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Was tun, wenn das Wasser wegbleibt?

Dirk Kaufmann
30. Juli 2019

In heißen Sommern führen Flüsse weniger Wasser. Doch die häufiger auftretenden Extremwetterlagen führen häufiger zu extremen Niedrigwasserständen. Das war 2018 schon zu beobachten. So etwas schadet auch der Wirtschaft.

Deutschland | Niedrigwasser am Rhein
Bild: picture-alliance/dpa/U. Deck

Wer wissen will, wie die Konjunktur läuft, der braucht nur aus dem Fenster zu schauen. Jedenfalls auf die Wirtschaftsredaktion der DW trifft das zu: Unsere Büros bieten einen schönen Blick auf den Rhein.

Da sieht man deutlich, dass die Zahl der Gas- und Tankschiffe, der Schüttgutfrachter und vor allem die Zahl der transportierten Container auf das Verlässlichste mit den offiziellen Konjunkturzahlen korreliert: Brummt die Wirtschaft, ist der Verkehr dicht und die Containerschiffe sind voll.

In heißen Sommern aber, wie es 2018 der Fall war und es sich gegenwärtig zu wiederholen droht, fällt der Wasserstand über Tage hinweg, die Zahl der vorbeifahrenden Schiffe sinkt und die passierenden Binnenschiffe sind oft nur noch halb beladen - wenn überhaupt. Das ist dann aber nicht der Ausdruck einer aktuellen Konjunkturdelle - sondern ist im Gegenteil Vorbote einer Nachschub- und Distributionsdelle, die sich wiederum nachteilig auf die Wirtschaftsleistung auswirkt. Im vergangenen Jahr wuchs die deutsche Wirtschaft wegen des Niedrigwassers um 0,2 Prozentpunkte weniger. 

Das Niedrigwasser gibt ein Wrack frei: Heutzutage wird lange bevor Schiffe auflaufen, die Schifffahrt auf dem Rhein eingestellt.Bild: picture alliance/dpa/A. Stoffel

Von der Ruhr in die Welt

Der Rhein ist von der Schweizer Grenze bis zur Nordsee für Güterschiffe befahrbar und es gibt hier auch viel Industrie: Petroindustrie und Chemiewerke in Basel und Mannheim, Köln und Leverkusen oder die Schwerindustrie im Ruhrgebiet: Sie alle nutzen Flüsse als vergleichsweise billige und vor allem praktische Transportwege. Nicht zufällig liegt mit Duisburg-Ruhrort einer der größten Binnenhäfen der Welt am Rhein.

Dort fließt die Ruhr in den Rhein. Duisburg verband für mehr als ein Jahrhundert die Schwerindustrie im früheren 'Kohlenpott' mit dem Rhein und über ihn - via Rotterdam mit seinem Außenhafen - mit den Kunden auf der ganzen Welt.

In Duisburg ist auch der Stahlriese Thyssen zu Hause, der nach der Fusion mit der Konkurrenz aus der Nachbarstadt Essen, ThyssenKrupp heißt. Bei "Thyssenkrupp Steel" wird noch heute Stahl gekocht.

Weniger Stahl bei Niedrigwasser

Zu "normalen" Zeiten werden täglich rund 60.000 Tonnen Kohle und Erz vom niederländischen Rotterdam nach Duisburg geschippert, aus denen ThyssenKrupp Stahl macht. Das vergangene Jahr war aber nur zum Teil "normal": 2018 führte der Fluss an 132 Tagen Niedrigwasser - ein bislang einzigartig extremer Wert.

Wegen dieser ausgeprägten Trockenperiode war 2018 bei ThyssenKrupp rund 200.000 Tonnen Stahl weniger produziert worden als geplant, teilte der Konzern damals mit.

Auch für den Verbraucher war das 2018er-Niedrigwasser spürbar: In weiten Teilen Westdeutschlands wurde das Autofahren zu einem immer teureren Vergnügen. Weil immer weniger Tankschiffe fahren konnten, wurde der Nachschub an den Tankstellen knapp und Benzin und Diesel in der Folge auch teurer.

Er ist das Zentrum im Handel am und auf dem Rhein: Der inzwischen 300 Jahre alte Hafen von Duisburg.Bild: duisport AG/H. Blossey

Probleme auch beim Kühlen

Sinkt der Wasserstand in heißen Sommern, bedeutet das, dass zahlreiche Schiffe nicht mehr genug Wasser unterm Kiel haben, sie können zunächst nicht mehr voll beladen fahren und müssen schließlich den Betrieb sogar ganz einstellen. Auch Betriebe der Chemiebranche, die dem Fluss Kühlwasser entnehmen, bekommen Probleme: Die Menge des zur Verfügung stehenden Wassers sinkt und seine Temperatur steigt, weil flaches Wasser sich viel schneller aufwärmt.

Der Ludwigshafener Chemieriese BASF hat für seine Kühlwassersysteme neue Rückkühlanlagen in Betrieb genommen und die bestehenden Anlagen optimiert. Damit kann BASF, wie der Konzern auf eine schriftliche Anfrage der DW mitteilte, "die Kühlwasserströme effizienter steuern."

Auch ThyssenKrupp Steel äußerte sich in einer Mail auf die Frage, wie er sich auf Niedrigwasserereignisse vorbereitet. Dazu, so die Stahlkocher, zählten beispielsweise "eine Optimierung unserer Wettermodelle und ein frühzeitigerer Einsatz unserer Task Force, um noch rechtzeitiger vorbereitet zu sein." Die so gewonnene Zeit nutze man, "um zusätzlichen Schiffsraum zu buchen."

Besonders flachgehende Schiffe bauen

Zusätzlichen Schiffsraum muss auch BASF buchen und die Ludwigshafener chartern mehr Schiffe mit jeweils geringerem Tiefgang, gehen aber noch einen Schritt weiter: "Darüber hinaus entwickeln wir derzeit mit Partnern einen BASF-eigenen Schiffstyp, der für extreme Niedrigwasser-Situationen ausgelegt wird."

Auch bei ThyssenKrupp sind die "Anschaffung neuer Schiffe und anderer Schiffstypen" geplant. Doch weisen die Duisburger darauf hin, dass dies ein "langfristiger Prozess" sei, der gerade erst beginnt, um "durch den Einsatz von Schiffen mit weniger Tiefgang unabhängiger von niedrigen Pegelständen (zu) werden."

Dafür investieren sie in ihren Hafen: "Wir erhöhen und optimieren die Kapazitäten im werkeigenen Hafen. Das ist insbesondere dann relevant, wenn die Zahl der zu entladenden Schiffe in Niedrigwasserphasen signifikant steigt, weil die einzelnen Schiffe nicht mehr voll beladen werden können und in der Folge öfter fahren müssen."

"Diese Maßnahmen", so ist man bei ThyssenKrupp überzeugt, führten dazu ", dass wir auch bei einem (noch nie erreichtem) Pegelstand von 1,50 Meter in Duisburg-Ruhrort 90 Prozent unserer täglichen Roheisenkapazität produzieren können."

2018 könnte sich wiederholen

So schlimm wie im vergangenen Jahr ist es zurzeit nicht - das bestätigt auch der Blick aus dem Bürofenster. Noch ist mehr Wasser im Rhein als zur Trockenzeit 2018. Doch in seiner Online-Ausgabe zitiert der Nachrichtensender n-tv einen Experten der Bundesanstalt für Gewässerkunde, der sagte, es habe in den vergangenen Monaten im Einzugsgebiet von Deutschlands größtem Fluss zu wenig geregnet. Statt 630 Millimeter im Zeitraum von November bis Ende Juni, habe es "nur 520 Millimeter" geregnet. Sollte das Wetter also so heiß und trocken bleiben, wie es zurzeit ist, wird es bald zu neuen Niedrigständen am Rhein kommen.

Ist genug Wasser im Fluss, ist der Verkehr dicht und die Schiffe sind voll. Hier der Mittelrhein beim Städtchen Boppard.Bild: picture-alliance/dpa

Die Politik ist gefordert - und will liefern

Dass die eigenen Maßnahmen wohl nicht ausreichen werden, ist der Industrie klar, die jetzt die Politik in die Pflicht nimmt. Bei BASF heißt es dazu unmissverständlich: "An der Rhein-Infrastruktur muss gearbeitet werden."

In Berlin ist das scheinbar erhört worden. Bei der Vorstellung des "Aktionsplanes Niedrigwasser Rhein" im Juli sagte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer: "Wir müssen jetzt handeln, um die Transportbedingungen auch mit Blick auf klimatische Veränderungen konstant hoch zu halten."

Ob der Aktionsplan mehr ist als ein Lippenbekenntnis, wird sich in den kommenden Jahren zeigen. Der Plan listet viele Selbstverständlichkeiten auf: Unter den acht Einzelpunkten finden sich dann Posten wie "Verbesserung der Wasserstandsvorhersage" oder "Beschleunigungen durch Maßnahmegesetze".

Der achte Punkt ist mit "Gesellschaftlicher Dialog" überschrieben. Der dürfte allerdings auch sehr nötig werden, wenn zu Punkt sieben ("wasserbauliche Optionen") etwa auch die Einrichtungen von Staustufen im Flusslauf gehören sollten. Ein sehr lauter Protest von Umweltschutzorganisationen dürfte solchen Plänen sicher sein.

Aus Ludwigshafen ist dazu zu hören,  BASF sei "Mit-Unterzeichner des Anfang Juli vorgestellten Aktionsplans 'Niedrigwasser Rhein' des Bundesverkehrsministeriums". Und auch ThyssenKrupp ist mit den Plänen des Ministers einverstanden: "Der Acht-Punkte-Plan von Verkehrsminister Scheuer ist ein guter und wichtiger Schritt." 

 

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