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Was kostet es China, der Wirtschaft neuen Schwung zu geben?

Nik Martin
28. November 2024

China hat ein mehr als zwei Billionen Dollar schweres Konjunkturprogramm angekündigt, um das Wachstum anzukurbeln. Analysten meinen, das reiche nicht. Braucht China eine Art "Marshallplan"?

Bild für Artikel von Nik Martin "How much stimulus does China's economy need?"
Bild: DW

Chinas Wirtschaft hat immer noch Mühe, sich von der Pandemie zu erholen - fast zwei Jahre, nachdem Peking seine drakonischen Null-COVID-Maßnahmen aufgehoben hat. In den ersten drei Quartalen des Jahres 2024 lag das Wirtschaftswachstum mit 4,8 Prozent nur knapp unter Pekings Ziel von fünf Prozent. In den Jahren vor der Pandemie wurden deutlich höhere Wachstumsraten erreicht.

Deflation, schwache Verbrauchernachfrage und ein gewaltiger Immobiliencrash haben den Wachstumskurs des Landes ausgebremst. Auch Handelsspannungen mit den Vereinigten Staaten haben die Exporte gedrosselt. Gerade die Ausfuhren hatten aber Chinas Aufstieg zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt vorangetrieben. Ob der Handel mit den USA während der zweiten Amtszeit von Donald Trump wieder anziehen wird, ist fragwürdig.

"China leidet unter Überproduktion und Unterkonsum", sagte George Magnus, wissenschaftlicher Mitarbeiter am China Centre der Universität Oxford und ehemaliger Chefvolkswirt der UBS, der DW. "[Die chinesische Führung, Anm. d. Red.] hat endlich erkannt, dass die Wirtschaft an Schwung zu verlieren scheint und dass das kein Ausrutscher ist."

Peking versucht gezielte Anreize zu schaffen

Im September pumpte Peking Liquidität in Höhe von 2,7 Billionen Yuan (370 Mrd. US-Dollar, 350 Mrd. Euro) in das Bankensystem, um die Kreditvergabe zu fördern, senkte die Zinssätze und kündigte neue Infrastrukturausgaben und Hilfen für die verschuldete Immobilienbranche an.

Anfang November kündigte die chinesische Regierung eine weitere Finanzspritze in Höhe von zehn Billionen Yuan an. So soll den verschuldeten Regionalregierungen, die in den letzten Jahren hohe Kredite für Infrastruktur- und Wirtschaftsentwicklungsprojekte aufgenommen hatten, geholfen werden.

Diese Maßnahmen lösten eine spektakuläre kurzfristige Rallye bei chinesischen Aktien aus - der CSI 300 Index der größten in Shanghai und Shenzhen notierten Aktien stieg um 35 Prozent. Die Anleger setzten darauf, dass Peking bald weitere Billionen Yuan ankündigen würde, um den Binnenkonsum anzukurbeln.

"Es wurde spekuliert, dass es endlich eine nachfrageseitige Politik zur Unterstützung des Konsums geben würde. Bislang hat sich nichts davon bewahrheitet", sagte Jiayu Li, Senior Associate bei der Beratungsfirma für öffentliche Politik Global Counsel in Singapur, gegenüber der DW.

Jahrelang wurde in China in Immobilien investiert - nun steckt die Branche in der KriseBild: CFOTO/picture alliance

Keine wirklichen Konjunkturmaßnahmen

Li sagte, das angekündigte Paket sei zwar "beeindruckend", ziele aber hauptsächlich auf bestehende Schulden und könne daher "nicht als neuer Konjunkturimpuls betrachtet werden". Ihrer Meinung nach unterschätze Peking die Schulden der lokalen Regierungen, die mit 14,3 Billionen Yuan angegeben werden. Der Internationale Währungsfonds (IWF) schätzt die Höhe eher auf 60 Billionen Yuan, was 47,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entspricht.

Die neuen Hilfen sind wesentlich umfangreicher als die im Zuge der Finanzkrise 2008 bis 2009 eingeleiteten, die eine Höhe von etwa vier Billionen Yuan hatten und einen Umfang von fast 13 Prozent des BIP. Die aktuellen Maßnahmen machen etwa zehn Prozent des BIP aus. Während der Finanzkrise gelang es China das BIP-Wachstum trotz des weltweiten Abschwungs bei über acht Prozent zu halten.

Magnus ist der Ansicht, dass das jüngste Maßnahmenpaket nur eine "marginale Auswirkung" auf das Wachstum haben werde, da es den Haushalten der Lokal- und Provinzregierungen Erleichterung verschaffe. Er warnte jedoch davor, dass Peking "nur um den heißen Brei herumredet" und schon bald "radikale" Schritte unternehmen müsse, um viele strukturelle Probleme der Wirtschaft anzugehen.

Weitere US-Zölle könnten China empfindlich treffen

Andere China-Beobachter sind ebenfalls der Meinung, dass die jüngsten Schritte nicht weit genug gehen, zumal Trump bei seiner Rückkehr ins Weiße Haus im Januar mit neuen US-Zöllen auf chinesische Importe gedroht hat. Demnach werde er alle chinesischen Waren, die in die USA eingeführt werden, mit einer zusätzlichen Abgabe von zehn Prozent belegen, was den Gesamtzoll auf 35 Prozent anheben könnte.

Importe aus China sind unter Donald Trump weniger willkommenBild: AFP

Nach einer Umfrage der Nachrichtenagentur Reuters unter Wirtschaftswissenschaftlern in der vergangenen Woche könnten neue US-Zölle das chinesische Wachstum um bis zu einen Prozentpunkt verringern.

"Der Markt hofft, dass Peking mit weiteren fiskalischen Maßnahmen bis zum nächsten Jahr [wenn Trump sein Amt antritt, Anm.d.Red.] wartet", sagte Li gegenüber der DW und fügte hinzu, dass viele fürchten, dass mögliche Konjunkturmaßnahmen bis dahin noch weniger wirkungsvoll sein könnten.

Chinesische Währung wird wahrscheinlich schwächer werden

Magnus glaubt unterdessen, dass neue Zölle "keine großen Auswirkungen" auf Chinas Wirtschaft haben werden, obwohl sie zu einer weiteren Schwächung des Yuan führen könnten.

Als Trump im März 2018 Zölle erhöht hatte, konnte China einen Teil der negativen Auswirkungen dadurch abmildern, dass es eine Abwertung des Yuan in Kauf nahm, was chinesische Exporte billiger machte. Die Währung fiel um etwa 12 Prozent gegenüber dem US-Dollar und erreichte im August 2019 den tiefsten Stand seit fast einem Jahrzehnt. Washington bezeichnete China daraufhin als "Währungsmanipulator", was monatelang zu noch höheren US-Zöllen führte, bis sich die Spannungen zwischen den beiden Mächten durch Verhandlungen etwas entspannten.

Braucht China einen Marshallplan?

Huang Yiping, Dekan der National School of Development an der Universität Peking und Mitglied des geldpolitischen Ausschusses der People's Bank of China, hat ein viel größeres Konjunkturprogramm gefordert, um die Inlandsnachfrage zu stabilisieren und anzukurbeln.

In einem Interview mit der South China Morning Post forderte er in diesem Monat, Peking solle einen "chinesischen Marshall-Plan" auflegen, ähnlich dem Wirtschaftshilfeprogramm, das die USA nach dem Zweiten Weltkrieg zum Wiederaufbau Europas einführten.

Huang schlägt vor, Chinas überschüssige Industriekapazitäten zu nutzen, um einkommensschwache Länder im globalen Süden beim Aufbau neuer Infrastrukturen und beim Übergang zu erneuerbaren Energien zu unterstützen. Der Vorschlag wird jedoch wahrscheinlich auf Gegenwind aus dem Westen stoßen, wo man schon jetzt über Chinas Einfluss in Afrika, Asien und Lateinamerika besorgt ist.

FOCAC-Gipfel: China dominiert in Afrika

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Wieviel Hilfe ist genug?

Andere Analysten glauben ebenfalls, dass Peking noch erhebliche Summen in die Wirtschaft pumpen müsse - die Rede ist von weiteren fünf Billionen bis 10 Billionen Yuan. Der leitende Wirtschaftswissenschaftler der Union Bancaire Privee (UBP) Asia, Carlos Casanova, erklärte diesen Monat gegenüber Reuters, dass ein Paket von 23 Billionen Yuan erforderlich sei.

Viele Analysten empfehlen außerdem, dass sich künftige Konjunkturmaßnahmen auf Sozialausgaben für Haushalte und mehr Hilfe für den angeschlagenen Immobiliensektor konzentrieren sollten, anstatt auf traditionelle Industrieinvestitionen und Infrastrukturprojekte.

Magnus stimmt zwar zu, dass die Regierung ihre Politik zur Ankurbelung der Binnennachfrage "feinjustieren" werde, ist aber skeptisch, ob sich China schnell von einer produktionsbasierten, exportorientierten Wirtschaft wegentwickeln werde.

Peking werde zwar viel Geld in die Hand nehmen, so Magnus, aber er geht davon aus, "dass die Priorität der Regierung sicherlich nicht darin besteht, das Wachstumsmodell zu ändern, um eine mehr konsumorientierte, wohlfahrtsorientierte Wirtschaft zu werden", bekräftigte er gegenüber der DW.

Der Artikel wurde aus dem Englischen adaptiert

 

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