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Was kosten Deutschland Sanktionen gegen Russland?

Sabine Kinkartz12. März 2014

Die EU droht in der Krim-Krise mit härteren Wirtschaftssanktionen. Die deutsche Exportwirtschaft hofft, dass es nicht soweit kommt und warnt: Nicht nur Russland hätte in diesem Fall viel zu verlieren.

Symbolbild Russland Ukraine Gaslieferung
Bild: picture-alliance/dpa

Deutschland und Russland sind wirtschaftlich eng miteinander verbunden. 20 Milliarden Euro haben deutsche Unternehmen in Russland investiert. Das bilaterale Handelsvolumen liegt bei über 76 Milliarden Euro: Exporten in Höhe von 36 Milliarden Euro stehen Importe von 40,4 Milliarden Euro gegenüber. Während Russland überwiegend Energieträger und Rohstoffe nach Deutschland exportiert, liefert Deutschland im Gegenzug hochwertige Konsumgüter, Maschinen und Anlagen, Kraftfahrzeuge, elektrotechnische Produkte und Verkehrsinfrastrukturgüter.

6.200 deutsche Unternehmen machen mit Russland Geschäfte. Viele suchen in diesen Tagen Rat beim Bundesverband Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen. Die Telefonleitungen würden heiß laufen, berichtet BGA-Präsident Anton Börner. "Schon heute ist die Verunsicherung greifbar: Es mehren sich die sorgenvollen Anfragen von Unternehmerseite, wie es um die Rahmenbedingungen für das Russlandgeschäft bestellt sei, ob mit Sanktionen zu rechnen sei und ob ausstehende Zahlungen in Gefahr seien."

Angst vor Enteignung

Vor allem bei Unternehmen, die an Standorten in Russland produzieren, schrillen die Alarmglocken - diskutiert die russische Duma doch über ein Gesetz zur Enteignung ausländischer Unternehmen.

Sollte das in Kraft treten, dann sei das ein schwerer Schlag für die westliche Wirtschaft. "Der Staat hat ein Gewaltmonopol. Was also soll ich machen, wenn es so ein Gesetz gibt und dann kommt jemand, der mein Unternehmen beschlagnahmt? Was soll ich dagegen tun? Nichts, nach Hause gehen", sagt Börner.

Ein Bild aus besseren Tagen: Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder bei der Eröffnung des zweiten Strangs der Gas-Pipeline Nord StreamBild: picture-alliance/dpa

Soweit wollen es die deutschen Exporteure gar nicht kommen lassen und mahnen eindringlich zur Deeskalation. "Wir Händler sind immer dafür, einen Gesprächskanal offenzuhalten. Reden ist besser, als jemanden in die Ecke zu treiben." Die EU müsse Russland und damit vor allem Putin in die Entscheidungsprozesse einbinden. Und zwar auf Augenhöhe und als Teil der Lösung. "Es gilt, Putin größtmögliches Verständnis für seine Situation entgegenbringen, aber gleichzeitig aufzeigen, dass die einseitige Veränderung von völkerrechtlich gültigen Verträgen und Grenzen sein Land ins Abseits führen wird", empfiehlt Anton Börner. Die Bundesregierung habe die besten Voraussetzungen, das zu vermitteln.

Der Einfluss der Oligarchen

Mit Blick auf das bisherige Vorgehen des russischen Präsidenten sei gar nicht damit zu rechnen, dass schärfere Sanktionen Wladimir Putin zum Einlenken bewegen würden. Börner geht stattdessen davon aus, dass sich die Fronten nur verhärten würden. Eine Meinung, die auch russische Geschäftspartner der deutschen Exporteure vertreten. Es gebe zig-tausende deutsch-russische Kontakte im täglichen Geschäftsleben und dort sei die drohende Verschlechterung der Wirtschaftsbeziehungen momentan das Thema Nummer eins, weiß der BGA-Präsident.

Die russischen Handelspartner seien ähnlich alarmiert wie die deutschen. Beide eine das gemeinsame Interesse, auf einer vertrauensvollen Ebene gedeihliche Geschäfte miteinander zu machen. Zudem fürchtet sich die russische Elite vor weitergehenden Sanktionen der EU. Das Einfrieren von Konten würde sie genauso treffen wie ein verstärktes Einreiseverbot in die EU.

BGA-Präsident Anton Börner: "Ohne Russland geht es nicht."Bild: picture-alliance/dpa

"Also fragen wir unsere russischen Geschäftspartner, welche Möglichkeiten sie haben, auf die russische Politik einzuwirken, um ganz freundlich und höflich die Zusammenhänge klarzumachen: nämlich, dass Russland am Ende mehr leiden wird als der Westen. Da sind wir uns ganz sicher", erklärt Anton Börner.

Jede Sanktion hat ihren Preis

Russland sei wirtschaftlich viel abhängiger von der Europäischen Union als dies umgekehrt der Fall sei. Die russischen Energieexporte machten mehr als die Hälfte der russischen Staatseinnahmen und etwa ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts aus. Mehr als 80 Prozent der Exporte gingen in den Westen. Würde die EU die Erdgas-Importe aus Russland aussetzen, würde das dem russischen Staatshaushalt einen erheblichen Schlag versetzen. Einnahmen in Höhe von 100 Millionen Dollar pro Tag würden auf einmal wegbrechen. Im Gegenzug hätte Deutschland aufgrund seiner für ein halbes Jahr ausreichenden Gas-Reserven genug Zeit, um sich nach einem Ersatzlieferanten umzusehen.

Die Weltmarktpreise für Öl und Gas würden kurzfristig sicherlich steigen, der BGA geht aber weder von einem starken, noch von einem dauerhaftes Emporschnellen aus. "Jedoch würde zusätzlicher Sand in das Getriebe der sich gerade erholenden Weltkonjunktur gestreut werden", warnt Börner. Verheerender wäre seines Erachtens der Fall bei einem weltweiten Embargo gegen russisches Öl und Gas. "Ich halte es jedoch für ausgeschlossen, dass sich Länder wie China oder Indien daran beteiligen."

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Deutsche Exporte wachsen

Der BGA-Präsident geht stattdessen davon aus, dass die Weltkonjunktur nach einem kurzen Ausschlag nach unten wahrscheinlich binnen weniger Monate zur Tagesordnung zurückkehren würde. Abgesehen vom Russland-Geschäft, dessen Wegbrechen für einige deutsche Unternehmen sicherlich existenzbedrohend wäre, würde das auch für die deutsche Exportwirtschaft gelten.

Für das laufende Jahr erwartet der Verband ein Anwachsen der deutschen Ausfuhren um drei Prozent auf rund 1,3 Billionen Euro. Die Importe sollen voraussichtlich um zwei Prozent auf rund 914 Milliarden Euro anwachsen. Damit würde das deutsche Handelsvolumen noch deutlicher als bisher über zwei Billionen Euro liegen.