Was Wolodymyr Selenskyj in Südafrika erreichen will
23. April 2025
Dieser Besuch wird eine Premiere für Wolodymyr Selenskyj: Am Donnerstag reist der ukrainische Präsident zum ersten Mal nach Südafrika. Anlass ist ein Arbeitstreffen mit seinem Kollegen Cyril Ramaphosa in Pretoria - offiziell mit dem Ziel, die Bande zwischen beiden Ländern zu stärken. Ein Schwerpunktthema dürfte jedoch ein bislang hypothetischer Friedensdeal zwischen der Ukraine und Angreifer Russland sein.
"Ich bin mir absolut sicher, dass das auf der Agenda steht", sagt Dr. Oscar van Heerden vom Zentrum für Diplomatie und Staatsführung an der Universität Johannesburg. "Ich glaube, die südafrikanische Regierung will nicht zu hohe Erwartungen wecken - und ganz sicher nicht ihre wahren Intentionen öffentlich darlegen", sagte van Heerden der DW.
Im Juni 2023 hatte Ramaphosa eine afrikanische Friedensmission angeführt. Gemeinsam mit den Präsidenten von Senegal, Sambia und den Komoren reiste er erst nach Kyjiw zu Selenskyj und anschließend nach Moskau zum russischen Staatschef Wladimir Putin.
"Es gibt durchaus Interesse an dem Thema, und ich bin mir sicher, dass Ramaphosa und Selenskyj zu irgendeinem Punkt des Besuchs darauf zu sprechen kommen", mutmaßt van Heerden.
Südafrikas besondere Beziehung zu beiden Seiten
Damals hatte die Delegation die vage Hoffnung im Gepäck, einen Friedensdeal zwischen den beiden Ländern zu vermitteln. Die Gespräche brachten allerdings keine konkreten Ergebnisse. Doch immerhin hat die Ukraine seither ihre Beziehungen mit afrikanischen Partnern vertieft, etwa in der Zusammenarbeit im technologischen und militärischen Bereich. Kyjiw hat zudem angekündigt, zehn weitere Botschaften in afrikanischen Hauptstädten zu eröffnen.
Die guten Beziehungen von Südafrikas größter Regierungspartei ANC nach Moskau reichen zurück bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts. Damals unterstützte die Sowjetunion die damalige Befreiungsorganisation ANC in ihrem Kampf gegen das rassistische Apartheidregime.
Bis heute kooperieren Südafrika und Russland in vielen Bereichen - auch militärisch. Nach Beginn der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 enthielt sich Südafrika bei Abstimmungen über Resolutionen der Vereinten Nationen, in denen diese "Spezialoperation" als völkerrechtswidriger Angriffskrieg gebrandmarkt wurde.
Neben Brasilien, Russland, Indien und China ist Südafrika ein Gründungsmitglied der nach den Anfangsbuchstaben der Ländern benannten BRICS-Gruppe. Das verschafft Ramaphosa einen besonderen Zugang zu Putin, den er bei Friedensverhandlungen einsetzen könnte.
Auch Oscar van Heerden sieht Ramaphosa deshalb als möglichen Vermittler. "Weil Südafrika der BRICS-Gemeinschaft angehört und freundliche Beziehungen zur Russischen Föderation pflegt, kann Ramaphosa sich direkt an Putin wenden und sagen: 'Das ist es, was Selenskyj auf den Tisch legt'."
Südafrika als Mittler in humanitären Fragen
Dzvinka Kachur, die Ehrenvorsitzende der Ukrainischen Gesellschaft in Südafrika (UAZA), sieht noch viele Hindernisse für einen echten Frieden. "Anhaltenden Frieden in der Ukraine kann es nur geben, wenn Russland aufhört, sich wie ein Imperium aufzuführen und die Ukraine als Kolonie unterwerfen zu wollen", sagte Kachur der DW. Dazu könne Südafrika wenig beitragen, räumt sie ein.
Kachur sieht jedoch andere Wege, wie das Land die Lage in der Ukraine verbessern könnte: "Im humanitären Bereich könnte Südafrika sich stärker engagieren. Südafrika könnte die Rückkehr ukrainischer Kinder vermitteln, die von Russland verschleppt wurden, oder die Folter im von Russland besetzten Atomkraftwerk Saporischschja beenden helfen." Auch für die Freilassung ziviler Kriegsgefangener und Journalisten könnte Pretoria sich einsetzen, meint Kachur.
Der Krieg hat aus ihrer Sicht einmal mehr die Lähmung des UN-Sicherheitsrats verdeutlicht. Afrikanische und südamerikanische Länder kritisieren seit langem das Ungleichgewicht in dem Gremium. Die fünf Atommächte des Atomwaffensperrvertrags - die USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich - haben ständige Sitze mit Vetorecht inne, während dem globalen Süden nur wechselnde Mitgliedschaften zustehen.
"Wir sehen, dass dieses internationale System nicht funktioniert, und das sagen afrikanische Länder schon seit langem", sagt Kachur. "Russland hat die Ukraine angegriffen, während es dem Sicherheitsrat vorsaß, und der Rat war komplett blockiert." Auch Kachurs UAZA hat in Pretoria ein Treffen mit Selenskyj geplant.
Südafrika will die globale Regierungsführung reformieren
Seit Dezember hat Südafrika den Vorsitz über die G20 inne, das Austauschformat der 19 größten Volkswirtschaften sowie der Europäischen Union und der Afrikanischen Union. Neben anderen Zielen will Südafrika die Präsidentschaft dazu nutzen, globale Regierungsstrukturen zu reformieren.
Was genau damit gemeint ist, führte der Generalsekretär des südafrikanischen Außenministeriums, Zane Dangor, im März vor der UN-Generalversammlung aus: "Wir müssen das multilaterale System stärken und die internationale Kooperation vertiefen, um die komplexen Herausforderungen der Welt anzugehen." Die Erosion des Multilateralismus stelle eine Bedrohung für globales Wachstum und die Stabilität dar.
In diesem Dezember gibt Südafrika den G20-Staffelstab an die USA weiter, deren Präsident Donald Trump im Sinne seiner "America First"-Ideologie außenpolitisch für große Verunsicherung sorgt. Die Trump-Regierung hat eine Beendigung des Ukraine-Kriegs als Ziel ausgegeben und ist dafür zugunsten Russlands auf Abstand zur Ukraine gegangen.
Im Februar enthielten sich die USA bei einer Abstimmung bei den Vereinten Nationen, die die territoriale Integrität der Ukraine unterstrich. Südafrika hingegen stimmte der Resolution zu.
Ob es zu den von Trump angestrengten direkten Friedensgesprächen in Saudi-Arabien überhaupt kommt, gilt derzeit als völlig offen. Wohl auch deshalb dürfte es im Sinne der Ukraine sein, in Südafrika einen alternativen Vermittler zu finden.
Adaptiert aus dem Englischen von David Ehl.