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Was Sie über Menschenaffen noch nicht wussten

Brigitte Osterath15. April 2016

Bonobos sind Schniefnasen, Gorillas fluchen gerne und beide Arten haben die gleichen Blutgruppen wie wir. Unsere Geschichten über Menschaffen werden Sie erstaunen - versprochen.

Gorilla Congo
Bild: Christopher Michel / CC BY 2.0

Sie wissen schon alles über Menschenaffen? Das habe ich auch gedacht. Aber dann nahm ich an einer Führung durch das neue Menschenaffenhaus in der Wilhelma teil, dem zoologisch-botanischen Garten in Stuttgart. Und schnell wurde mir klar: Diese faszinierenden Tiere haben noch viele Geschichten zu erzählen - oder vielmehr ihre Pfleger. Hier sind ein paar davon.

1. Gleiche Blutgruppen

Menschenaffen haben die gleichen Blutgruppen wie wir: A, B, AB oder 0. Diese Varianten sind vor mehr als 20 Millionen Jahren entstanden; Menschen und alle Menschenaffen haben sie daher gemein. Diese Blutgruppen kommen sogar bei vielen niederen Affenarten vor, etwa bei Gibbons. Auch der Rhesusfaktor ist nicht typisch menschlich.

Theoretisch könnten Schimpansen, Gorillas und Co. uns daher Blut spenden und umgekehrt auch wir den Tieren - vorausgesetzt natürlich, dass die Blutgruppe die gleiche ist. Denn die AB0-Varianten und der Rhesusfaktor sind die wichtigsten Blutmerkmale, die über Erfolg und Misserfolg einer Bluttransfusion entscheiden.

Allerdings ist das mit der Blutspende in der Realität dann doch nicht so einfach. Menschen und Affen sind unterschiedliche Arten, ihr Blut unterscheidet sich daher immer noch in vielen Einzelheiten. Man müsste diese Unterschiede erst einmal verstehen lernen.

In vielen Zoos wie hier in Berlin erarbeiten sich Menschenaffen ihr Essen mit Werkzeug an einer StocherboxBild: picture-alliance/dpa/Zoo Berlin

2. Bonobos sind Schniefnasen

Die friedfertigen Menschenaffen mit der zierlichen Statur reagieren sehr empfindlich auf Atemwegserkrankungen und fangen sich leicht Erkältungsviren ein. "Sie sind ständig am Husten und Rumrotzen", drückte es ein Zoomitarbeiter aus. Daher haben sie im Stuttgarter Zoo striktes Ausgehverbot, sobald das Wetter etwas kühler ist: Dann ist das Außengehege tabu. Menschenaffen können sich auch leicht beim Menschen mit einer Grippe oder Erkältung anstecken.

3. Warum Menschenaffen nicht sprechen können

Im Film "Planet der Affen" können Gorillas, Schimpansen und Orang-Utans so sprechen wie wir. Dass sie das in Wirklichkeit nicht tun, liegt daran, dass ihr Kehlkopf zu weit oben im Hals liegt und es daher nicht genug Platz zwischen Gaumensegel und Kehlkopf gibt - der Resonanzraum ist zu klein. Das ist beim Menschenkind, das noch nicht sprechen kann, übrigens genauso. Beim Menschenaffen können sich die Kehlkopfmuskeln und Stimmbänder außerdem nicht so frei und koordiniert bewegen wie beim Menschen.


4. Wie Menschenaffen mit Menschen kommunizieren können

Scans von Menschenaffengehirnen zeigen, dass die Tiere so eine Art Sprachzentrumsvorstufe besitzen. Vermutlich ist das der Grund, dass sie die menschliche Gebärdensprache lernen können. Einige Affen können mehr als tausend Gebärden anwenden und verstehen. So komplexe Sätze wie der Mensch formen sie natürlich nicht - aber sie kreieren beispielsweise neue Wörter. So kombinierte die Gorilla-Dame Koko in den USA die Gebärden für weiß und Tiger, um ein Zebra zu beschreiben: weißes Tier mit Streifen.

Andere Wortkonstruktionen, die Menschenaffen sich ausdachten, waren:

Ball + Bohnen => Erbsen

Flasche + Streichholz => Feuerzeug

Bellen + Himmel + Hund => Hubschrauber

Wie eine Zoomitarbeiterin erzählte, fluchen vor allem Gorillas gerne und oft, wenn man ihnen die entsprechenden Gebärden für Schimpfwörter beibringt.

Lachen, Furcht und Wut - alles Emotionen, die Menschenaffen genauso empfinden wie wirBild: picture-alliance/dpa/P.Knecht

5. Menschenaffen sitzen gern vor der Glotze

Im Stuttgarter Zoo untersucht die US-Primatologin Amy Parish, wie Bonobos auf Fernsehfilme reagieren. Im Gehege ist ein Fernsehbildschirm in die Wand eingelassen, und eine Stunde pro Tag gibt's großes Kino. Laut Zoomitarbeiterin sind die Affen begeistert: "Wir haben ihnen unsere Zoo-Doku 'Eisbär, Affe & Co' gezeigt - die fanden sie richtig gut!" An anderen Tieren seien sie sehr interessiert. Ärger gebe es nur, wenn der Zoo-Tierarzt in der Serie auftrete: "Dann flippen die Bonobos total aus, schütteln ihre Fäuste und schreien böse."


6. Abartig: Menschenaffen als Sexsklaven

Dass sie uns so ähnlich sind, hat für Menschenaffen auch Nachteile: Einige werden sexuell missbraucht. In Asien etwa fristen einige Orang-Utans in fragwürdigen Bordellen ein trauriges Leben.


7. Gefahr Wassergraben

Menschenaffen können nicht schwimmen. Daher müssen Zoos mit Wassergräben in Menschenaffengehegen vorsichtig sein: Die großen Tiere könnten schnell ertrinken. Die Wilhelma hat sich trotzdem für einen Wassergraben im neuen Menschenaffenhaus entschieden. Der ist allerdings mit Elektrodraht abgetrennt und hat einen Nichtschwimmerbereich. Hoffen wir mal, dass das gut geht.

8. Erstmal die Anti-Baby-Pille

Enge Mutter-Kind-Beziehung - auch bei Bonobos und anderen MenschenaffenBild: picture-alliance/dpa/H.Battefeld

Gorillaweibchen paaren sich für gewöhnlich nicht mit ihren nächsten Verwandten, also mit ihrem Vater oder ihren Brüdern. Stattdessen verlassen sie in der freien Natur, wenn sie das fortpflanzungsfähige Alter erreicht haben, ihre Gruppe. Sie suchen sich eine neue Gruppe mit einem Silberrücken, der ihnen gefällt - dem schließen sie sich an. Die Wahl liegt also bei den Frauen.

Sollen Gorillaweibchen in Gefangenschaft Nachwuchs bekommen, geben Zoos die Weibchen an andere Zoos ab, sobald die Tiere in die Pubertät kommen - eben aufgrund dieses Inzesttabus.

In der Wilhelma bekommen Gorillaweibchen, die neu eintreffen, die Anti-Baby-Pille. Denn die Tiere sollen zunächst miterleben, wie andere Gorillaweibchen Junge bekommen und sich um den Nachwuchs kümmern. Denn eine gute Mutter zu sein, ist bei Menschenaffen erlerntes Verhalten. Kinder großzuziehen ist eben nicht so einfach - auch für Menschenaffen nicht.

Dominante Orang-Utan-Männchen bekommen breite WangenBild: picture-alliance/dpa/C. Seidel

9. Backenwülste bei Orang-Utans

Bei Orang-Utans entwickeln die dominanten Männchen Backenwülste. Das sind diese ausufernden Strukturen im Gesicht. Orang-Utan-Weibchen stehen da voll drauf und lassen sich von Männchen mit Wangenwülsten lieber begatten. Schließlich zeigen Backenwülste, dass ein Männchen hoch oben in der Rangordnung steht, in der Gruppe also etwas zu sagen hat.

In der Wilhelma kam es vor einiger Zeit allerdings zu einem erstaunlichen Fall: Das ranghöchste Männchen wollte einfach keine Backenwülste ausbilden - keiner verstand weshalb. "Erst als der zuständige Zoopfleger für ein halbes Jahr weg war, hat dieser Orang-Utan seine Backenwülste bekommen", erzählt eine Zoomitarbeiterin.

Offensichtlich hatte der Pfleger die Rolle des dominanten Männchens ausgefüllt. Als der Zoomitarbeiter fehlte, stieg der Orang-Utan zum Ranghöchsten auf. Man kann sich vorstellen, dass das Ärger gab, als der Pfleger irgendwann zurückkehrte...

10. Engere Verwandtschaft, als viele glauben

Alle Lebewesen der Erde sind in Familien und Gattungen unterteilt. Schimpansen und Bonobos gehören zur Gattung Pan; Menschen sind die einzigen noch lebenden Vertreter der Gattung Homo. Beide Gattungen zählen zur Familie der Hominiden - den Menschenaffen. Taxonomisch sind Menschen also auch Menschenaffen.

Autorin Brigitte Osterath hat im Urwald Ugandas schon selbst einmal Berggorillas gesuchtBild: Rainer Dückerhoff

Über die Gattungen Pan und Homo streiten sich Wissenschaftler seit längerem. Viele sind der Ansicht, dass die Trennung in zwei Gattungen völlig willkürlich ist. Menschen, Schimpansen und Bonobos seien sich so ähnlich, dass sie eigentlich alle "Pan" oder alle "Homo" sein sollten. Aber wie man sich denken kann, stößt das einigen Menschen doch ziemlich auf. Daher bleibt es bei zwei verschiedenen Gattungen - vorerst zumindest.

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