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Politik

Wenn die Partnerstadt LGBT-feindlich ist

24. Juli 2020

Wegen einer LGBT-feindlichen Resolution kommen der polnischen Stadt Puławy die Partnerstädte abhanden: Nun hat auch Nieuwegein in den Niederlanden einen Schlussstrich gezogen. Das deutsche Stendal geht einen anderen Weg.

Polen LGBT Free Zone
David aus Puławy posiert vor dem Schild "LGBT-freie Zone" für das Kunstprojekt von Bartosz StaszewskiBild: Bartosz Staszewski

In der ostpolnischen Mittelstadt Puławy pflegt man Freundschaften vom Atlantik bis zum Schwarzen Meer: Auf der englischsprachigen Webseite der Stadt springt einem sofort der Menüpunkt "Foreign Cooperation" ins Auge, mit insgesamt sieben Partnerstädten, vier in der EU, drei in den Nachbarländern Ukraine und Belarus.

Diese Angabe ist aber nicht mehr aktuell: In diesem Monat hat das Stadtparlament von Nieuwegein bei Utrecht den Polen die Freundschaft buchstäblich aufgekündigt; Douai in Nordfrankreich hatte die Freundschaft bereits im Frühjahr ausgesetzt. 

80 homophobe Resolutionen

Der Grund für die Distanzierung ist schon mehr als ein Jahr alt. Im Mai 2019 segnete der Stadtrat von Puławy eine Beschlussvorlage ab, deren Überschrift lautete: "Zur Verhinderung der von der Subkultur 'LGBT' lancierten Ideologie in der Stadt Puławy". Die Resolution stemmte sich gegen die "frühe Sexualisierung polnischer Kinder und Jugendlicher" in den Schulen und gegen "Homopropaganda" und beschwor eine "tausendjährige Tradition des Christentums in Polen". Ähnliche Beschlüsse haben auch andere Städte und Gebiete gefasst, in denen die nationalkonservative Regierungspartei PiS Mehrheiten hält. Das EU-Parlament sah sich von etwa 80 solchen Resolutionen im vergangenen Dezember zu einer Entschließung gegen homophobe Hetze veranlasst. 

In Nieuwegein hatte Marco Diekstra, Lokalpolitiker der liberalen VVD, der auch Ministerpräsident Mark Rutte angehört, angeregt, die Partnerschaft zu beenden: "Nach der homophoben Äußerung mussten wir ein Signal nach Puławy, an die dortige Politik und die LGBT-Community senden", schreibt Diekstra der DW. "So ein Statement ist eine rote Linie für uns als 'Regenbogen-Stadt'." Auf eine Bitte um ein klärendes Gespräch hätten die Polen nicht reagiert, erklärte das Rathaus. Die Partnerschaft sei aber ohnehin über die Jahre eingeschlafen.

Fotos aus der "LGBT-freien Zone" 

Der Paukenschlag, mit dem die Niederländer nun die Partnerschaft beendeten, war jedoch so laut, dass er auch in Polen vernommen wurde. Der PiS-Abgeordnete Przemysław Czarnek sprach von einem "Skandal". Czarnek hatte im jüngsten Präsidentenwahlkampf für den Amtsinhaber und späteren knappen Sieger Andrzej Duda geworben - und mit einer entwürdigenden Aussage mit dazu beigetragen, dass im Ausland die homophobe Tonlage der Duda-Kampagne kritisiert wurde. Zum Ende der Städtepartnerschaft twitterte Czarnek, die lokale Regierung von Puławy habe keine Resolution zu einer "LGBT-freien Zonen" verabschiedet - dies sei die "Erfindung von B. Staszewski", der den guten Ruf Polens verleumde und zur Verantwortung gezogen werden müsse. 

Gemeint ist der Dokumentarfilmer und LGBT-Aktivist Bartosz Staszewski, der damals mit einer Fotoserie Aufmerksamkeit auf die homophoben Resolutionen lenkenwollte: Er ließ ein Schild mit der mehrsprachigen Aufschrift "LGBT-freie Zone" anfertigen, hängte es an die Ortsschilder der jeweiligen Städte und bat ortsansässige lesbische, schwule, bi- und transsexuelle Menschen, davor zu posieren. "Ich hätte nie gedacht, dass das solche Wellen schlägt. Ich wollte vielleicht eine kleine Debatte auf Facebook anstoßen", sagt Staszewski - inzwischen berichtete sogar die New York Times darüber.

Kleines Schild, große Wirkung 

Weil es eine Ordnungswidrigkeit ist, Schilder an öffentliche Pfähle zu hängen, wird inzwischen gegen Staszewski ermittelt, die Akte hat seinen Angaben zufolge bereits mehr als 100 Seiten. Den jüngsten Tweet Czarneks deutet Staszewski als weitere politisch motivierte Aufforderung, gegen ihn zu ermitteln. "Das ist die Realität der Partei Recht und Gerechtigkeit", sagt Staszewski.

Die Entscheidung der niederländischen Stadt Nieuwegein, die Partnerschaft zu beenden, begrüßt der Aktivist: "Ich habe das Gefühl, das ist vielleicht das einzige Mittel, das bei diesen Städten wirkt", sagte er der DW. "Ich habe gehört, dass andere Städte zögern, solche Resolutionen gegen eine 'LGBT-Ideologie' zu beschließen, weil sie fürchten, dass andere Partnerstädte die Bande kappen."

Bild: Bartosz Staszewski

Austausch statt Abbruch 

Die deutsche Hansestadt Stendal in Sachsen-Anhalt hatte durch die Berichterstattung über Staszewskis Fotoprojekt im Februar überhaupt erst von der homophoben Resolution ihrer Partnerstadt Puławy erfahren. "Dann haben wir angefangen zu recherchieren und herausgefunden, dass dieses Schild nur für dieses Bild dort stand und danach wieder weg war", sagt Stadtsprecher Philipp Krüger. Die Partnerschaft zwischen Stendal und Puławy nennt Krüger "sehr, sehr lebhaft", Vereine, Schüler- und Sportgruppen besuchten einander regelmäßig. Dass es in diesem Jahr bislang keine Treffen gegeben hat, liege an den Einschränkungen durch die Corona-Pandemie.

Krüger sagt, er könne sich vorstellen, dass es beim nächsten Besuch einer Delegation aus Puławy in Stendal "hitzige Diskussionen" und "regen Austausch" zu den Beschlüssen gibt: "Ich glaube, das ist sehr viel zielführender, als zu sagen, wir wollen nichts mehr mit euch zu tun haben", sagt Krüger am Telefon. Man habe eine beglaubigte Übersetzung der Resolution anfertigen lassen und sei übereingekommen, dass sie sich hauptsächlich auf den Schulbereich beziehe.

Die Hansestadt hat ihren Standpunkt mehrfach vertreten, laut Krüger auch im Gespräch zwischen beiden Bürgermeistern. Der Stadtrat von Stendal hatte Anfang Juli aktiv beschlossen, die Partnerschaft fortzuführen. In der Beschlussvorlage heißt es: "Unsere Städtepartnerschaft muss fest auf den Werten der europäischen Grundrechte-Charta stehen. Der Stadtrat der Hansestadt Stendal erwartet von allen Entscheidungsträgern der Stadt Puławy, dass alle Menschen, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, ohne Einschränkungen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können." 

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