Was Vizekanzler Habeck auf seiner Kenia-Reise erreichen kann
29. November 2024Die frühere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) fand es nicht einfach, "die Chefs großer deutscher Unternehmen zu überzeugen, mich auf meinen Reisen in afrikanische Länder zu begleiten. Die meisten von ihnen sahen für sich wenig Chancen auf den afrikanischen Märkten", schrieb sie in ihrer gerade veröffentlichten Autobiografie "Freiheit. Erinnerungen 1954-2021".
Anfang Dezember versucht der aktuelle Vizekanzler, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), es mit einer neuen Delegation: Am 1. Dezember reist Habeck mit Wirtschaftsvertretern nach Kenia zum zweitägigen German African Business Summit (GABS). Das Format findet alle zwei Jahre in einem anderen Land auf dem Kontinent statt.
Wahrnehmung von Afrika
"Die Perspektive auf Afrika ist eine der übertriebenen politischen und wirtschaftlichen Risiken: politisch instabil, korrupt, schwache Infrastruktur, bürokratische Hürden und ein risikoreiches Umfeld", sagte Serwah Prempeh, Mitarbeiterin des Africa Policy Research Institute (APRI).
"Das schreckt deutsche Investoren ab, vor allem solche, die in kleine und mittlere Unternehmen investieren, die in der Regel risikoscheuer sind", so Prempeh zur DW. Auch die deutschen Banken, die aus Risikoscheue mit hohen Zinsen für Investitionen in Afrika operierten oder gar keine privaten deutschen Unternehmen dort finanzierten.
Frühere deutsche Regierungen haben versucht, mittelgroße Firmen zu mehr Investitionen in Afrika zu bewegen, etwa durch Initiativen wie den"Compact with Africa", der während der deutschen G20-Präsidentschaft 2017 ins Leben gerufen wurde mit dem Ziel, die deutsche Wirtschaft anzukurbeln.
Insgesamt hat sich Deutschland laut APRI in den letzten Jahrzehnten aber kaum politisch und wirtschaftlich in Afrika engagiert. Ausländische Direktinvestitionen stagnieren: Laut der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) rangiert Deutschland unter den Top-10 Investor-Ländern in Afrika 2022 mit 13 Milliarden Dollar auf Platz neun, nur zwei Milliarden mehr als 2018.
Viele warteten auf mehr staatliche Unterstützung, bevor sie in Afrika investierten, sagt Prempeh und warnt: "Wegen der angespannten Haushaltslage der deutschen Regierung und des steigenden Drucks der Bürger, sich stärker auf interne Entwicklung zu konzentrieren, könnte diese Unterstützung ausbleiben."
Neustart verzögert
Habeck hatte im Jahr 2022 vor seiner ersten Afrikareise als Bundeswirtschaftsminister nach Südafrika und Namibia einen "Neustart" für die Beziehungen zwischen Deutschland, Europa und Afrika gefordert.
Inzwischen entstehen in einem Joint Venture mit Deutschland in Nambibia Anlagen wie das Mammut-Projekt Hyphen Hydrogen Energy, das grünen Wasserstoff produzieren soll und HyIron, das Solarenergie und grünen Wasserstoff nutzt, um Eisenerz in grünes Eisen zu verwandeln.
In Kenia tritt die Bundesrepublik unter anderem als Finanzierungspartner für den Ausbau des größten Geothermiekraftwerk Afrikas auf. Bundeskanzler Olaf Scholz verkündete im Mai 2023 persönlich einen neuen 45-Millionen-Euro-Kredit vor Ort in Olkaria. Nun will auch Habeck während seines zweitägigen Besuchs in Kenia in dem Kraftwerk vorbeischauen, dessen Kapazität bis Ende des Jahrzehnts auf 2000 Megawatt verdoppelt werden soll.
Deutschland muss sein Auftreten verändern
Der kenianische Wirtschaftswissenschaftler James Shikwati sieht das deutsche Investitionskonzept für Afrika und Kenia in einer doppelten Krise: "Die deutsche Wirtschaft steht intern wegen der Konflikte in Europa unter Druck. Und wenn es um Afrika geht, stehen die deutschen Investitionen im Wettbewerb mit China und anderen aufstrebenden Volkswirtschaften, die sich aggressiv um Investitionen in Afrika bemühen", so Shikwati zur DW.
Auch wachse der Druck auf Europa, in Afrika Einfluss zu nehmen. Das trage unmittelbar dazu bei, dass Deutschland keinen Enthusiasmus mehr nach dem "alten Modell" entfachen könne, bei dem es nur Europäer als wichtige Akteure gegeben habe, so Shikwati.
Er kritisierte die Deutschen, die, wie er sagte, "mit einer Mentalität daherkommen, wie die Dinge funktionieren sollten." Sie sollten von der Haltung zurücktreten, "dass sie die Experten sind - und innovative Möglichkeiten für eine stärkere Kooperation mit kenianischen und afrikanischen Kollegen schaffen".
Deutsche Wirtschaft: in Afrika die eigene Resilienz stärken
Seit der Corona-Pandemie und neuen Konflikten auf dem Kontinent ist die Wirtschaft in vielen afrikanischen Ländern jedoch stark angeschlagen, die Finanz-Haushalte sind volatil. Für künftige Investitionen ist es also entscheidend, diese Risiken abzusichern. Leuchtturmprojekte spielten eine Rolle, aber ohne verbesserte Rahmenbedingungen würden mittelständische Unternehmen nicht mit ins Boot kommen, um eine breitere Investitionsstruktur in afrikanischen Ländern aufzubauen, sagt Christoph Kannengießer, Geschäftsführer des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft.
"Es wird viel über Risiken geredet und dabei übersehen, dass Afrika einen wichtigen Beitrag dazu leisten kann, Geschäftsmodelle gegen Risiken abzusichern und widerstandsfähiger zu machen." Der Kontinent teile viele der globalen Risiken und Lieferketten nicht in gleichem Maße und sei objektiv nicht risikoreicher als andere Regionen der Welt, so Kannengießer zur DW.
Eine falsche und defensive Wahrnehmung durch Rating-Agenturen und die Auflistung von Risikoklassen durch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mache es für Firmen, die in Afrika aktiv werden wollen, teurer, Fremdkapital zu beschaffen.
Afrika ist bereit, Geschäfte zu machen
Vor der Wirtschaftskrise hatte Deutschland jahrzehntelang ein gut funktionierendes Geschäftsmodell mit Investitionen in China, Westeuropa und den USA. Viele Chefs hatten laut Kannengießer den Eindruck, dass die Märkte auf dem afrikanischen Kontinent, die von den meisten als kompliziert und unbekannt wahrgenommen werden, für den Geschäftserfolg nicht benötigt würden.
Die afrikanischen Regierungen seien jedoch offen und bereit, Geschäfte zu machen, betont APRI-Expertin Serwah Prempeh. Sie rät deutschen Unternehmen, auf die teils sehr lebendigen staatlichen Investitionen und Sonderwirtschaftszonen in Afrika zuzugehen.