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Politik

Wer kämpft im Jemen gegen wen?

Dennis Stute31. März 2015

Wer kämpft im Jemen gegen wen? Was wollen die Huthi-Rebellen? Welche Rolle spielt die Terrororganisation Al-Kaida? Was können die Luftschläge der arabischen Staaten ausrichten? Ein Überblick.

Huthi-Rebellen protestieren in Sanaa gegen die Luftangriffe (Foto: EPA)
Bild: picture-alliance/dpa/Yahya Arhab

Wer kämpft gegen wen?

Die gängige Darstellung lautet: Saudi-Arabien und weitere Länder unterstützen den international anerkannten Präsidenten Abd-Rabbu Mansur Hadi mit Luftschlägen gegen Huthi-Milizen. Tatsächlich aber wird der Bürgerkrieg durch mehrere, quer verlaufende Konfliktlinien bestimmt. So sind Armee und Verwaltung der Zentralregierung gespalten: Ein Großteil unterstützt nicht den nach Saudi-Arabien geflohenen Hadi, sondern ist nach wie vor loyal gegenüber dem 2012 gestürzten langjährigen Diktator Ali Abdullah Saleh, der sich auf die Seite der Huthi geschlagen hat.

Gespalten ist auch die Gesellschaft im 1990 aus Nord- und Südjemen wiedervereinigten Land: Im einstmals sozialistischen Süden fühlen sich viele Bürger gegenüber dem Norden benachteiligt und unterstützen die Sezessionsbewegung. Hier verfügt auch "Al-Kaida auf der arabischen Halbinsel" (AQAP) über starke Strukturen; der jahrelange Drohnenkrieg der USA hat wenig dagegen ausrichten können. Eine konfessionelle Komponente erhält der Konflikt dadurch, dass im Norden überwiegend schiitische Saiditen, denen auch die Huthi angehören, im Süden dagegen sunnitische Schafeiten leben. Rivalisierende Stämme unterstützen aus ganz unterschiedlichen und auch wechselnden Motiven die eine oder andere Seite. Spätestens mit der Intervention sunnitischer arabischer Staaten wird im Jemen nun auch ein regionalpolitischer Konflikt ausgetragen: Der Jemen, traditionell "Hinterhof" Saudi-Arabiens, könnte durch den Vormarsch der Huthi unter den Einfluss des Iran gelangen. Bei den gegenwärtigen Kämpfen stehen auf der einen Seite im Wesentlichen die Huthi-Bewegung und große Teile der Sicherheitsorgane, während auf der anderen Seite vor allem Volkskomitees, Stämme und Al-Kaida kämpfen, unterstützt von Luftschlägen der Interventionsmächte. "Die Volkskomitees sind stark fragmentiert: Manche unterstützen Hadi, andere kämpfen für die Unabhängigkeit des Südens", sagt Mareike Transfeld von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

Huthi-Rebellen mit einem Porträt des Anführers Abdulmalik al-HuthiBild: picture-alliance/epa/Y. Arhab

Wer sind die Huthi?

Die Huthi-Miliz, die sich selbst "Ansar Allah" nennt, rekrutiert sich aus schiitischen Saiditen und stammt aus dem bergigen Grenzgebiet zu Saudi-Arabien. Bis zur Revolution 1962 hatte ein Imamat der Saiditen mehr als 1000 Jahre den Nordjemen beherrscht, danach fühlten sie sich zunehmend marginalisiert. Gegen den Versuch der Zentralregierung, die saiditische Glaubenspraxis der sunnitischen anzupassen, formierte sich Widerstand, der sich 2004 zu einem bewaffneten Konflikt entwickelte, in dem bis 2010 tausende Menschen getötet wurden. Als 2011 Massenproteste den Diktator Saleh stürzten, waren die Huthi maßgeblich beteiligt. Dennoch wurde in der Folge ohne Huthi-Beteiligung eine Regierung der nationalen Einheit um den ehemaligen Vizepräsidenten Hadi gebildet. Die Huthi werden vom Iran unterstützt. Die Hilfe komme mit Schiffen und Flugzeugen ins Land, sagt etwa der jemenitische Politologe Walid al-Saqaf, der an der Universität Stockholm forscht.

Was wollen die Huthi?

"Gott ist groß, Tod Amerika, Tod Israel, Verdammung den Juden, Sieg dem Islam", so heißt es im Logo der Miliz um den Anführer Abdulmalik al-Huthi. In ihren Verlautbarungen brandmarken sie die Korruption der vertriebenen Elite und einen "sunnitischen Extremismus". Nachdem die Huthi im September die Hauptstadt besetzt hatten, zwangen sie Präsident Hadi und seine Regierung Anfang des Jahres zum Rücktritt und bildeten eine eigene Übergangsregierung. Auslöser war ein Verfassungsentwurf, der eine Aufteilung des Landes in sechs föderale Regionen vorsah und den Huthi ein isoliertes Gebiet ohne Zugang zum Meer zuwies. Offenbar verfolgt die Bewegung nun das Ziel, den gesamten Jemen zu beherrschen. Die problemlose Einnahme der Hauptstadt Sanaa habe bei den Anführern zu Selbstüberschätzung geführt, glaubt Mareike Transfeld von der SWP. "Mit dem Eindringen der Huthi in den Süden hat der Konflikt eine neue Dimension bekommen", sagt Transfeld. "Die Huthi glauben, den ganzen Jemen kontrollieren zu können, aber merken gerade, dass sie es im Süden nicht leicht haben und auf Widerstand von Al-Kaida, den Volkskomitees und verschiedenen Stämmen stoßen." Zudem ist der Jemen, in dem die Hälfte der Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt, so stark von ausländischer Hilfe abhängig, dass jede Regierung internationale Anerkennung braucht.

Nasser bin Ali al-Ansi, ein AQAP-Führer, bekennt sich in einem Propaganda-Video zu dem Anschlag auf die Satire-Zeitschrift Charlie HebdoBild: Reuters/YouTube

Welche Rolle spielt Al-Kaida?

Die AQAP gilt als der gefährlichste Arm Al-Kaidas. Die Terrorgruppe, die Teile des Südens kontrolliert, betrachtet sowohl Präsident Hadi wegen dessen Unterstützung der US-Drohnenangriffe als auch Saudi-Arabien und die Huthi als Feinde. Wegen der Fragmentierung der Gruppen im Süden sei es Al-Kaida gelungen, beim Kampf gegen den Huthi-Vormarsch im Südjemen eine wichtige Rolle zu spielen, sagt Mareike Transfeld. "Es lassen sich nur noch schwer klare Trennlinien zwischen Al-Kaida, den Volkskomitees und anderen Milizen ziehen." Berichten zufolge ist es der AQAP gelungen, sich als effektive Kraft gegen die Huthi zu profilieren und so zahlreiche neue Kämpfer zu rekrutieren. Im Verlauf der Kämpfe sollen zudem mehrere hundert Al-Kaida-Kämpfer aus einem Gefängnis in Aden entkommen sein. Zu den Selbstmordanschlägen auf schiitische Moscheen in Sanaa, bei denen am 20. März mehr als 140 Menschen getötet wurden, bekannte sich allerdings die Terrororganisation "Islamischer Staat".

Saudische Truppen an der Grenze zum JemenBild: AFP/Getty Images

Welche Ziele verfolgt die Intervention?

Saudi-Arabien hatte die Übergangsregierung von Präsident Hadi mit massiven Finanzhilfen gestützt. Als sich die Einnahme der Hafenstadt Aden, in die Hadi vor den Rebellen geflohen war, abzeichnete, entschloss sich Saudi-Arabien mit Unterstützung von Staaten des Golf-Kooperationsrates sowie Ägypten und weiteren Ländern am 26. März zur Intervention. Bis zu 185 Kampfjets fliegen seither Luftangriffe, die USA steuern Logistik und Aufklärung bei. "Wir werden diese Operation so lange fortsetzen, bis wieder Sicherheit und Stabilität im Jemen herrschen", erklärte der saudische König Salman. Nach Angaben von Diplomaten rechnen die Interventionsmächte mit einem monatelangen Einsatz. Auch eine Bodenoffensive, wie von der entmachteten jemenitischen Regierung gefordert, schließt Riad nicht aus. Beobachter sehen in dem Einsatz einen Stellvertreterkrieg zwischen der sunnitischen Führungsmacht Saudi-Arabien und dem schiitischen Iran. Der Jemen reiht sich damit ein in andere Kämpfe um die Vorherrschaft in der Region: Im Libanon unterstützt Riad die sunnitsche Zentralregierung und Teheran die schiitische Hisbollah-Miliz, in Syrien erhält die Assad-Regierung iranische Hilfe und die sunnitischen Rebellen saudische.

Ein durch Luftschläge zerstörtes Fahrzeug in AdenBild: Reuters/Mansour

Besteht eine Chance auf eine Beilegung des Konfliktes?

Beide Seiten haben bislang wenig Interesse erkennen lassen, den Konflikt mit Verhandlungen auf Augenhöhe friedlich zu lösen. Ob er sich - mit oder ohne Bodentruppen - militärisch entscheiden lässt, ist umstritten. "Es wäre falsch, darauf zu hoffen, dass der Jemen durch die Militärintervention stabilisiert wird", sagt Mareike Transfeld von der SWP. Sie verweist unter anderem darauf, dass der Einsatz, der sich gegen die Huthi-Rebellen richtet, derzeit vor allem Militäreinrichtungen zum Ziel hat - und so den Sicherheitsapparat des Landes zerstört, der auch gegen Al-Kaida eingesetzt wurde. "Man müsste nach der Intervention mit saudischen Mitteln einen völlig neuen Sicherheitsapparat aufbauen", sagt die Expertin. Das Beispiel Afghanistan habe aber gezeigt, wie schwer es ist, einen vollends gescheiterten Staat ohne Armee und staatliche Strukturen wieder aufzubauen.

Dennis Stute

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