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"Was wirklich interessiert, ist die Fußball-WM"

8. August 2005

Was denken Deutsche im Ausland über ihre Heimat und die vorgezogenen Neuwahlen? DW-WORLD hat bei deutschen Zeitungen im Ausland nachgefragt. Diesmal: Einschätzungen von Cóndor aus Chile.

Das Land am Ende der Welt, als das Chile in Reiseführern oft bezeichnet wird, trennen von Deutschland fast 16.000 Kilometer Fluglinie. Lateinamerika ist ein exotisches Reisegebiet, deshalb sind Kontakte zwischen deutschen Urlaubern und der chilenischen Bevölkerung im Vergleich zu europäischen Zielen eher gering.

Die Vorstellungen von Deutschland stützen sich daher meist auf spärliche Kenntnisse geschichtlicher Eckdaten, wie zum Beispiel der Zweite Weltkrieg und damit eng verbunden der Nationalsozialismus. Zum Anderen eilt den Deutschen auch hier im Land der gute Ruf von deutscher Wertarbeit, Zuverlässigkeit und Disziplin voraus.

Deutschland ist weit weg

Blick auf Santiago de Chile. Foto: Arne DettmannBild: Arne Dettmann


Die Medien berichten in groben Zügen über das aktuelle politische und wirtschaftliche Geschehen in Deutschland, wie zum Beispiel über die Vertrauensfrage, die Auflösung des Bundestages und die Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel. Das Interesse der Chilenen im Allgemeinen geht allerdings nicht über solche Themen hinaus. Deutschland ist weit weg.

Trotzdem nimmt das Land in Chile eine Sonderstellung ein. Dies ist auf die massive deutsche Einwanderung ab 1850 vorwiegend in den Süden des Landes zurückzuführen. Heute gibt es schätzungsweise rund 200.000 deutschstämmige Chilenen, die zwar nur einen kleinen Anteil der Bevölkerung (rund 15 Mio.) ausmachen, aber einen großen Einfluss in Politik und Wirtschaft ausüben. Einige der erfolgreichsten Unternehmer des Landes sind Deutsch-Chilenen.

Gut organisierte Deutsch-Chilenische Gemeinschaft

Wie sich bei dem zweiten Treffen der deutschsprachigen Gemeinschaften in Lateinamerika im vergangenen Jahr in der Hauptstadt Santiago de Chile gezeigt hat, gehört die Deutsch-Chilenische Gemeinschaft in Chile zu den bestorganisierten in der Region. Es gibt 28 deutsche Schulen, die einen sehr guten Ruf genießen, sowie über hundert Deutsch-Chilenische Institutionen, die über das ganze Land verteilt sind. Die Deutsche Klinik in Santiago gehört zu einer der besten in Südamerika. Es stellte sich auch heraus, dass Chile das Land ist, in dem noch am meisten und am besten Deutsch gesprochen wird.

Die starke Kulturarbeit und Zusammenarbeit des Goethe-Instituts, der Deutschen Botschaft und des Deutsch-Chilenischen Bundes als Dachorganisation aller Deutsch-Chilenischen Institutionen haben daran – neben den deutschen Schulen - einen wesentlichen Anteil.



Birgit Tuerksch, Chefredakteurin und Arne Dettmann, Redakteur der deutschsprachige Zeitung Condor in Santiago de Chile. Foto: Swantje ZornBild: Swantje Zorn

Die deutschsprachige Zeitung Cóndor als Sprachrohr und Bindeglied dieser Gemeinschaft fördert zudem den Erhalt der deutschen Sprache und berichtet über aktuelle Themen aus Deutschland und Europa, für die sich die Deutsch-Chilenen besonders interessieren. Die Zeitung bemüht sich, ein realistisches Deutschlandbild zu vermitteln, das nicht in nostalgischen Vorstellungen verhaftet ist.

Vorbild Deutschland

Deutschland hat nach der Militärregierung Pinochets wesentlich dazu beigetragen, die demokratischen Strukturen im Land zu festigen. Die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und die politischen Stiftungen sowie die Deutsche Botschaft haben an grundlegenden Reformprojekten finanziell und beratend entscheidend mitgewirkt. Dazu zählen unter anderem die Strafjustizreform, das Bildungswesen und verfassungsrechtliche Änderungen. Militär und Polizei wurden nach deutschem Vorbild aufgebaut. Dieser Einfluss ist im Bewusstsein der chilenischen Bevölkerung verankert.

Trotz dieser deutschen Sonderstellung – was zurzeit für die Chilenen wirklich zählt, ist die Fußballweltmeisterschaft. Jeder weiß, dass diese in Deutschland stattfinden wird. Wer allerdings gerade im Deutschen Bundestag regiert, ist zweit- oder drittrangig. Und wer nach den Neuwahlen das Zepter führt ebenfalls. Was wirklich wichtig ist: Schafft Chile die Qualifizierung zur WM 2006? Die Hoffnung, wie man auch in Chile weiß, stirbt zuletzt.

Autoren: Birgit Tuerksch (Chefredakteurin Cóndor) und Arne Dettmann (Redakteur Cóndor)

Wichtiger Hinweis: Dies ist ein Gastbeitrag. Die Inhalte geben die Meinung der Gastautoren, nicht die Meinung der Redaktion von DW-WORLD, wieder.

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