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Politik

Was sind humanitäre Korridore?

Michel Penke
21. März 2022

Sie gelten als Atempause im Krieg und sollen humanitäre Katastrophen verhindern. Doch sie können auch missbraucht werden. Was humanitäre Korridore leisten können.

Ukraine-Krieg |  Evakuierung aus Mariupol | Busse mit provisorischer Aufschrift "Menschen" unterwegs
Unter anderem mit Bussen wurden Menschen aus der belagerten Stadt Mariupol +ber humanitäre Korridore evakuiertBild: President's Office/REUTERS

Seit Anfang März verhandeln die Kriegsparteien Russland und Ukraine immer wieder über humanitäre Korridore. Die Menschen in den von Russland belagerten ukrainischen Städten - wie Mariupol - brauchen dringend gesicherte Fluchtwege. Doch humanitäre Korridore erfordern ein Mindestmaß an Vertrauen. 

"In Mariupol spielen sich massive Kriegsverbrechen ab", sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell in Brüssel. Russland zerstöre die Ukraine ohne jeglichen Respekt für die Kriegsregeln. Nach russischer Darstellung befinden sich derzeit noch 130.000 Zivilisten in Mariupol. Der dortige Stadtrat hatte der Führung in Moskau zuletzt vorgeworfen, Einwohner gegen ihren Willen nach Russland gebracht zu haben. Russland behauptet immer wieder, nationalistische Kämpfer in der Ukraine würden die Korridore sabotieren. Die Ukraine wiederum wirft russischen Truppen vor, die Zivilisten auf der Flucht zu beschießen.

Was sind humanitäre Korridore?

Die Vereinten Nationen betrachten humanitäre Korridore als eine von mehreren Möglichkeiten, bewaffnete Auseinandersetzungen vorübergehend einzustellen. Es handelt sich um - zeitlich und örtlich begrenzt - entmilitarisierte Zonen, denen die Konfliktparteien zugestimmt haben. 

Wozu dienen sie?

ÜÜber diese Korridore sollen Lebensmittel und medizinische Hilfe in umkämpfe Gebiete geschafft oder Zivilisten in andere Regionen evakuiert werden. Sie sind vor allem dann notwendig, wenn Städte belagert werden und die Bevölkerung von der Versorgung mit Grundnahrungsmitteln, Strom und Wasser abgeschnitten ist. 

Wer richtet sie ein?

In den meisten Fällen werden humanitäre Korridore von den Vereinten Nationen ausgehandelt. Zuweilen entstehen sie auch auf Initiative lokaler, ziviler Organisationen. Zustimmen müssen letztlich aber die Konfliktparteien.

Wie sicher sind humanitäre Korridore?

Für gewöhnlich besteht großes Misstrauen zwischen den Kriegsparteien - gerade auch bezüglich humanitärer Korridore. Schließlich besteht die Gefahr des militär-politischen Missbrauchs. So können die Zonen von den Konfliktparteien zum Beispiel für den Schmuggel von Waffen und Treibstoff in belagerte Städte missbraucht werden. Außerdem können sie UN-Beobachtern, NGOs und Journalisten dazu dienen, Zugang zu umkämpften Gebieten zu bekommen. Auch dies ist nicht im Sinne der Angreifer, wenn dort beispielsweise Kriegsverbrechen verübt werden.

Zugang ins Krisengebiet: Das Rote Kreuz liefert Medikamente und Masken nach LuhanskBild: Alexander Reka/TASS/dpa/picture alliance

Wer erhält Zugang?

Zugang erhalten meist nur neutrale Akteure wie die UN oder Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz. Letztlich müssen sich auch darüber die Konfliktparteien einig werden. Sie bestimmen auch über die Dauer, das Gebiet und die Transportmittel, die eingesetzt werden dürfen: Lastwagen, Busse, Hubschrauber.

In seltenen Fällen werden humanitäre Korridore nur durch eine der Konfliktparteien organisiert. Dies geschah mit der amerikanischen Luftbrücke nach der Berlin-Blockade durch die Sowjetunion 1948 bis 1949.

Flüchtlinge aus der Ukraine gehen in Isaccea in Rumänien an Land Bild: Sabina Fati/DW

Wo wurden sie bisher genutzt?

Humanitäre Korridore werden seit Mitte des 20. Jahrhunderts genutzt. So zum Beispiel bei den sogenannten Kindertransporten 1938 bis 1939, bei denen jüdische Kinder aus Gebieten unter nationalsozialistischer Kontrolle nach Großbritannien evakuiert wurden. Auch in Bosnien während der Belagerung von Sarajewo 1992 bis 1995 und bei der Evakuierung der syrischen Stadt Ghouta 2018 wurden humanitäre Korridore errichtet.

Allerdings gibt es viele Kriege und Konflikte, bei denen die Forderungen nach zivilen Korridoren und Kampfpausen vergeblich sind. Im anhaltenden Krieg im Jemen zum Beispiel hat die UN dies mehrfach vergeblich versucht.

Dieser Artikel wurde erstmals am 5.3.2022 veröffentlicht und zuletzt am 21.3.2022 aktualisiert (jdw).

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