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Was eine Ausstellung zu Deutschland über Briten verrät

7. Oktober 2016

Die Ausstellung "Germany: Memories of a Nation" war für Briten bestimmt - nun wird sie in Berlin gezeigt. Sie fokussiert die deutsche Vergangenheit - und offenbart Erklärungsansätze für aktuelle Themen, wie den Brexit.

Flagge von Großbritannien an der Siegessäule in Berlin
Bild: picture-alliance/dpa/S. Pilick

Vor zwei Jahren lief mit großem Erfolg die Ausstellung "Memories of a Nation" im British Museum in London. Dazu erschien Neil MacGregors gleichnamiges Buch und im BBC Radio liefen etliche Sendungen zum Thema. Nun holt das Martin-Gropius-Bau Museum den Britischen Blick auf Deutschland nach Berlin - und eröffnet damit ganz neue Möglichkeiten des Dialogs zwischen dem Vereinigten Königreich und Deutschland.

Objekte erzählen Geschichten

Rund 200 Objekte stehen stellvertretend für 600 Jahre deutsche Geschichte. Die richtigen Exponate zu wählen sei gar nicht so einfach gewesen, meint Barrie Cook, Kurator der Ausstellung, im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Zunächst haben wir lange Listen der Werke erstellt, die das British Museum bereits besitzt, und das sind wahrscheinlich einige Millionen deutsche Objekte - vor allem Drucke und Münzen." Am schwierigsten sei es gewesen, ein Objekt zu finden, das für den Holocaust stehen sollte, erklärte Neil MacGregor der versammelten Presse im Berliner Museum am Freitag (7.10.2016). Schließlich habe man sich auf das Eingangstor zum KZ Buchenwald geeinigt - mit der Inschrift "Jedem das Seine."

Der britische Kunsthistoriker Neil MacGregor im Martin-Gropius-BauBild: Getty Images/AFP/A. Berry

Der Spruch war bis dahin eher positiv besetzt und erschien zum Beispiel im Titel einer Bach-Kantate. Symbolisch sei auch die Wahl des Ortes für das KZ gewesen: nahe Weimar, einst das intellektuelle Zentrum Deutschlands. Dieser Gegensatz, so MacGregor, sei "die größte Frage des 20. Jahrhunderts."

Flüchtlinge damals und heute

Die Organisatoren wollten allerdings nicht, dass der Holocaust die gesamte Ausstellung überschattet, erklärt Cook. "Wir wollten einen Kontext schaffen für die unterschiedlichsten deutschen Erinnerungen und Vermächtnisse." Die deutsche Nazi-Vergangenheit sei Besuchern der Londoner Ausstellung 2014 bestens bekannt gewesen, berichtet MacGregor - dagegen waren ihnen andere Aspekte völlig unbekannt: Für die britischen Besucher sei das interessanteste Objekt ein Bollerwagen gewesen, so MacGregor, den deutsche Vertriebene nach dem Zweiten Weltkrieg, vollgepackt mit ihren Habseligkeiten, hinter sich herzogen. Die Vorstellung, dass 12 bis 14 Millionen Deutsche ihre Heimat verlassen mussten und nach Deutschland zogen, war für die Briten so, als "würde ganz Australien ins Königreich zurückkommen", meint MacGregor.

Fließende Grenzen

Ein weiterer Aspekt faszinierte die Ausstellungsmacher: das Verschieben von Grenzen, und was das für die Identität eines Menschen bedeutet. Für die Briten, so MacGregor, seien die Grenzen ihrer Insel vorgegeben.Die Ausstellung beleuchtet vier Städte, die einmal deutsch waren: Königsberg (das heutige Kaliningrad), Prag, Basel und Straßburg. "Diese Städte sind nicht mehr deutsch, aber ihre Geschichte ist es schon", erklärt MacGregor.

Bei der Eröffnung (v.l.n.r.): Barrie Cook, Kurator der Ausstellung, Gereon Sievernich, Direktor des Martin-Gropius-Bau, Thomas Oberender, Direktor der Berliner Festspiele, Neil MacGregor Bild: Getty Images/AFP/A. Berry

Mit Hilfe eines einzigen Bildes aus der Ausstellung verdeutlicht MacGregor noch einen signifikanten Unterschied zwischen dem Vereinigten Königreich und Deutschland: Um 1700 gab es in den deutschen Ländern viele verschiedene Währungen, während es in England nur eine gab, das Pfund. Für die Briten mit ihrer Zentralregierung sei der deutsche Föderalismus schwer nachvollziehbar.

Den Brexit verstehen

"Vieles von dem, was wir hier zeigen - Dinge wie die politische Fragmentierung Deutschlands, die vielen Bundesländer, dass es keine alles dominierende Hauptstadt gibt - ist für einen Briten sehr merkwürdig", meint MacGregor. Mit dem Brexit hat "Erinnerungen einer Nation" nichts zu tun, aber dennoch: Der Gegensatz der Machtstrukturen in Deutschland und Großbritannien, den die Ausstellung deutlich mache, erkläre die gegenwärtige Situation, meint MacGregor. "Die Geschichte zeigt, dass Gewaltenteilung für Briten unüblich ist, dass sie ihnen Angst macht."

Die Ausstellung "Der Britische Blick: Deutschland - Erinnerungen einer Nation" im Martin-Gropius-Bau läuft vom 8. Oktober bis 9. Januar 2017.