Sari am Montag.

Auf der anderen Seite versicherte Trump via Twitter, die USA stehe "geladen und entsichert" bereit - ohne jedoch den möglichen Schuldigen oder konkrete Schritte zu nennen.

Auch vom Iran kam bisher kein Zeichen der Entspannung. Im Gegenteil: Das Land hat Spekulationen über ein mögliches Treffen zwischen seinem Präsidenten Hassan Rohani und US-Staatschef Donald Trump zurückgewiesen. Es gebe "keine Pläne", dass sich die beiden am Rande der bevorstehenden Generaldebatte der UN-Vollversammlung in New York treffen würden, sagte ein Sprecher des Außenministeriums am Montag. Noch am Sonntag hieß es aus dem Weißen Haus in Washington, dass ein Zusammentreffen von Trump und Rohani nicht ausgeschlossen sei.

Was ist denn nun wahrscheinlich?

Politikwissenschaftler Christian Hacke hält es für sehr wahrscheinlich, dass der Iran Drahtzieher hinter den Drohnenangriffen ist. "Die Frage ist, ob direkt oder indirekt." Sollte der Iran dahinter stecken, hätte er eine deutliche Botschaft gesendet. Nämlich, dass das Land auch ohne Nuklearwaffen Saudi-Arabien und der Weltwirtschaft empfindlich schaden könne.

Was nun folgen wird, darüber sind sich Experten und vielleicht auch die Konfliktparteien nicht im Klaren. Von gemeinsamen Gesprächen bis zu einem Vergeltungsschlag sei alles möglich, sagt Politikwissenschaftler Christian Hacke der DW. "Das Schönste wäre, die setzen sich jetzt alle in New York zusammen und sagen: So geht es nicht weiter." Doch die wahrscheinlichste Möglichkeit sei das nicht. 

Dazu seien die Interessen zu stark und konfrontativ. "Es ist vermutlich leider nicht auszuschließen, dass es einen längeren Abnutzungskrieg geben wird, bis beide Parteien erschöpft sind und sagen: Jetzt geben wir klein bei", so Hacke.

Die Huthis hatten 2014 große Gebiete des Jemens unter ihre Kontrolle gebracht, darunter die Hauptstadt Sanaa.Bild: Getty Images/AFP/M. Huwais

Sollte es zu einem Vergeltungsschlag kommen, seien Saudi-Arabien, Israel und die harten Kräfte in den USA die drei entscheidenden Spieler, sagt der Politologe. "Ob es dazu kommt, ist eine ganz andere Frage."

Denn: Das schwierigste an der Lage sei laut Hacke die Unberechenbarkeit von US-Präsident Donald Trump. "Was er sagt, ist überhaupt nicht deckungsgleich mit dem, was er tut", so Hacke. "Er kann was Dramatisches tun, er kann gar nichts tun, er kann sich zurückziehen. Wir wissen es nicht."

Dazu kommt noch die unübersichtliche Lage im Weißen Haus. Wer wird neuer US-Sicherheitsberater? Wie mächtig ist US-Außenminister Mike Pompeo? Und wer hat überhaupt noch Einfluss auf Donald Trump? "Die Unsicherheit und Unberechenbarkeit von einem der Hauptspieler addiert natürlich noch einiges zu der ohnehin brisanten Lage hinzu."