Hunde, Affen und auch Insekten wissen sich bei Krankheit selber zu helfen. Wissenschaftsautorin Manuela Lenzen berichtet im DW-Interview über das medizinische Wissen ihres Kaninchens und anderer Tiere.
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Was wissen Tiere über Medizin?
Hunde, Affen und sogar Bienen – sie alle nutzen Medikamente, zum Beispiel Pflanzenwirkstoffe zum Schutz vor Parasiten. Wissenschaftler hoffen, dass das medizinische Wissen der Tiere auch für den Menschen wertvoll ist.
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Rezepte gegen Parasiten
Was machen eigentlich Affen, wie dieser Schimpanse, wenn sie unter Parasitenbefall, Durchfall oder Malaria leiden? Sie nutzen die Heilkräfte der Pflanzen. Forscher haben herausgefunden, dass Schimpansen weite Strecken zurücklegen um die Pflanze "Aspilia" zu finden.
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Abführmittel gegen Würmer
Die rauhen Blätter der Aspilia regen mechanisch die Darmbewegungen an und helfen den Schimpansen Faden- und Bandwürmer schneller auszuscheiden. So reduzieren sie den Wurmbefall. Auch Menschen in Tansania machen sich die Heilkraft dieser Pflanze zu nutze.
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Wunderpflaume
Auch beliebt bei Affen: Die Schwarze Pflaume Vitex Doniana. Sie soll bei Schlangenbissen helfen. Die Heilung nach Viruserkrankungen wie Gelbfieber unterstützen und Menstruationsschmerzen lindern - nicht nur bei Affen, sondern auch bei Menschen.
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Lernen von den Eltern
Lämmer beobachten das Fressverhalten der Mütter und schauen sich nützliche Nahrungsmitteltipps ab. Die Paarhufer ernähren sich bei Wurmbefall von Pflanzen mit hohem Gerbstoffanteil, stellten Forscher der Utah State University fest. Wenn sie die Infektion bekämpft haben, fressen sie wieder ihre gewohnten Pflanzen.
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Alkohol ist gut für die Kleinen
Alkohol schützt den Nachwuchs der Fruchtfliegen. Wenn sich Parasiten in der Nähe befinden, legen die Weibchen ihre Eier in vergorenen Früchten ab. Frisst die geschlüpfte Larve das alkoholhaltige Futter, werden die heranwachsenden Parasiten getötet.
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Naturheilmittel für wollige Raupen
Auch die Raupe "Wolliger Bär" hat ein Hausmittel. Sie isst bevorzugt alkaloidhaltige Pflanzen, wenn sie unter Parasitenbefall leidet.
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Giftige Blüten als Nistplatz
Der Monarchfalter schützt zum Bespiel seinen Nachwuchs, indem er seine Eier auf Seidenpflanzengewächsen ablegt. Diese enthalten einen hohen Anteil an Cardenoliden, die für seine Fressfeinde giftig sind.
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Antibakterieller Honigwirkstoff
Honigbienen produzieren Bienenharz, das von großer Bedeutung für die Existenz der Kolonie ist. Sie bauen das sogenannte Propolis um die Eingänge und Brutstätten. So schützen sie sich vor Krankheitskeimen. Auch der Mensch nutzt das natürliche Harz, denn es wirkt antibakteriell, schmerzlindernd und entzündungshemmend.
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Haste mal ne Kippe?
In Mexiko bauen Sperlinge und Hausgimpel bewusst Zigarettenstummel in ihre Nester ein. Das Nikotin ist ein wirksames Mittel gegen Milbenbefall. Forscher vermuten allerdings, dass die Zigarettenstummel gleichzeitig die Gesundheit der Vögel gefährden.
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Auch Fleischfresser mögen Grünzeug
Viele Besitzer kennen den Anblick der Gras fressenden Katzen und Hunde. Der Grund für den Grassnack ist eine Magenverstimmung, die dadurch gelindert wird. Denn das Gras wirkt als natürliches Brechmittel.
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Eukalyptusstängel an Erdkrümeln
Koalas ernähren sich von Hunderten Eukalyptusarten. Wenn die Beutelbären einmal einen falschen Stängel erwischen, fressen sie hinterher Erde. Dadurch werden die Giftstoffe neutralisiert.
Bild: Getty Images/Afp/Greg Wood
Kosmetik im Urwald
Kapuzineraffen haben keine Moskitonetze zur Verfügung. Also haben sie ein anderes Mittel gefunden, um sich vor den stechenden Plagegeistern zu schützen: Sie reiben sich mit einem speziellen Insektenschutzmittel ein...
Bild: Mauricio Lima/AFP/Getty Images
Krabbelige Kosmetik
...sie nutzen das Gift der Tausendfüßler, um sich damit einzureiben. Das wehrt die Mücken ab - medizinisches Wissen, das die Tiere über Jahrtausende durch Beobachtung gelernt und über Generationen weitergegeben haben.
Bild: ISNA
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Deutsche Welle: Frau Lenzen, wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich mit dem medizinischen Wissen der Tiere zu befassen?
Manuela Lenzen: Angefangen hat es mit meinem Kaninchen. Es ist im Garten umher gehoppelt und hat sich vom Raps des Nachbarn bedient. Normalerweise sollen Kaninchen kein Kohlgemüse fressen… Und ich dachte "Ob das mal gut geht?" Später sah ich es auf dem Komposthaufen Holzkohle fressen. Kohle wird ja auch gegen Durchfall eingesetzt. Ich hab mich daraufhin gefragt, ob das Tier weiß, dass Holzkohle gegen seine Verdauungsbeschwerden hilft.
Gibt es ein Tier, dessen medizinisches Wissen Sie besonders beeindruckt?
Ich habe mich über die Kenntnisse der Insekten gewundert. Bekannter ist es, dass die nicht-menschlichen Primaten über Kenntnisse von Heilpflanzen verfügen. Schimpansen zum Beispiel legen weite Wege zurück, um Pflanzen zu finden, die keinen Nährwert haben. Sie bereiten diese Pflanzen zu, indem sie sie abschälen oder falten und unzerkaut herunterschlucken.
Dass auch Insekten Selbstmedikation betreiben, ist weniger bekannt. Aber sie tun es: Sie legen zum Beispiel ihre Eier zum Schutz vor Parasiten in vergärende Früchte.
Kann sich der Mensch von dem Wissen der Tiere etwas abschauen?
Die meisten Arzneimittel gehen auf Heilpflanzen zurück. Deshalb haben Forscher großes Interesse daran, neue Pflanzen und ihre medizinische Wirkung zu entdecken. Es gibt in der Ethnobotanik und Ethnomedizin viele Geschichten von Menschen, die kranken Tieren in den Urwald gefolgt sind und beobachtet haben, welche Pflanzen sie zu sich nahmen. Und dass sie diese dann auch selbst ausprobiert haben und so neue Erkenntnisse über die Heilkraft von Pflanzen gewonnen haben.
Wie geben Tiere ihr Wissen über die Heilpflanzen an ihre Nachkommen weiter?
Säugetiere erlernen das. Schafe und Schimpansen zum Beispiel schauen sich von ihren Eltern ab, was man wann essen kann. Bei Insekten geht man hingegen davon aus, dass das Wissen genetisch vererbt wird.
Wie kann der Mensch von den medizinischen Kenntnissen der Tiere profitieren?
Würde der Mensch zum Beispiel die Fähigkeit zur Selbstmedikation von Nutztieren stärker nutzen, könnte er den Masseneinsatz von Antibiotika in der Landwirtschaft verringern. So hat der Forscher Juan Villalba von der Utah State University herausgefunden, dass Paarhufer bevorzugt Futterpflanzen mit hohem Gerbstoffgehalt fressen, wenn sie unter Wurmbefall leiden. Ist die Infektion bekämpft, kehren sie zu ihren gewöhnlichen Fressvorlieben zurück. Das setzt natürlich voraus, dass die Tiere Zugang zu solchen Futterpflanzen haben und dass sie es in der Herde lernen und das Wissen weitergeben können.
Die Philosophin Manuela Lenzen beschäftigt sich als Buchautorin und Journalistin unter anderem mit Evolution, Kognition und künstlicher Intelligenz. Sie arbeitet zudem am Zentrum für Interdisziplinäre Forschung (ZIF) der Universität Bielefeld.