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Was, wenn Corona in Afrika bleibt?

Martina Schwikowski
12. Januar 2022

Die Zeiten des Lockdowns gehen dort zu Ende: Experten sehen darin kein geeignetes Mittel gegen die Corona-Pandemie. Auch Impfungen werden es in Afrika wohl nicht richten. Nun heißt es: mit dem Virus leben lernen.

Impfaktion in Siaya, im Westen Kenias (19.11.2021)
Impfaktion in Siaya, im Westen Kenias (im November)Bild: DW

"Es fühlt sich nicht gut an", sagt die kleine Bridget Akankwasa. Eine schwarze Schutzmaske verdeckt fast ihr ganzes Gesicht. Sie vermisse es, ihre Freundinnen am ersten Schultag umarmen zu können, sagt die Schülerin der Sankt-Marien-Schule in Kiwatule, einem Vorort von Kampala, mit trauriger Stimme im DW-Interview. Bridget ist eines von 15 Millionen Kindern, die ab dieser Woche im ostafrikanischen Uganda wieder zum Unterricht kommen dürfen. Jetzt ist Uganda laut UNESCO-Angaben das letzte afrikanische Land, das die Klassenzimmer wieder geöffnet hat - nach einem coronabedingten Lockdown, der schon im März 2020 begonnen hatte.

Doch in der privaten Grundschule ist nach fast zwei Jahren Pause kaum ein Kind zum Unterricht erschienen. Schulbesitzer Joseph Mukasa wundert sich: "Als wir die Schule schließen mussten, hatten wir 300 Lernende hier", sagt er. "Aber heute sind nicht einmal 20 Kinder gekommen." Er hoffe auf mehr Zulauf in den nächsten Tagen, sonst müsse er über ein neues Einkommen nachdenken, sagt Mukasa halb scherzend. Und doch ist die Lage ernst.

Strenges Abriegeln: Die Zeiten sind vorbei

Bildungsexperten gehen davon aus, dass ein Großteil der Kinder in afrikanischen Ländern nicht mehr in die Schulen zurückkehren werden: Nachdem die Corona-Pandemie das öffentliche Leben im Frühjahr 2020 vielerorts zum Stillstand brachte, mussten viele eine Arbeit aufnehmen, um ihre Familien zu unterstützen, zahlreiche Mädchen wurden zwangsverheiratet. Aber ein Leben ohne Lockdown scheint sich nun in Afrika - trotz Pandemie - wieder durchzusetzen.

Erster Unterricht im Kyegegwa Distrikt (Uganda): Schulöffnung nach fast zwei Jahren LockdownBild: ESTHER RUTH MBABAZI/REUTERS

Das strenge Abriegeln sei nicht mehr der beste Weg, um COVID-19 einzudämmen, sagt John Nkengasong, Direktor der Gesundheitsbehörde der Afrikanischen Union (Africa CDC). Diese Zeit sei vorbei. Südafrika geht hier offenbar mit gutem Beispiel voran: Nkengasong lobte das Land für einen abwägenden Ansatz bei der Reaktion auf seine jüngste Infektionswelle, ausgelöst durch die Omikron-Variante.

Südafrika hatte ab Ende November - etwa zu dem Zeitpunkt, als die Welt vor Omikron gewarnt wurde - einen steilen Anstieg der COVID-19-Infektionen erlebt. Doch die Erkrankungen verliefen milder, weshalb die Regierung keine drastischen Beschränkungen anordnete. Vor Silvester konnten die Regeln sogar gelockert werden. Inzwischen sind die Neuinfektionen zurückgegangen.

Laut Wolfgang Preiser, Virologe an der Universität Stellenbosch, hatte die Mehrheit der erwachsenen Südafrikaner (60 bis 80 Prozent) bereits vor der vierten Welle - ausgelöst durch Omikron - eine COVID-Infektion durchgemacht. Das habe für eine kurzfristige Grundimmunität gesorgt und Südafrika vor dem Schlimmsten bewahrt.

Pandemie wird endemisch: Virus bleibt

Dennoch: Weniger als zehn Prozent der afrikanischen Bevölkerung sind vollständig gegen das Coronavirus geimpft - das geht aus den jüngsten Zahlen des CDC hervor. Nkengasong befürchtet, dass COVID-19 angesichts des langsamen Tempos der Impfung auf dem Kontinent endemisch werden könnte, wenn es Afrika nicht gelingt, bis zum Ende dieses Jahres seine Impfquote auf 70 oder 80 Prozent zu erhöhen.

Diese Aussicht des endemischen Zustands sehen viele Wissenschaftler weltweit bereits als gegeben an. Das bedeutet, dass das Virus in der Bevölkerung immer in einem gewissen Maße vorhanden sein wird, ähnlich wie die Grippe oder Windpocken.

Hohe Impfrate kaum erreichbar

So beurteilt auch Angelique Coetzee, Vorsitzende des Südafrikanischen Ärzteverbandes, die nahe Zukunft: Es bestehe "eine große Wahrscheinlichkeit für eine Endemie", sagte sie der DW. "Es besteht keine Chance, dass wir die Impfquote in Afrika innerhalb der nächsten Monate um 60, 70 Prozent erhöhen können. Das ist Wunschdenken."

Problematisch seien nicht nur die Beschaffung der Impfstoffe, sondern auch die Logistik, die personellen Ressourcen und mehr, sagt die Ärztin, die Omikron in Südafrika mit entdeckt hat. "Die Impfstoffe sind in Afrika schwer zu verteilen. Das hängt mit den Temperaturen und der notwendigen Kühlkette zusammen und mit den großen Entfernungen zwischen Städten und ländlichen Gebieten."

Aus diesen Gründen fordert die Gesundheitsexpertin Tabletten oder Nasensprays als Alternative zu Impfungen. Was würde eine Corona-Endemie für die Menschen bedeuten? "Es wird saisonal zu starken Ausbrüchen kommen", sagt Coetzee. Aber Impfstoffe seien nicht das Einzige, was helfen werde, auch das Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen und Social Distancing spielten eine Rolle. Für Coetzee steht fest: "Man wird sich niemals aus dieser Situation herausimpfen können."

Keine Reisebeschränkungen notwendig

Aber den Dingen einfach ihren Lauf lassen - das hält der Virologe Preiser für verkehrt: "Der Preis wäre eine hohe Zahl an schweren und langfristigen Erkrankungen - Long COVID - und an Todesfällen." Selbst dreifach Geimpfte könnten sich noch mit Omikron infizieren.

Teststation am Flughafen in Johannesburg: Mit Reisebeschränkungen ist bei einer weltweiten Endemie nicht zu rechnenBild: Sumaya Hisham/REUTERS

Yap Boum ist der regionale Vertreter für Afrika von Epicentre, dem Forschungszweig von Ärzte ohne Grenzen (MSF). Für den Kameruner ist zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar, wie die Pandemie verlaufen wird. Interessant sei jedoch, dass eine hochansteckende Variante wie Omikron alle anderen Varianten verdrängen könne.

"Wenn wir diese Stabilität haben und keine andere Variante vorherrscht, dann können wir lernen, damit zu leben", sagte Boum der Deutschen Welle. Besonders ältere und kranke Menschen müssten zu Impfungen bereit sein, auch vor Reisen. Er glaubt nicht, dass es langfristig Reisebeschränkungen geben wird. "Denn wenn COVID endemisch ist, kann man das Virus fast überall antreffen und sich neu infizieren, auch wenn es nur in sehr geringer Zahl vorkommt - das wird also das neue Leben sein."

Mitarbeit: Julius Mugambwa (Kampala)

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