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Politik

Was wird aus den G7?

Barbara Wesel
2. Juni 2020

US-Präsident Donald Trump hat den nächsten G7 Gipfel auf September verschoben. Oder auch auf die Zeit nach den US-Wahlen. Außerdem will er Russland und andere einladen. Hat es Sinn, die Gruppe weiter am Leben zu halten?

G7 Außenminister Dinard Frankreich
Bild: DW/B. Riegert

Erst sollte der nächste G7 Gipfel mit den Führern der großen westlichen Industrienationen die große Trump-Show werden. US-Präsident Donald Trump hatte in sein Golfhotel in Florida geladen. Aber dagegen gab es internen Widerstand und schließlich durchkreuzte die Corona-Krise seine Pläne. Jetzt will er das Treffen im September abhalten, oder "vielleicht nach den Wahlen". Außerdem möchte er Russland, Südkorea, Indien und Australien dazu einladen. Aber lohnt es sich, diese Form der Treffen überhaupt zu erhalten?

EU protestiert

Die Frage ist, ob Trump eine einmalige Einladung für Wladimir Putin und die anderen plant oder eine Erweiterung der Gruppe per Handstreich. Gegen eine handstreichartige Erweiterung aber protestiert bereits die EU: "Russland sei ausgeschlossen", sagt Chefdiplomat Josep Borrell, bis es seinen Kurs ändere. Die Annexion der Krim hatte 2014 Anlass gegeben, Putin aus den damaligen G8 auszuschließen - da waren es dann wieder G7.

EU-Außenbeauftragter Josep Borrell protestiert gegen eine unabgesprochene Erweiterung der G7Bild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

Eine dauerhafte Änderung und Vergrößerung der Gruppe aber sei kein Vorrecht der USA, warnt Borrell. Die Gastgeber können zwar die Tagesordnung bestimmen und Gäste einladen, die politisch etwas beizutragen haben oder mit denen man gute Beziehungen pflegen will. Aber wollte man dauerhaft Australien, Indien und andere einladen, müsste es doch eine Abstimmung unter den jetzigen Teilnehmern geben. Abgesehen davon nennt die EU die G7 einen wichtigen geostrategischen Rahmen für den gemeinsamen Austausch. Aber sind sie das wirklich? 

Brauchen wir die G7 überhaupt noch?

Die Klage darüber, dass bei diesen Gipfeltreffen nichts rauskommt, ist so alt wie das Format selbst. Im letzten August in Biarritz hatte es Gastgeber Emmanuel Macron immerhin geschafft, einen Eklat und Streit mit Donald Trump zu vermeiden. Aber positive Ergebnisse blieben eher aus. Seit der US-Präsident im Amt ist, scheint es sowieso nur noch darum zu gehen, ihn von der Demolierung der internationalen Einrichtungen wie Nato, UN oder eben G7 abzuhalten.

Donald Trump und Emmanuel Macron auf dem G7-Gipfel in Biarritz 2019 Bild: Imago-Images/M. Trammer

"Es war ein einigermaßen nützliches Format, in dem über Jahrzehnte die großen Industrienationen zusammen kamen, um ihre wichtigsten Themen zu diskutieren", sagt Jeremy Shapiro vom "European Council on Foreign Relations". Und eine Erweiterung wäre nichts Neues - die Gruppe wuchs seit ihrem Entstehen zunächst als Fünferclub nach der Ölkrise 1973 langsam heran, bis 1998 mit Russland daraus die G8 geworden waren. 

Es gehe Washington darum, die Natur der G7 zu verändern, erklärt Shapiro. "Das grundlegende Thema ist hier nicht Russland, sondern China. Was Washington will, ist eine gemeinsame Front aufzubauen mit anderen Staaten gegen China." Der Außenpolitikexperte nennt das "Kissinger im Umkehrschluss".

Während des kalten Krieges hatten es die USA mit ihrem damaligen Außenminister geschafft, China als Feind der Russen aufzubauen. Jetzt wolle man Russland als Verbündeten gegen die aufsteigende Übermacht Chinas engagieren. Solche geopolitische Logik entstamme nicht unbedingt dem Kopf des Präsidenten, sondern komme von den Strategen in seinem Beraterkreis.

Die Europäer hätten natürlich ein Veto, wer zu der Gruppe hinzukommt. Aber wenn die USA die G7 erweitern wollten, warum sollte die EU zu Australien oder Südkorea Nein sagen? Wenn man auf die Treffen nicht gerade "Anti-China-Koalition" groß draufschreibt, sei es auch im Interesse der europäischen Staaten an einem strategischen Bündnis teilzunehmen, das sich mit der China-Frage beschäftigt. "Die G7 könnten in neuer Formation wieder nützlich werden", sagt Jeremy Shapiro.

Weg damit!

Die Europäer sollten die G7 endgültig abhaken, ein Ereignis über das seit je zu viel berichtet und wo zu wenig beschlossen wurde, sagt Shada Islam von der Brüsseler Denkfabrik "Friends of Europe". Die Zeiten hätten sich verändert mit dem Aufstieg von China, Indien und Brasilien. Eifrige Reporter würden fade Gipfel-Communiqués der G7 weiter zu Nachrichten verarbeiten, aber tatsächlich schere sich niemand mehr wirklich darum.

Politikwissenschaftlerin Shada Islam hält die G7 für ein Relikt der VergangenheitBild: Privat

Globalisierungsgegner mögen an einen düsteren Hintersinn geglaubt haben, aber die Journalisten hätten immer die Wahrheit gewusst - es waren Showveranstaltungen. "Die G7 sind ein Relikt der Vergangenheit, ahnungs- und einflusslos und nicht auf Augenhöhe mit einer sich rapide wandelnden, derzeit aufgestörten Welt. Europa sollte mutig genug sein, den Stöpsel zu ziehen".

Ebenso wenig aber sei die große Gruppe der G20 ein effektives Entscheidungsforum. Islam ermutigt die EU, sich auf verschiedenen Ebenen in neuen Zusammensetzungen zu engagieren, die Kooperation mit dem Verband Südostasiatischer Nationen (Asean) zu suchen und mit afrikanischen Organisationen."Den G7 den Rücken zu drehen, wird nicht einfach. Teilnehmer eines elitären und exklusiven Clubs zu sein bringt Prestige. Und niemand gibt gern Privilegien her." Aber die Party sei vorbei, sagt die Politikwissenschaftlerin.

Ein neues Bündnis für Europa

Weniger in der Nachfolge der G7 aber angesichts der globalen Herausforderungen sollte die EU ein ganz neues Bündnis schmieden, meint Judy Dempsey von Carnegie Europe. Die Idee von einer Gemeinschaft der Demokratien könnte in einer größeren Gruppe, einer Art neuen westlichen Allianz, wiederbelebt werden. Sie sieht als mögliche Partner Australien, Canada, Japan, Neuseeland, Südkorea und einige afrikanische Länder.

Statt eines Diskussionsclubs hätte man dann ein neues politisches Bündnis, unterfüttert von Handelsverträgen, an demokratische Werte gebunden und mit starken Klimaschutzverpflichtungen. 

Eine solche neue Allianz sollte auch das Thema Waffenkontrolle wieder auf die Tagesordnung setzen. Nach dem Quasi-Zusammenbruch aller alten Verträge müsse man mit den USA, Russland und anderen einen Weg zurück finden zur konventionellen und nuklearen Abrüstung. Auch wenn die Trump-Regierung und der Kreml derzeit wenig Interesse zeigten, der Einsatz sei zu hoch, um den Fortbestand der Pattsituation zu erlauben.

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