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Was sucht der Kreml in Aserbaidschan?

15. Juli 2004

- Hochrangige Moskauer Politiker besuchen reihenweise Baku

Baku, 13.7.2004, YENI MUSAVAT, aserb., S. 7

Ein Thema, das immer wieder ganz oben auf der politischen Tagesordnung steht, sind die häufigen Besuche verschiedener russischer Offizieller in Baku. Wenn auch die Beobachter mit verschiedenen Theorien aufwarten, was denn das Ziel dieser Besuche sei - in einem sind sie sich einig: Unser Nachbar im Norden ist daran interessiert, nach Aserbaidschan zurückzukehren und das Gebiet, das es verloren hat, zumindest teilweise wieder für sich zu gewinnen. Es geht vor allem um geowirtschaftliche und militärisch-politische Interessen.

Bemerkenswert ist, dass es sich bei den meisten der russischen Offiziellen, die vor kurzen Baku besucht haben, entweder um ehemalige oder derzeitige Geheimagenten gehandelt hat. Jewgenij Primakow, Sergej Stepaschin und jetzt Wladimir Ruschajlo - sie alle kommen aus diesem Bereich. Das ist ein Beweis dafür, wie sehr die russische Administration an unserem Land interessiert ist (Wladimir Putin war selbst KGB-Agent).

Was nun Ruschajlos Besuch in seiner - wie er sich ausdrückte - Funktion als GUS-Repräsentant anbelangt - nun, das kann mit Russlands Plänen erklärt werden, seine Stellung auf dem gesamten Territorium der GUS, einschließlich Aserbaidschan, zu festigen. Ruschajlo ist schließlich ein Mann Moskaus.

Was aber sucht der Kreml in Aserbaidschan? Worum geht es ihm?

Erstens, Russland gehört zu den Ländern, die an einer Dynastie-Herrschaft in Aserbaidschan interessiert sind, denn es ist viel leichter, mit einer "Familie" klarzukommen als mit einer demokratischen Regierung. Ein besonders gutes Beispiel dafür ist Georgien mit seinem [Präsidenten] Micheil Saakaschwili. Das demokratische Staatsoberhaupt Georgiens bereitet Russland in letzter Zeit richtige Kopfschmerzen. Daher wird ein "Familien"-Regime in Aserbaidschan für Moskau umso wichtiger. (...)

Ein weiterer interessanter Aspekt ist, dass Moskau, seitdem die Europäische Union ihre Politik der europäischen Nachbarschaft gegenüber den drei Südkaukasus-Republiken gestartet hat und die NATO erklärt hat, dass die postsowjetischen Republiken zu ihren Interessensgebieten gehören aktiver geworden ist. Der Kreml ist klug genug, um zu begreifen, dass er, wenn derartige Programme und Strategien umgesetzt werden, wird einpacken und nicht nur die Ukraine und den Kaukasus, sondern sogar Zentralasien wird verlassen müssen. (...)

Lassen Sie uns zu Aserbaidschan zurückkehren. Einer der Faktoren, der Russland zu stärkerer Aktivität in Aserbaidschan bewegt hat, ist die Persönlichkeit Ilham Alijews. Während der Kreml sich langsam damit abfindet, dass Saakaschwili für ihn verloren ist (Moskau setzt auf ihn keine Hoffnung mehr), ist [der Präsident von Aserbaidschan] Ilham [Alijew] eindeutig Moskaus Mann. Saakaschwili ist ein Mann des Westens, Alijew ein Mann des Ostens. In jeder Hinsicht. Offensichtlich kommt der Kreml mit letzterem viel besser zurecht.

Auch ist allgemein bekannt, dass, während Georgiens Führer enthusiastisch den Weg der Reformen eingeschlagen und sich die Wahrung der territorialen Integrität zum Ziel gesetzt hat Alijew das Wort "Reform" nicht ausstehen kann, Konflikten aus dem Wege geht und statt dessen dem Norden den Hof macht, sobald sich eine Gelegenheit dafür ergibt.

Mit anderen Worten - die Besuche der Kreml-Vertreter sind auch in Alijews Interesse. Und wenn Russland in Georgien nicht weiterkommt - warum soll das nicht auf Kosten Aserbaidschans wiedergutgemacht werden? (...)

Es ist aber gut, dass Aserbaidschan nicht nur aus dem Regime und der Partei Neues Aserbaidschan besteht. Es gibt hier starke politische Kräfte mit genügend Einfluss, die die Erfolge des Landes von einer Integration in den Westen abhängig machen. Sie werden wohl kaum schweigen, wenn es um Russlands Rückkehr nach Aserbaidschan geht.

Wenn Russland es mit seiner Rückkehr nach Aserbaidschan ernst meint, dann sollte es erst darüber nachdenken, wie es das Vertrauen der Bevölkerung wiedergewinnt. Das könnte geschehen, indem Armenien in Karabach-Frage zurechtgewiesen wird, Aserbaidschan dabei geholfen wird, ohne irgendwelche Bedingungen seine Gebiete zu befreien und Armenien dazu bewogen wird, seine territorialen Forderungen aufzugeben. Wie wir aber sehen, hat Moskau das nicht vor. Ein Freund des Regimes zu sein bedeutet daher nicht, ein Freund Aserbaidschans zu sein. (TS)