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Politik

Was steckt hinter Chinas "Nichteinmischung" in Afrika?

Mu Cui
3. September 2018

Zum Auftakt des China-Afrika-Gipfels hat Xi Jinping bekräftigt, dass Peking an Investitionen in Afrika keine politischen Bedingungen knüpft. Afrika-Experte Helmut Asche über das Für und Wider der chinesischen Politik.

Senegal Publikum bei Besuch von China Präsident Xi Jinping
Bild: Getty Images/AFP/Seyllou

DW: Inwieweit entspricht die Betonung von Seiten Chinas, dass es keine "politischen Bedingungen" bei seinem Wirtschaftsengagement in Afrika stellt, den Tatsachen?

Helmut Asche: Es trifft zu, dass China bis auf die mittlerweile marginale Frage der Nicht-Anerkennung Taiwans keine expliziten politischen Bedingungen stellt. Es  handelt sich formell um eine Art "Nicht-Eingriffspolitik", die aber in prominenten Fällen auf einen sehr deutlichen faktischen Eingriff hinauslaufen kann. So beim Machtwechsel in Simbabwe, wo vor nicht langer Zeit der Diktator Mugabe abgesetzt worden ist und die chinesische Regierung nie überzeugend hat dementieren können, dass der jetzige Präsident Mnangagwa vorher die Zustimmung Pekings eingeholt hat. Jeder weiß, dass die ZANU-PF, die Regierungspartei in Simbabwe, über Jahrzehnte massiv von China unterstützt worden ist. Man kann das nicht politische Bedingungen nennen, aber sehr wohl politische Einflussnahme.

Afrika-Experte Helmut Asche: In mancher Hinsicht können wir von China lernen Bild: Martin Langhorst

Warum betont China gleichzeitig, dass an die Zusammenarbeit keine politischen Bedingungen geknüpft würden? 

Ich glaube, das hat sehr stark damit zu tun, dass auch eine programmatische Nichteinmischung natürlich ex negativo sehr wohl eine Einflussnahme ist. Ich will auf das wichtigste Beispiel eingehen, das ist die Menschenrechtssituation in etlichen Ländern Afrikas, die sehr kritisch ist, und wo westliche Länder, gerade auch die Europäische Union und Deutschland, sich sehr wohl einmischen und sagen: So geht das nicht, wir binden unsere Entwicklungshilfe an eine Verbesserung der Menschenrechtssituation, und wenn die nicht eintritt, dann stoppen wir die Entwicklungshilfe bis auf Nothilfe oder humanitäre Hilfe. Diese Politik ist richtig, sie wird leider aufgrund der Migrationsfrage in letzter Zeit nicht mehr so konsequent durchgehalten,  beispielsweise gegenüber Ländern wie dem Sudan. Das unterscheidet sich sehr positiv von China, und dem versucht die chinesische Regierung ihre eigene Position entgegenzusetzen.

Beinhaltet diese Position mehr, als nur zu sagen: Wir mischen uns nicht ein?

Ja. Es ist eine indirekte Kritik an der europäischen Entwicklungspolitik, und es ist klar mit welchem Tenor: Kritisiert wird indirekt der "Neokolonialismus", den die Europäer und die Amerikaner in Koppelung mit ihrer Entwicklungshilfe nach wie vor praktizierten. Diesen neo-kolonialistischen Zug gibt es durchaus. Aber wie ich gerade am Beispiel der Kritik an Menschenrechtsverletzungen dargestellt habe, hat diese politische Einflussnahme Europas auch Positives. Und diese Differenzierung sehen wir in der chinesischen Politik überhaupt nicht. Die chinesische Regierung ist noch nie dadurch aufgefallen, dass sie irgendwo konsequent Menschenrechtsverletzungen kritisiert hätte.

Im mit chinesischem Geld gebauten Industriepark Hawassa in Äthiopien werden hochwertige Leder- und Textilprodukte für den europäischen und den amerikanischen Markt hergestellt.Bild: Imago/Xinhua Afrika

Ist die chinesische Nicht-Einmischung rundweg zu kritisieren?

Man muss zwei Komplexe unterscheiden. Den einen habe ich gerade genannt; der andere ist der gesamte Komplex von Demokratie, freien Wahlen und freier Presse. Zu dem zweiten Komplex nehmen wir – und das ist auch Teil der bisherigen und der geplanten neuen EU Partnerschaftsabkommen mit Afrika - explizit Einfluss, indem wir sagen: Wir fördern Mehrparteiendemokratie, den Machtwechsel durch freie Wahlen usw. Das funktioniert in einigen afrikanischen Ländern mittlerweile sehr gut, bekannte Beispiele sind Senegal und Ghana. Das Problem - und hier hat die chinesische Art der Kooperation durchaus einen Punkt – ist, dass dies nicht unbedingt die Länder in Afrika sind, welche die geringste Korruption haben und die das meiste für ihre wirtschaftliche Entwicklung tun. Dies tun eher die sogenannten autoritären Entwicklungsstaaten wie Äthiopien und Ruanda, deren demokratisches System massive Mängel hat und die gleichwohl, ähnlich wie China selbst, eine sehr effiziente Entwicklungspolitik betreiben.

Warum sind solche politischen Aspekte für die Entwicklungshilfe überhaupt wichtig? Oder können sie auch stören?

Wir haben ein gutes Verständnis davon, dass eine Reihe von Institutionen, dazu gehört auch ein unabhängiges Justizsystem,  essentiell sind für den Erfolg von Entwicklungsprogrammen. Andererseits kann man durchaus darüber streiten, was in welcher Reihenfolge passieren muss, mit anderen Worten ob es wirklich entscheidend wichtig ist, dass ein Land in einem relativ frühen Stadium seiner Entwicklung ein Mehrparteiensystem und regelmäßige Machtwechsel hat, wie wir es zum Beispiel aus Ghana, Nigeria oder dem Senegal kennen, wo aber die sonstigen Entwicklungsanstrengungen weit hinterherhinken.

Einweihung der Internationalen Freihandelszone in Dschibuti mit chinesischen HandelsvertreternBild: Getty Images/AFP/Y. Chiba

Wie steht die chinesische im Vergleich zur westlichen und deutschen Entwicklungszusammenarbeit in Afrika da?

Die chinesische Entwicklungszusammenarbeit stellt, was Geschwindigkeit, Reichweite und Umfang von Infrastrukturförderung angeht – den Ausbau von Eisenbahnen, Straßen, Telekommunikation  und so weiter - die westliche Zusammenarbeit in den Schatten. Nicht zuletzt durch Paketlösungen, bei denen mehrere chinesische Firmen auf eine große Infrastrukturmaßnahme angesetzt werden. Unsere eigene Entwicklungsbank, die Kreditanstalt für Wiederaufbau, ist im Vergleich dazu phantasielos, da ist China viel besser. Und es gibt noch ein zweites Gebiet, nämlich die Industrieförderung, auf dem Chinas Entwicklungszusammenarbeit  sehr viel wirksamer ist als die westliche und die deutsche. Wir entdecken ja gerade erst neu, dass wir auch im Bereich der verarbeitenden Industrie Investitionen in Afrika gezielt und massiv unterstützen müssen, um das Feld attraktiver für deutsche Investoren zu machen. Da ist uns die Volksrepublik China um einige Jahrzehnte voraus.

Muss Deutschland sich also weniger um die Politik in Afrika und statt dessen mehr um Geschäfte kümmern?

Mein Plädoyer ist absolut nicht, dass wir die berechtigten politischen Anliegen, die wir vertreten, jetzt ein Stück weit in den Hintergrund stellen sollten, im Gegenteil. Dass das jetzt im Rahmen der Flüchtlingspolitik und des sogenannten „Better Migration Management" geschieht und es eine Aufwertung von Regimen wie im Sudan oder Eritrea gibt, ist ziemlich inakzeptabel.

Aber was wir von China lernen können, ist in der Tat, attraktive Förderpakete zu schnüren, was Investitions- und Exportförderung angeht, und aktiv Firmen zusammenzubringen, die auch mit steuerlicher Förderung auf große Projekte in Afrika angesetzt werden. Das Ganze steht schließlich unter dem Gesichtspunkt der Schaffung von Arbeitsplätzen. Jeder weiß, wenn man die Fluchtursachen wenigstens ein bisschen bekämpfen will, dann sind Arbeitsplätze der Schlüsselbegriff. Und genau in dem Punkt müssen auch deutsche Investoren viel stärker gefördert und belohnt werden, wenn sie in afrikanischen Ländern Arbeit in zukunftsweisenden Branchen schaffen.

Prof. Dr. Helmut Asche war seit 1986 volkswirtschaftlicher Regierungsberater in Afrika, Hochschullehrer an den Universitäten Leipzig und Mainz sowie Gründungsdirektor des Deutschen Evaluierungsinstituts der Entwicklungszusammenarbeit

 

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