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Politik

Was steckt hinter dem Hisbollah-Verbot?

30. April 2020

Die Bundesregierung hat die Aktivitäten auch des politischen Arms der Hisbollah verboten. Darauf hatten die USA und Israel seit Jahren gedrängt. Der Zeitpunkt dürfte kein Zufall sein.

Deutschland Archiv l Al-Kuds-Tag in Berlin
Bild: Imago/C. Mang

Der militärische Arm der Hisbollah wird schon seit 2013 von der gesamten EU als Terrororganisation eingestuft. Anders als in Großbritannien und den Niederlanden durfte der zivile Arm aber bisher in Deutschland und den meisten anderen EU-Staaten aktiv sein. Jetzt hat die Bundesregierung alle Betätigungen der Organisation verboten, nachdem der Bundestag das schon im Dezember gefordert hatte.

Die Aktivitäten der Hisbollah richten sich "in elementarer Weise gegen den Gedanken der Völkerverständigung, unabhängig davon,ob sie als politische,soziale oder militärische Struktur in Erscheinung tritt", begründet Innenminister Horst Seehofer, CSU, das Verbot. Die Organisation rufe "offen zu gewaltsamer Vernichtung des Staates Israel auf und stellt dessen Existenzrecht infrage". Der Innenminister begründet den Schritt auch aus der historischen Verantwortung Deutschlands.

Direkte Folgen des Verbots: Das Hisbollah-Vermögen in Deutschland wird eingezogen; die Organisation darf keine Spenden mehr sammeln. Ihre Symbole dürfen nicht mehr gezeigt werden, so wie die gelbe Hisbollah-Fahne, auf der eine Faust ein Sturmgewehr in die Luft reckt.

Bei bundesweiten Razzien wurden auch Moscheevereine mit Hisbollah-Verbindungen durchsuchtBild: Reuters/H. Hanschke

Die Sicherheitsbehörden rechnen der Hisbollah (arabisch für "Partei Gottes") in Deutschland gut tausend Personen zu. Sie sollen sich vor allem in örtlichen Moscheevereinen treffen. Daher die Polizeirazzien in Moscheevereinen in Berlin, Dortmund, Bremen und Münster sowie in Privatwohnungen von mutmaßlichen Vereinsmitgliedern. Der Verfassungsschutz beobachtet die vier Vereine seit Jahren.

Der Al-Kuds-Tag

Doch warum kommen das Verbot und die Razzien gerade jetzt? Möglicherweise wollten die Behörden verhindern, dass Hisbollah-Mitglieder den jährlichen sogenannten Al-Kuds-Tagfür politische Aktionen nutzen. Al-Kuds ist der arabische Name für Jerusalem. An diesem Tag wird für die "Befreiung" Jerusalems von den "zionistischen" Besatzern, also von Israel, demonstriert. Der Al-Kuds Tag fällt stets auf das Ende des Fastenmonats Ramadan, in diesem Jahr auf den 16. Mai. Die Hisbollah gilt als einer der Organisatoren der Veranstaltung, die der iranische Revolutionsführer Ajatollah Chomeini 1979 ins Leben gerufen hatte.

Das Verbot kommt aber nicht aus heiterem Himmel. Schon im September vergangenen Jahres hatte die Bundesregierung der Bundesanwaltschaft eine Ermächtigung zur Strafverfolgung mutmaßlicher Hisbollah-Mitglieder in Deutschland erteilt. Zu einem Komplettverbot der Hisbollah wollte sie sich damals aber nicht durchringen, obwohl die USA und Israel seit langem dazu drängen.

Am Al-Kuds-Tag kam es regelmäßig auch zu GegendemonstrationenBild: Imago Images/epd/C. Ditsch

Noch im Dezember bestritt die Bundesregierung einen Medienbericht, sie bereite ein Verbot vor. Im vergangenen Sommer hatte sie ihre Ablehnung eines Verbots noch damit begründet, es sei wichtig, weiterhin einen Dialog mit allen relevanten politischen Kräften und Parteien im Libanon zu ermöglichen. Dort ist die Hisbollah eine wichtige Stütze der Regierung und betreibt soziale Einrichtungen. "Dem würde derzeit ein Verbot von Hisbollah als Ganzes entgegenstehen", antwortete die Regierung damals auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion.

Deutschlands Ruf steht auf dem Spiel

Hier könnte sich die Meinung verschoben haben. Der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt sagt jetzt: "Die Entscheidung kann auch zur Stabilisierung des Libanons und damit des Nahen Ostens beitragen." Entscheidend dürfte aber kurz vor dem 75. Jahrestag des Kriegsendes sein, dass die Bundesregierung den Ruf loswerden will, Deutschland dulde anti-israelische Terroraktivitäten und deren Finanzierung. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion,Mathias Middelberg erklärt, solche Propaganda und eine "Finanzierung des Terrors aus Deutschland heraus darf es zukünftig nicht mehr geben".Und der FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser stellt fest:"Deutschland war zuletzt nicht nur Rückzugsort", sondern auch "der Hauptstandort für die kriminellen Aktivitäten der Hisbollah in Europa".

CDU-Außenpolitiker Hardt hofft sogar auf eine Stabilisierung im Libanon durch das Hisbollah Verbot Bild: picture-alliance/dpa/S. Stein

US-Botschafter Richard Grenell hatte bereits im vergangenen Jahr gesagt, dass die Hisbollah jährlich Hunderte Millionen Dollar aus international eingeworbenen Geldmitteln, kriminellen Netzwerken und transnationaler Geldwäsche erhalte. Diesen Vorwurf bestätigte der libanesisch-stämmige Politologe Ralph Ghadban in einem Interview der Deutschen Welle Ende November: "Deutschland ist unheimlich wichtig für die Hisbollah. Denn Deutschland ist ein Eldorado für die Geldwäsche."

Was für Deutschland an Ansehen auf dem Spiel stand, kommt nicht zuletzt in den Reaktionen jüdischer Organisationen zum Ausdruck: "Es wurde höchste Zeit", so Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. "Deutschland durfte und darf nicht länger einen Rückzugsraum für die Anhänger einer islamistischen Organisation bieten,die - getrieben von einem tiefen Hass auf Juden - Menschen zu Gewalt anstacheln und Terror finanzieren."

Lob aus Israel und USA

US-Botschafter Grenell freut sich unterdessen, dass die Bundesregierung endlich das getan hat, was er seit Monaten fordert. Das Verbot sei "genau das, was überall in Europa nötig" sei. Auch aus Israel gab es Lob für das Hisbollah-Verbot. Außenminister Israel Katz sprach am Donnerstag von einem "wertvollen und wichtigen Schritt im weltweiten Kampf gegen Terrorismus". Katz sagte nach Angaben seines Büros weiter: "Ich möchte der deutschen Regierung meine tiefste Anerkennung für diesen Schritt aussprechen. Ich bin sicher, dass viele Regierungen im Nahen Osten sowie Tausende Opfer des Hisbollah-Terrors sich meinem Dank für diese Entscheidung anschließen."

US-Botschafter Grenell hat schon lange ein Verbot der Hisbollah gefordertBild: picture-alliance/AA/M. Miskov

EU-weites Verbot unwahrscheinlich

Zentralratspräsident Schuster fordert die Bundesregierung auf, während der anstehenden deutschen EU-Ratspräsidentschaft auf eine EU-weite Verbotsentscheidung zu drängen. Bisher lassen aber die meisten EU-Länder die Aktivitäten des politischen Arms der Hisbollah zu. Vor allem Frankreich mit seinen engen historischen Verbindungen in den Libanon setzt sich dafür ein, dass es so bleibt.

Schuster fordert nach dem Verbot sämtlicher Hisbollah-Aktivitäten, dass Deutschland nun auch den anti-israelischen Al-Kuds-Marsch verbietet. Das Zeigen von Hisbollah-Fahnen war zwar schon in den vergangenen Jahren verboten, der Marsch selbst ist aber erlaubt.

 

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