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Was kommt nach dem Bergbau?

Klaus Deuse
19. August 2021

Das Forschungszentrum Nachbergbau in Bochum entwickelt Konzepte und Techniken zur Bewältigung der Hinterlassenschaften des Steinkohlenbergbaus. Zum Einsatz kommen dabei auch Tiefseesonden, Drohnen und Satellitendaten.

Exkursion Technische Hochschule Georg Agricola THGA Schachtsanierung Alstaden 2/3
Hinterlassenschaften des Kohlebergbaus - SchachtsanierungBild: Volker Wiciok

2018 war auch bei Prosper Haniel in Bottrop, der letzten deutschen Steinkohlenzeche, Schicht im Schacht. An die Kohleförderung erinnern über Tage zumeist nur noch die Fördertürme. Auch diese industriellen Hinterlassenschaften sind ein Fall für das Forschungszentrum Nachbergbau (FZN) in Bochum. So untersuchen Materialwissenschaftler dieser weltweit ersten Institution, die sich mit den Folgen des Bergbaus beschäftigt, den Rost auf den Metallen und die Zerfallsprozesse von Plastik.

Die gewonnenen Erkenntnisse können dazu beitragen, neuartige Kunststoffe zu entwickeln, die sehr viel schneller als bisher verrotten. "Vielleicht ist dies ein Weg, den Plastikmüllberg auf der Welt etwas abzutragen", skizziert Professor Michael Prange vom FZN eines der Projekte.

Nachbergbau vor Ort mit Forschern aus BochumBild: Volker Wiciok

Bergbau zeigt langfristige Folgen, die es zu bewältigen gilt. Über und unter Tage. Am Forschungszentrum Nachbergbau an der Technischen Hochschule Georg Agricola beschäftigen sich 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Konzepten und Technologien, um die Folgen technisch, ökonomisch und umweltverträglich zu gestalten.

Dazu gehören nach den Worten von Carmen Tomlik "natürlich auch Bergbauexperten, also die sogenannten alten Hasen". Zur Erforschung und Bewältigung der vielfältigen Hinterlassenschaften gehören am FZN ebenso Geologen, Experten aus der Chemie, aus der Elektrotechnik. Materialwissenschaftler, Flächenentwickler, Ökonomen oder Spezialisten aus der Fernerkundung, die Satellitendaten auswerten können. "Alle diese Fachleute arbeiten bei uns interdisziplinär zusammen."

Weltweites Interesse an Forschungsergebnissen aus Bochum

Dabei, so Carmen Tomlik, geht es nicht nur um Altlasten, sondern auch um die Frage, wie schon jetzt noch laufende Rohstoffprozesse nachhaltiger gestaltet werden können. "Nämlich dadurch, dass man schon die lange Phase des Nachbergbaus jetzt mitdenkt und plant."

So lassen sich die entwickelten Ideen und Technologien angesichts ähnlicher Probleme in anderen Ländern mittlerweile weltweit vermarkten. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete das FZN immerhin schon Einnahmen von über 1,5 Millionen Euro. Gefördert werden die Projekte zudem mit Bundes- und Landesmitteln sowie von der EU-Kommission.

Grubenwassereinleitung Essen-ÜberruhrBild: FZN

Diese vielfältige Förderung, sagt der Geologe Tobias Rudolph, mache es möglich, national wie international ganz verschiedenen Fragestellungen des Nachbergbaus nachzugehen. So gilt es zum Beispiel für jedes stillgelegte Bergwerk die jeweils regional unterschiedlichen geologischen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Und zwar mit Hilfe modernster Technik. Beispielsweise kommen bei der Überwachung des Grubenwassers auch Tiefseesonden zum Einsatz, die Daten über Druck, die Temperatur und die Leitfähigkeit des Wassers liefern. "So bekommen wir einen detaillierten Einblick in das Grubenwasser", erklärt der Professor für Geomonitoring.

Projekte über und unter Tage

Durch den intensiven Untertageabbau von Kohle haben sich in den deutschen Bergbauregionen das Gelände und die Oberfläche teilweise so stark abgesenkt, dass große Mulden, sogenannte Polderflächen, entstanden sind. Damit sich das Wasser von Flüssen und Seen dort nicht staut, müssen diese tiefergelegenen Bereichen künstlich entwässert werden - ein Prozess, der den gesamten Wasserhaushalt in diesen Regionen betrifft. Das wirkt sich auf die Nutzung von Flächen und Ressourcen in der Land-, Forst- und Wasserwirtschaft aus.

Geomonitoring unter Tage mit TiefseesondeBild: FZN

Vor allem wegen des Klimawandels ergeben sich daraus weitreichende Folgen. Experten des FZN untersuchen darum, wie das Wassermanagement noch nachhaltiger gestaltet werden kann. Mit anderen Worten: Wie diese Polderflächen besser auf Dürrephasen oder Extremereignisse wie Starkregen vorbereitet werden können. Ebenfalls unter Einsatz modernster Technik, unterstreicht Tobias Rudolph. In dem Fall mit Satellitendaten und mit Aufnahmen von Drohnen aus der Vogelperspektive. "Denn so können wir mit diesen Methoden direkt Veränderungen an der Tagesoberfläche aufzeichnen und hieraus Schlüsse über die Veränderung im Untergrund ziehen."

Datenerfassung mit der DrohneBild: Volker Wiciok

Gefragt ist Nachbergbau-Know-how auch in anderen Bereichen. So entwickeln die FZN-Experten in den kommenden zwei Jahren ein Monotoringsystem, mit dem sich die Anlagen- und Versorgungssicherheit von Kavernenspeicher der Erdgas-Industrie unter der Erde überwachen lässt.

Bergbauflächen für neue Nutzung erschließen

Zu den Kernaufgaben im Nachbergbau gehören Untersuchungen, ob und in welchem Umfang die Flächen ehemaliger Bergwerke künftig genutzt werden können. Schließlich sind im Umfeld von Bergwerken im Laufe der Jahrzehnte auch Siedlungs-, Gewerbe- und Industrieflächen entstanden. Diese vorhandene Struktur bietet für Experten wie Tobias Rudolph "das Potenzial nachzuschauen, wie wir die moderne Entwicklung außerhalb der Flächen mit einer zukünftigen Entwicklung auf den Bergbauflächen verknüpfen können".

Sogenannte Ewigkeitsaufgaben in einer AnimationBild: FZN

Bis hin zur Ansiedlung neuer Unternehmen und damit der Schaffung neuer Arbeitsplätze. Die Hinterlassenschaften des Bergbaus verschlingen im Kontext der sogenannten Ewigkeitsaufgaben nicht nur Geld, sie lassen sich auch gewinnbringend anzapfen, stellt Geologe Rudolph klar. Dabei geht es darum, "inwieweit die untertägigen Einrichtungen oder der Zugang zum Untergrund für uns heute noch nutzbar ist."

Zum Beispiel die geothermische Nutzung des warmen Grubenwassers für die Wärmeversorgung von Haushalten. Nachbergbau hat zweifelsfrei Zukunft. So kommen gut 30 Prozent der rund 2400 Studierenden an der Technischen Hochschule Georg Agricola in Bochum aus dem Ausland. Vor allem aus solchen Ländern, in denen noch aktiv Bergbau betrieben wird. Das zeige nach den Worten von Tobias Rudolf deutlich, wie groß das Interesse dieser Studierenden an dem entwickelten Wissen zum Nachbergbau sei, das auch in ihren Heimatländern benötigt werde.

Bodenprobe auf dem Gelände der Zeche Ewald Bild: Volker Wiciok

 

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