Was wir aus der Bundesliga-Vorrunde lernen
21. Januar 2021Die Vorrunde der Fußball-Bundesliga ist gespielt. Der FC Bayern steht an der Tabellenspitze, der FC Schalke 04 hält die Rote Laterne. Das sind die wichtigsten Lehren aus der ersten Saisonhälfte:
Bayern schwächelt, die Konkurrenz auch
Wenn du ganz oben bist, kann es eigentlich nur nach unten gehen. Im vergangenen Jahr hat der FC Bayern alles gewonnen, was es zu gewinnen gab: Champions League, Meisterschaft, DFB-Pokal, europäischer und deutscher Supercup. Mehr ging nicht. Schon jetzt steht fest, dass die Münchener in dieser Saison Abstriche machen müssen: Im DFB-Pokal scheiterten sie am Zweitligisten Holstein Kiel. In der Bundesliga sicherte sich das Team von Trainer Hansi Flick mit vier Punkten Vorsprung vor Leipzig zwar - coronabedingt im Winter - die sogenannte "Herbstmeisterschaft". Doch die große Souveränität ist abhanden gekommen.
Weltfußballer Robert Lewandowski trifft zwar weiter wie er will und jagt mit nun schon 22 Toren den Uralt-Saisonrekord Gerd Müllers (40 Treffer). Die Bayern-Abwehr zeigte sich aber ungewohnt anfällig: Mit 24 Gegentreffern kassierte sie bereits zehn mehr als die aktuell beste Defensive der Liga aus Leipzig (14). Dennoch: Weder RB noch Leverkusen, Vizemeister Dortmund oder Wolfsburg auf den nächsten Tabellenplätzen zeigen die nötige Konstanz, um dem Rekordmeister wirklich gefährlich werden zu können.
Der Sympathieträger heißt Christian Streich
Seit neun Jahren trainiert Christian Streich nun schon den SC Freiburg. Er ist damit aktuell der mit Abstand dienstälteste Trainer der Bundesliga - und das nicht umsonst. Denn der 55-Jährige ist nicht nur engagiert wie eh und je, sondern auch erfolgreich. Nach mäßigem Saisonstart brachte Streich seine Freiburger, die chronisch mit vergleichsweise kleinem Etat klarkommen müssen, wieder auf Kurs.
Als Tabellenneunter muss sich seine Mannschaft keine Sorgen um den Klassenerhalt machen, eher geht noch etwas nach oben. Auf der Sympathieskala ist Streich Tabellenführer: weil er ein Original ist, weil er sich treu bleibt und nicht verbiegen lässt. Und weil er auch zu Themen jenseits des Fußballs Stellung nimmt und dabei häufig kluge Dinge von sich gibt.
Hertha setzt Millionen in den Teich
"Wir verlieren zu schnell den Kopf", sagte Hertha-Trainer Bruno Labbadia nach der 0:3-Heimpleite zum Hinrunden-Abschluss gegen Hoffenheim. Dieses Manko habe sich durch die ganze erste Saisonhilfe gezogen. Aus dem selbst ernannten "Big-City-Club" ist der Berliner Verein geworden, für den sich die Hauptstadt wohl eher schämen muss. Statt, wie ersehnt, mit den Großen mithalten zu können, hat Hertha BSC sogar große Mühe, gegen die Kleinen zu bestehen. Ein neuerlicher Kampf gegen den Abstieg droht.
Mehr als 270 Millionen Euro hat Investor Lars Windhorst seit Sommer 2019 in den Verein gepumpt. Allein in den vergangenen beiden Transferperioden hat Hertha 110 Millionen Euro für neue Spieler ausgegeben - man könnte auch sagen, verschleudert. Wie lange dürfen Manager Michael Preetz und Trainer Labbadia noch weiter vor sich hinwursteln?
Union mausert sich zum Favoritenschreck
Der 1. FC Union Berlin hat der Hertha eindeutig die Show gestohlen. Die "Eisernen" sind die Überraschung der Vorrunde. Als Tabellensechster darf das Team von Trainer Urs Fischer sogar vom Europapokal träumen. Dennoch bleibt Fischer bescheiden: "Wir sind noch nicht durch. Die Zielsetzung bleibt gleich. Das heißt: Klassenerhalt." Ein bisschen lauter dürfte der Schweizer durchaus trommeln.
Schließlich hat sich seine Mannschaft einen Ruf als Favoritenschreck erarbeitet: 2:1 gegen Dortmund, 1:0 gegen Leverkusen, 1:1 gegen Bayern und in Mönchengladbach. In Leipzig verlor Union am Mittwoch knapp mit 0:1. "Es ist nicht einfach, gegen so eine Mannschaft zu gewinnen", lobte RB-Torschütze Emil Forsberg die Berliner. "Sie haben das richtig gut gemacht." Das gilt für die gesamte Hinrunde.
Jungstars mischen die Liga auf
Die nächste Spielergeneration klopft nicht nur an die Tür der Bundesliga, sie hat bereits ihren Fuß reingesetzt. Zum Beispiel Florian Wirtz und Youssoufa Moukoko. Wirtz hat es mit erst 17 Jahren beim Tabellendritten Bayer 04 Leverkusen nicht nur zum Stamm-, sondern auch zum Führungsspieler geschafft. Kaum einer redet im Zusammenhang mit dem Werksklub noch davon, dass Toptalent Kai Havertz zu Saisonbeginn zum FC Chelsea abwanderte. Das sagt eigentlich alles. Wirtz hat die Lücke mit seiner kreativen, robusten Spielweise fast mühelos gefüllt.
Im Vergleich dazu steht Moukoko erst am Anfang. Unmittelbar nach seinem 16. Geburtstag im vergangenen November gab das Stürmertalent sein Erstliga-Debüt für Borussia Dortmund und wurde damit zum jüngsten Bundesligaprofi aller Zeiten. Mit seinem Treffer im Dezember zum zwischenzeitlichen 1:1 bei Union Berlin wurde Moukoko auch zum jüngsten Torschützen der Liga-Geschichte. Den Rekord hielt bis dahin - Florian Wirtz.
Die Uhr für Schalke läuft ab
Nur ein Fußballwunder kann den FC Schalke 04 noch vor dem Sturz in die Zweitklassigkeit retten. Mickrige sieben Punkte haben die Königsblauen in der Hinrunde gesammelt. Mit so einer geringen Ausbeute hat noch niemals in der Geschichte der Bundesliga eine Mannschaft die Klasse gehalten. Mit saisonübergreifend 30 sieglosen Ligaspielen in Serie schrammten die Schalker haarscharf am peinlichen Negativ-Uraltrekord von Tasmania Berlin (31 Partien ohne Sieg) vorbei.
Doch auch der 4:0-Erfolg gegen Hoffenheim brachte nicht die Wende. Danach kassierte das Team zwei weitere Niederlagen. Mit dem Schweizer Christian Gross sitzt nach David Wagner, Manuel Baum und Huub Stevens bereits der vierte Trainer in dieser Saison auf der Schalker Bank. Wie seine Vorgänger wirkt auch Gross inzwischen ratlos. Die letzten Hoffnungen ruhen jetzt auf Rückkehrer Klaas-Jan Huntelaar. Doch die besten Zeiten des 37 Jahre alten Torjägers aus den Niederlanden liegen weit zurück - wie jene des FC Schalke 04.