Corona: Was macht der EU-Wiederaufbaufonds?
8. Februar 2021Der Corona-Wiederaufbaufonds kommt langsam in Gang. Bis Ende April müssen die Projektpläne bei der EU-Kommission vorgelegt werden, anschließend werden sie bewertet. Erstes Geld kann frühestens ab Sommer fließen, wenn Brüssel grünes Licht gibt.
Die Einigung auf das 750 Milliarden-Paket im vorigen Sommer war ein politischer Kraftakt. Zum ersten Mal nimmt die EU Schulden auf, um den Mitgliedsländern bei der finanziellen Bewältigung der Pandemie zu helfen.
"Die Pläne müssen in Bezug auf Reformen ambitionierter werden", sagt der rumänische Politiker und Ökonom Siegfried Muresan, der im EU-Parlament der konservativen EVP-Fraktion angehört und im Haushaltsausschuss sitzt.
Die Vorgaben sind klar: 37 Prozent des Geldes müssen jeweils in Klimaschutzmaßnahmen, 20 Prozent für den digitalen Umbau und der Rest für Reformen der Sozialsysteme oder in die öffentliche Gesundheitsversorgung investiert werden.
Arbeitslosigkeit in Italien ist weiblich
"Einige Länder müssen noch einmal umdenken", erklärt Damian Boeselager von den Grünen. Sie müssten in ihren Plänen auch berücksichtigen, dass die Krise manche in der Gesellschaft härter treffe als andere.
"In Italien sind 75 Prozent der Arbeitslosen jetzt Frauen. Neue Investitionen aber gehen traditionell in von Männern dominierte Bereiche. Solche Ungleichgewichte müssen wenigstens angesprochen werden", erklärt Boeselager.
Bisher haben achtzehn Länder Pläne bei der EU-Kommission eingereicht, sechs hätten erste Vorschläge gemacht und drei diskutieren noch mit der Behörde, was sie für genehmigungsfähig hält. Es ist noch reichlich Zeit für die Feinabstimmung, denn die Frist läuft bis Ende April.
Für genehmigte Anträge soll zunächst eine Vorfinanzierung von 13 Prozent der Projektsumme ausgezahlt werden. Die weiteren Mittel fließen danach in Tranchen, wobei die Kommission die Umsetzung der Vorhaben in Zwischenschritten überprüfen will. Die Gelder sollen stärker kontrolliert werden als die bisherigen EU-Mittel.
"Politisches Recycling"
Die Behörde hat jetzt einen ernsten Warnschuss in Richtung Ungarn abgefeuert: Im Januar forderte sie dringende Reformen im Vergabesystem für öffentliche Aufträge, sonst werde es kein Geld aus dem Wiederaufbaufonds geben. Der Wettbewerb ist nicht ausreichend, hieß es da, eine Umschreibung für Vetternwirtschaft und Betrug.
Doch ausgerechnet Deutschland und Frankreich, die den Wiederaufbaufonds ins Leben gerufen haben, gäben jetzt kein gutes Beispiel für kleinere EU-Mitgliedsländer ab, kritisiert Finanzexperte Sven Giegold von den Grünen: Sie wollten Dreiviertel der EU-Mittel für schon beschlossene Projekte verwenden.
Ein solches Umpacken nationaler Konjunkturprogramme ist zwar erlaubt, widerspricht aber dem Ziel des Aufbaufonds, die Volkswirtschaften zukunftsfähiger zu machen statt Löcher in den von der Pandemie geschlagenen Staatshaushalten zu stopfen.
"Die Bundesregierung sollte mit gutem Beispiel vorangehen, statt politisches Recycling zu betreiben", meint Giegold. Der ökonomische Effekt werde sich nicht einstellen, wenn die selben Projekte statt über nationale Schuldenaufnahmen nun mit EU-Geld finanziert würden.
Bei anderen Ländern ist Giegold optimistischer. Spanien zum Beispiel werde die Chance der "Zukunftsorientierung" beim Wiederaufbau wohl ergreifen. Der Zusammenbruch der Tourismusindustrie habe ein Schlaglicht auf die strukturellen Mängel der Volkswirtschaft geworfen: Mehr Forschungsfinanzierung, Qualifizierungsmaßnahmen auf dem Arbeitsmarkt sowie Reformen im Renten- und Sozialsystem seien dringend notwendig.
Italien profitiert
In Italien war wegen der Pläne für den Wiederaufbaufonds vor zehn Tagen die Regierung Conte gestürzt. Jedenfalls hatte ein Koalitionspartner sie als Vorwand genutzt, um das Bündnis aufzukündigen. Jetzt setzt die EU ihre Hoffnung auf ein Expertenteam unter Führung des früheren EZB-Präsidenten Mario Draghi.
"Das ist eine sehr positive Entwicklung," freut sich Zsolt Darvas vom Wirtschaftsforschungsinstitut Bruegel in Brüssel. Italien wird einer der grössten Profiteure des Wiederaufbaufonds sein: Nach bisheriger Planung bekommt es über 200 Milliarden Euro, davon 65 Milliarden an Zuschüssen.
Die Beschlüsse über den Wiederaufbaufonds und seine Verteilung wurden bereits im vergangenen Jahr gefällt. Damals galt Italien als eines der am schwersten betroffenen Länder, inzwischen liegen Portugal und Spanien sowie Frankreich weit oben bei den Corona-Schäden.
Nach Einschätzung von Ökonom Zsolt Darvars dürfte die Verteilung zwischen den Mitgliedsländern noch leicht korrigiert werden, weil die Wirtschaftsleistung vom Stand Sommer 2020 noch berücksichtigt wird. Spanien werde also etwas mehr Geld bekommen, Italien etwas weniger.
Auch Draghi brauche die Zustimmung des Parlaments für seine überarbeiteten Pläne, erinnert der Ökonom Zsolt Darvas, aber der Regierungsauftrag an ihn eröffne jedenfalls eine Chance für das Land, das Geld vernünftig zu verwenden.