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KonflikteAfrika

Was macht der ukrainische Geheimdienst in Afrika?

Igor Burdyga | Wendy Bashi
31. Juli 2024

Die russische Privatarmee Wagner hat in Mali erhebliche Verluste erlitten. War der ukrainische Militärgeheimdienst HUR daran beteiligt? Er gehört zu den neuen Gegnern der Wagner-Gruppe in Afrika.

Demonstranten in Bamako, der Hauptstadt Malis, danken auf einem Plakat der "Wagner-Gruppe". Die Aufschrift auf dem weißen Plakat lautet: "Merci Wagner"
Demonstranten in Bamako, der Hauptstadt Malis, danken der russischen Söldnergruppe WagnerBild: Florent Vergnes/AFP/Getty Images

Die Niederlage der Wagner-Gruppe gegen Tuareg-Rebellen in Mali gehört zu den schwersten seit langem. So lautet der eindeutige Tenor in den Telegram-Kanälen, die der Gruppe nahestehen.

Dort heißt es: Die Niederlage in Mali sei die schwerste, die die Wagner-Gruppe - außerhalb ihrer Einsätze im Krieg gegen die Ukraine - seit Februar 2018 erlitten habe. Damals zerstörten Hubschrauber der US-Armee einen ähnlichen Konvoi nahe der syrischen Stadt Khasham.

Die Söldner der russischen Privatarmee waren von den Tuareg-Rebellen am 27. Juli getötet worden. An der nordöstlichen Grenze des Landes, nahe der algerischen Stadt Tin Zaouatine, löschten sie einen ganzen Konvoi aus, nahmen Gefangene und zerstörten Fahrzeuge.

Tuareg-Rebellen bei einem Treffen der Miliz im März 2020 in der Wüste in der Nähe der Siedlung Menaka in BaliBild: Souleymane Ag Anara/AFP/Getty Images

Die Koalition der Tuareg-Rebellen operiert im Norden Malis unter dem Namen "Strategischer Rahmen zur Verteidigung des Volkes von Azawad". Die Söldner der russischen Privatarmee Wagner-Gruppe hatten in den vergangenen Jahren aufseiten der malischen Regierung gekämpft.

Woher kommt die ukrainische Spur?

Zu den bestätigten Toten gehört Nikita Fedjanin, Autor des Telegram-Kanals "Grey Zone" mit über einer halben Million Abonnenten.

Fedjanin berichtet über die Wagner-Gruppe. Seit dem 20. Februar gab es in dem Kanal mehrere Beiträge über die Offensive im Nordosten Malis.

Der jüngste Post zeigt eine Gruppe von Söldnern vor einem Panzerwagen des Typs "Typhoon".

Unterdessen berichtete der russische Propaganda-Sender RT, Fedjanin habe dem Sender angeblich Fotos übergeben. Diese würden beweisen, dass die Tuareg-Separatisten von Mitarbeitern des ukrainischen Militärnachrichtendienstes (HUR) geschult würden. 

Die Schulungen umfassten laut RT den Einsatz von Aufklärungs- und Angriffsdrohnen. Der russische Sender zeigte aber nur ein Foto eines Kämpfers vor einem Hubschrauber mit bedecktem Gesicht und einem ukrainischen Abzeichen auf seiner Uniform.

Ein weiteres Foto veröffentlichte kurz darauf die ukrainische Zeitung Kyiv Post. Auf diesem sind bewaffnete Männer mit Flaggen des nicht anerkannten Tuareg-Staates Azawad und der Ukraine zu sehen.

Wird die Tuareg-Miliz in Mali von der Ukraine militärisch unterstützt? Bild: Souleymane Ag Anara/AFP

Einige der Männer, deren Gesichter unkenntlich gemacht sind, tragen jedoch keine traditionellen Tuareg-Kopftücher und könnten, so die Zeitung, ukrainische Militärs sein.

Ferner wird auf Profilen beim sozialen Netzwerk X, die wahrscheinlich den Azawad-Rebellen nahestehen, unter anderem angeboten, gefangene Söldner an Kiew zu übergeben. Auch wird der Nationalgarde der Ukraine für Drohnen gedankt.

Schließlich bestätigte Andrij Jussow vom HUR, dass der ukrainische Militärgeheimdienst an dem Angriff auf die Wagner-Söldner in Mali beteiligt war.

"Die Rebellen erhielten nötige Informationen, und nicht nur Informationen, was es ihnen ermöglichte, eine erfolgreiche Militäroperation gegen russische Kriegsverbrecher durchzuführen", sagte er am 29. Juli.

Das Gebäude des militärischen Nachrichtendienstes HUR, der dem ukrainischen Verteidigungsministerium untersteht, in KiewBild: Dmitry Trikutko/Wikipedia

Was machen die Ukrainer in Mali?

Die Ukraine und Mali nahmen 1992 diplomatische Beziehungen auf, doch die Kontakte waren spärlich. Auch der bilaterale Handel war laut ukrainischen Statistiken unbedeutend und erreichte nur rund 41 Millionen US-Dollar im Jahr 2021. Zwischen 2012 und 2019 gab es den Versuch eines Abkommens über militärisch-technische Zusammenarbeit, doch es blieb bei Entwürfen.

Ukrainische Militärs und zivile Fachkräfte waren aber an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA) beteiligt - seit 2016 mit einem Sanitätshubschrauber und 2019 kamen 20 Soldaten und sechs MI-8-Hubschrauber hinzu. Sie verließen jedoch letztes Jahr aufgrund der Beendigung der UN-Mission das Land.

Seitdem war von einer ukrainischen Militärpräsenz in Mali nichts mehr zu hören. "Wir brauchen etwas Zeit, um zu analysieren und zu bestätigen, wer hinter den Angriffen auf die malische Armee und die russischen Gruppen steckt", sagt Jean Francois Marie Camara von der Universität für Rechtswissenschaften in Bamako im DW-Gespräch.

Die Gruppen argumentierten, sie seien da, um Mali bei der Bewältigung der wachsenden Gefahr zu helfen. "Ich denke jedoch", so Camara, "dass die Ukraine und ihre Verbündeten alles tun, um Russland zu untergraben und versuchen, es in wirtschaftlicher Hinsicht zu schwächen."

Bundeswehr-Soldaten holen die deutsche Fahne im Camp in Gao in Mali ein. Deutschland hat den UN-Einsatz in dem westafrikanischen Land, der im Dezember 2023 beendet wurde, unterstütztBild: Nana Ehlers/Bundeswehr/dpa/picture alliance

Wagner-Söldner statt Friedenstruppen

Die UN-Mission MINUSMA wurde durch eine Resolution der Vereinten Nationen im Jahr 2013 geschaffen, um den damaligen brüchigen Frieden zwischen der Regierung und den Tuareg-Rebellen zu retten. Außerdem sollten dadurch dschihadistische Gruppen mit Verbindungen zu Al Kaida und dem Islamischen Staat bekämpft werden.

Allerdings bestand die Militärjunta, die in Mali nach einem Putsch 2021 an die Macht kam, darauf, dass die UN-Friedenstruppen das Land verlassen. Die UN-Mission wurde deshalb im Juni 2023 eingestellt.

Die Tuareg-Koalition verurteilte diesen Schritt, da sie darin die Absicht der Junta sah, die friedliche Beilegung des Konflikts zu stoppen. Sie kehrte zum bewaffneten Kampf für die Unabhängigkeit von Azawad zurück.

Um die Koalition der Tuareg-Rebellen zu bekämpfen, beschloss die malische Junta unter Oberst Assimi Goita, die russische "Wagner-Gruppe" zu engagieren. Sie war in der Region schon bekannt - durch Einsätze im benachbarten Burkina Faso, Nigeria, Guinea und in anderen Ländern Afrikas.

Die Wagner-Söldner werden in diesen Staaten sowohl von privaten Bergbaufirmen, darunter russischer Herkunft, angeheuert, als auch von Regierungen. Internationale humanitäre Organisationen und westliche Geheimdienste haben den Söldnern wiederholt brutale Massaker an Zivilisten vorgeworfen.

Eine Aufnahme des französischen Militärs zeigt russische Wagner-Söldner in MaliBild: French Army/AP/picture alliance

Nach dem gescheiterten Aufstand des Wagner-Gründers Jewgenij Prigoschin wurden die Einheiten der Gruppe als Teil des sogenannten "Afrikanischen Korps" dem russischen Verteidigungsministeriums unterstellt.

Ukrainischer Militärgeheimdienst auf der Jagd

Zu den Gegnern der Wagner-Gruppe in Afrika ist in den letzten Jahren der ukrainische Militärgeheimdienst hinzugekommen.

"Wir führen Operationen durch, um das militärische Potenzial Russlands zu schwächen, wo immer das möglich ist. Warum sollte Afrika eine Ausnahme sein?", sagte Kyrylo Budanow, Chef des HUR, im April der Washington Post.

Damals gab er auch erstmals Details einer Operation im Sudan vom Herbst 2023 bekannt. Laut Wall Street Journal bat der Chef des Übergangsrats des Landes, Abdel Fattah al-Burhan, Kiew um Hilfe.

So sollen ihm etwa hundert HUR-Männer bei der Evakuierung aus der Hauptstadt Khartum geholfen haben. Diese war von Kämpfern der "Schnellen Unterstützungskräfte" umzingelt, einer einstigen regierungsnahen Milizeinheit aus Bürgern meist arabischer Herkunft, die auch als "Dschandschawid" bekannt ist.

Mali: Schleppender Friedensprozess

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"Russische Präsenz im Sudan stören"

Mit ihr arbeitete die "Wagner-Gruppe" seit mindestens 2020 zusammen, als ihre Kämpfer das Ölfeld El Sharara im benachbarten Libyen eroberten.

Die ukrainischen Einheiten waren im Herbst im Sudan damit beschäftigt, die Logistik der Rebellen zu unterbrechen, die Straßen nach Khartum zu verminen und nächtliche Angriffe mit Drohnen durchzuführen.

"Unser Ziel war es nie, einzelne Wagner-Söldner zu verfolgen. Ziel war, die russischen Interessen im Sudan zu stören", sagte ein ukrainischer Geheimdienstler dem Wall Street Journal.

In den Jahren 2023 und 2024 äußerte sich der HUR auch zur Präsenz der "Wagner-Gruppe" in anderen afrikanischen Ländern. Er warnte vor möglichen Provokationen und dem Auftauchen westlicher Waffen in Afrika, die die Russen im Krieg in der Ukraine erbeutet hätten.

"Sollte sich die Beteiligung ukrainischer Kräfte in Mali bestätigen, dann bedeutet dies, dass sich der russisch-ukrainische Konflikt nicht auf ukrainisches Territorium beschränkt, sondern sich auch an andere Orte, insbesondere nach Afrika, verlagert", so die Afrika-Expertin Nina Wilen von der Brüsseler Denkfabrik Egmont-Institut im DW-Gespräch.

Adaption aus dem Ukrainischen: Markian Ostaptschuk

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