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PolitikEuropa

Scheinreferenden in der Ukraine - was Putin erreichen will

Roman Goncharenko
21. September 2022

Die von Russland besetzten Gebiete im Osten und Süden der Ukraine sollen per Scheinreferenden angeschlossen werden. Der Vorgang erinnert an die Annexion der Krim 2014, doch es gibt auch Unterschiede.

Ukraine Cherson | Russische Plakate und Werbung
"Russen und Ukrainer sind ein Volk" steht auf diesem Plakat im ukrainischen ChersonBild: Sergei Malgavko/TASS/dpa/picture alliance

Erste Absichtserklärungen gab es im Frühling, nun will Russland im Eilverfahren die besetzten Gebiete im Süden und Osten der Ukraine annektieren. Die Abstimmungen über den Anschluss sollen gleichzeitig in den Regionen Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischja stattfinden und mehrere Tage lang, vom 23. bis zum 27. September, abgehalten werden. Russlands Präsident Wladimir Putin legte in einer Ansprache am Mittwoch nahe, Moskau werde die Ergebnisse anerkennen.

Präsident Putin bei seiner Ansprache am 21. September 2022Bild: AdrienFillon/ZUMA Wire/IMAGO

Wie auch bei der Krim-Annexion 2014 legt Russland Wert darauf, unbeteiligt zu erscheinen. Es sind von Moskau eingesetzte und militärisch unterstützte lokale ukrainische Politiker, die die sogenannten "Referenden" angekündigt haben. Ähnlich wie im Fall Krim vor acht Jahren wurde die Abstimmung vorgezogen. Zuvor wurde der 4. November als mögliches Datum genannt. In der Ukraine sind regionale Referenden verboten. Unabhängige Wahlbeobachtungen wird es nicht geben - wie auf der Krim.

Abstimmung mit Polizeibegleitung

Soweit die Parallelen - doch die Unterschiede überwiegen. Bei Donezk und Luhansk handelt es sich um Separatistenrepubliken, die seit 2014 faktisch unter russischer Kontrolle stehen und kurz vor dem Einmarsch im Februar von Putin als unabhängige Staaten anerkannt wurden. Die Gebiete Cherson und Saporischja dagegen wurden erst zu Beginn der Invasion fast vollständig oder teilweise von Russland besetzt. In allen vier Regionen wird bis heute gekämpft. Auch in den bis vor wenigen Tagen besetzten Gebieten östlich von Charkiw war ein Scheinreferendum geplant. Die erfolgreiche ukrainische Gegenoffensive konnte das offenbar verhindern.

Bei den Abstimmungen soll es regionale Unterschiede geben, berichten russische Medien. In Donezk und Luhansk steht nur eine Frage auf dem Zettel: Beitritt zur Russischen Föderation "ja" oder "nein". In Cherson und Saporischja sollen drei Fragen gestellt werden, die nur zusammen mit "ja" oder "nein" beantwortet werden können: Austritt aus der Ukraine, Gründung eines unabhängigen Staates und Beitritt zu Russland. Abgestimmt wird auch in Russland selbst, wohin hunderttausende Ukrainer seit 2014 geflüchtet sind. Ein Großteil, mehrere Millionen, flüchtete jedoch in die von Kiew kontrollierten Regionen der Ukraine.

Eine elektronische Wahl ist nicht vorgesehen. Im Gebiet Saporischja sollen unter anderem mobile Wahlteams mit Polizeibegleitung Hausbesuche machen, sagte am Dienstag der von Russland eingesetzte Verwaltungschef Jewgeni Balizki in einem Interview mit dem staatlichen russischen Sender Rossija-24.

Russlands Ziele bei den Scheinreferenden

Nachdem der Anschluss formalisiert sein wird, sollen Kämpfer aus Donezk und Luhansk in die russische Armee aufgenommen werden. Anders lautet Moskaus Plan für Cherson und Saporischja: Dort werden Freiwillige rekrutiert. Der Anschluss der neuen Gebiete würde Russland die Möglichkeit geben, "alle Kräfte zur Selbstverteidigung" einzusetzen, schrieb der frühere Präsident Dmitri Medwedew in seinem Telegram-Kanal. Viele Beobachter interpretierten das als eine Drohung mit Atomwaffen. Allerdings gab es im Sommer einen ukrainischen Angriff auf einen russischen Militärflughafen auf der annektierten Krim, der keine unmittelbare Reaktion Russlands zur Folge hatte.

Besetzte Stadt Lysytschansk im Gebiet Luhansk im Juli 2022Bild: Stanislav Krasilnikov/ITAR-TASS/IMAGO

Der russische Politologe Dmitri Oreschkin meint im Gespräch mit der DW, dass Russlands ursprünglicher Plan einer scheinbar geordneten Abstimmung verworfen wurde. Diese Abstimmung "während des Krieges, bei der fast die Hälfte der Bevölkerung geflüchtet ist", sei nicht ernst zu nehmen.

Umfrage 2019: keine Mehrheit im Donbass für Anschluss 

Über die aktuelle Stimmung in den von Russland besetzten Gebieten der Ukraine gibt es keine zuverlässigen Angaben. In einer Umfrage im Auftrag des Berliner Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien (ZOiS) sprach sich 2019 weniger als die Hälfte der Bewohner der Separatistengebiete Donezk und Luhansk für einen Anschluss an Russland aus - insgesamt waren es rund 45 Prozent. Dabei unterstützen viele Befürworter einen Autonomie-Status - rund 27 Prozent. Für eine Rückkehr zur Ukraine plädierten damals 54 Prozent der befragten Menschen in diesen beiden Regionen.

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