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Politik

Was wir über die Lage in Mariupol wissen

Monir Ghaedi | Ines Eisele
17. März 2022

Was müssen die Bewohner der belagerten Stadt Mariupol durchmachen? Und warum ist die Einnahme dieser Stadt für den russischen Präsidenten Wladimir Putin so wichtig?

Ukraine-Konflikt - Mariupol
Das Geschoss eines russischen Panzers schlägt am 11. März in ein Mariupoler Wohngebäude einBild: Evgeniy Maloletka/AP/dpa/picture alliance

Mariupol im Südosten der Ukraine ist besonders hart umkämpft. Ukrainischen Angaben zufolge sind zahlreiche Menschen in der Stadt am Asowschen Meer seit rund zwei Wochen von der Versorgung mit Wasser, Strom und Gas sowie Nahrungsmitteln und Medikamenten abgeschnitten. Nach tagelangem Beschuss berichteten die lokalen Behörden in dieser Woche von mehr als 2200 Todesopfern in der belagerten Hafenstadt - das war noch vor der Bombardierung des städtischen Theaters am Mittwoch.

In dem Gebäude sollen mehr als 1000 Menschen Zuflucht gesucht haben - wie viele bei dem russischen Angriff verletzt oder getötet wurden, ist nicht klar. Jedoch soll der Luftschutzkeller des weitgehend zerstörten Theaters intakt geblieben sein. "Nach einer schrecklichen Nacht der Ungewissheit am Morgen des 22. Kriegstages endlich gute Nachrichten aus Mariupol! Der Luftschutzbunker hat standgehalten", schrieb ein Lokalpolitiker am Donnerstag auf Facebook.

Dieses von Maxar zur Verfügung gestellte Satellitenbild zeigt das Theater von Mariupol vor dem Bombenangriff - vor und hinter dem Gebäude steht in großen Buchstaben auf Russisch "Kinder" Bild: Maxar Technologies/AP Photo/picture alliance

Das russische Verteidigungsministerium dementierte den Bombenangriff auf das Theater. Wie schon vergangene Woche, als Angriffe auf eine Geburtsklinik in Mariupol international für Entsetzen sorgten, erklärte Moskau, die Explosion gehe auf das Konto der nationalistischen ukrainischen Asow-Brigade.

Das umstrittene Freiwilligenregiment ist tatsächlich eng mit Mariupol verbunden: Im Sommer 2014 nahm die Gruppierung - damals noch als Miliz - an den Kämpfen um Mariupol im Zusammenhang mit der russischen Krim-Annexion teil und wurde später in die ukrainische Armee eingegliedert. Den Kämpfern des Asow-Bataillons werden eine rechtsextreme Ideologie sowie zahlreiche Menschenrechtsverstöße und Kriegsverbrechen vorgeworfen. Russland wird nicht müde, immer wieder die Präsenz rechtsextremer Gruppen in der Ukraine hervorzuheben und sie als "Neonazi"-Land zu brandmarken.

Die schwangere Mariana Vishegirskaya nach dem Angriff auf die Geburtsklinik am 9. MärzBild: Mstyslav Chernov/AP Photo/picture alliance

Neue Evakuierungsversuche

Die ukrainischen Behörden hoffen, zeitnah humanitäre Fluchtkorridore öffnen zu können, um Zivilisten in belagerten Städten zu evakuieren und zu versorgen - auch in Mariupol.

Zwar sind laut dem Bürgermeister der Hafenstadt in den vergangenen zwei Tagen rund 6500 Privatautos aus der Stadt gelassen worden. Es habe jedoch keine Feuerpause gegeben. Die Menschen seien daher unter Beschuss aus der Stadt gefahren, so Wadim Bojchenko in der Nacht zu Donnerstag über den Messengerdienst Telegram.

Bewohnerinnen und Bewohner von Mariupol, denen es trotz allem gelungen sei, in die mehr als 70 Kilometer westlich gelegene Stadt Berdjansk zu kommen, bringe man weiter nach Saporischschja, hieß es von ukrainischer Seite.

Hilfsgüter in Saporischschja für aus Mariupol GefloheneBild: AA/picture alliance

Die Angaben zu Mariupol können derzeit nicht unabhängig geprüft werden. Die Regierungen in Kiew und Moskau geben sich immer wieder gegenseitig die Schuld für gescheiterte Evakuierungsversuche und nicht eingehaltene Feuerpausen. Am Dienstag war immerhin ein Evakuierungsversuch erfolgreich, etwa 20.000 Menschen sollen die Stadt verlassen haben.

Warum ist Mariupol für Putin so wichtig?

Mariupol ist aufgrund seiner strategisch wichtigen Lage eines der Hauptziele der russischen Angriffe auf die Ukraine. Die Stadt mit mehr als 400.000 Einwohnern liegt zwischen den Gebieten in der Region Donbass, die prorussische Separatisten beherrschen, und der Halbinsel Krim, die Russland 2014 annektiert hat. Mariupol ist nicht weit von der russischen Grenze entfernt.

Falls er die Hafenstadt einnimmt, könnte Putin einen Korridor zwischen Russland, dem Donbass und der Krim schaffen und die vollständige Kontrolle über das Asowsche Meer erlangen.

Mariupol ist auch wirtschaftlich wichtig. Die beiden Stahlwerke der Stadt, Iljitsch und Asow-Stahl, liefern einen großen Teil der ukrainischen Stahlproduktion. Außerdem hat der Hafen von Mariupol entscheidende Bedeutung für den Export von Getreide aus der Ostukraine.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Stadt inmitten des russisch-ukrainischen Konflikts wiederfindet. Im Mai 2014, als der Krieg im Donbass begann, vertrieben prorussische Kräfte die ukrainischen Truppen aus der Stadt. Das ukrainische Militär eroberte die Stadt einen Monat später zurück.

Nachdem es Russland bisher nicht gelungen ist, Mariupol rasch einzunehmen, setzt der Kreml auf Bombardierungen und eine Belagerung der Stadt. Hilfsorganisationen beschreiben die humanitäre Lage vor Ort als katastrophal. Sollte Moskau mit einer ähnlichen Taktik versuchen, größere Städte wie Kiew und Dnipro einzunehmen, stehen der Ukraine dunkle Tage bevor.

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