Die US-Regierung möchte an das Geld der Latinos
21. Mai 2025
Für ihre Kritik am Vorschlag aus den USA wählte sich Mexikos Präsidentin eine ganz besondere Bühne aus: Bei der Einweihung eines Hospitals in Los Cabos sagte Claudia Sheinbaum am vergangenen Wochenende: "Man darf nicht diejenigen doppelt besteuern, die bereits Steuern zahlen." Sheinbaum unterstrich mit der Wahl der Umgebung auch optisch den sozialpolitischen Aspekt ihrer Kritik an einem Vorhaben aus den USA, das derzeit in ganz Lateinamerika für Aufregung sorgt. Die Besteuerung der sogenannten Remesas, wie die Überweisungen von Migranten in ihre Herkunftsländer genannt werden. Die Idee einer Steuer von fünf Prozent auf diese Überweisungen stammt von den Republikanern, der Regierungspartei von US-Präsident Donald Trump.
Überweisungen im Wert von rund 160 Milliarden US-Dollar
Im Jahresbericht der Migrationsabteilung der Interamerikanischen Entwicklungsbank heißt es, dass im Jahr 2024 das Gesamt-Überweisungsvolumen aus den USA in die Länder Lateinamerikas und der Karibik rund 160,9 Milliarden Dollar betrug - eine Steigerung um 7,7 Milliarden US-Dollar gegenüber dem Vorjahr. Größte Empfänger südlich des Rio Bravo (in den USA Rio Grande genannt, Anm. d. Red.), der die USA von Lateinamerika trennt, sind Mexiko (64,7 Milliarden US-Dollar) und Guatemala (21,5 Milliarden US-Dollar). Allein nach Mexiko fließen also täglich etwa 177 Millionen US-Dollar.
"Wenn wir das Einkommen aus Rücküberweisungen im Verhältnis zum Brutto-Inlandsprodukt in den Ländern der Region vergleichen, machten sie 2024 rund 20 Prozent des BIP in Guatemala sowie in Nicaragua (27 Prozent), Honduras (26), El Salvador (24), Haiti (20) und Jamaika (19) aus", sagt Jesus Alejandro Cervantes Gonzalez vom Zentrum für Lateinamerikanische Währungsstudien (CEMLA) in Mexiko-Stadt im Gespräch mit der Deutschen Welle. Das CEMLA beschäftigt sich speziell mit der wirtschaftlichen Bedeutung der Remesas.
Die volkswirtschaftliche wie sozialpolitische Bedeutung dieser Remesas sei für die Empfängerländer enorm: "Die Überweisungen lindern die Haushaltszwänge von Millionen von Empfängerhaushalten und verringern ihr Armutsniveau. Sie ermöglichen ihnen einen höheren Lebensstandard und tragen dazu bei, Ausgaben für Konsumgüter, Bildung, Gesundheit, Wohnen und in einigen Fällen Investitionen in Familienunternehmen finanzieren zu können", sagt Cervantes Gonzalez. In Mexiko gibt es laut CEMLA-Studien 4,5 Millionen Haushalte und 9,8 Millionen Erwachsene, die Rücküberweisungen erhalten. Davon würde besonders der ärmere ländliche Raum profitieren.
Steuern und Identitätsprüfung als Mittel gegen irreguläre Migration
In Florida erwägt Gouverneur Ron DeSantis eine Identitätsüberprüfung für Geldtransfers, so dass Absender nachweisen müssen, dass sie legal im Land arbeiten, berichtet das Portal "El Economista". So sollen für irreguläre Migranten Auslandsüberweisungen unterbunden werden. Der mexikanische Senator Antonino Morales der Regierungspartei Morena aus Oaxaca kritisiert die verschiedenen Überlegungen als "offen diskriminierend und rassistisch, weil er Ausländer mit irregulärem Aufenthalt in den Vereinigten Staaten betrifft, denn zusätzlich zur Steuer auf Überweisungen wird er ihren Zugang zu Programmen wie Obamacare oder Medicare einschränken". Damit spielt der mexikanische Politiker auf die gängige Praxis an, eine US-Krankenversicherung im Namen von registrierten Personen zu beantragen.
Gesetz noch unklar
"Im Prinzip würde die Steuer nur für Einwanderer gelten, die keine Staatsbürger sind. Dazu gehören Einwanderer ohne Papiere und solche, die einen dokumentierten Wohnsitz haben, sich also legal in den USA aufhalten", sagt CEMLA-Experte Cervantes Gonzalez der Deutschen Welle.
Die Überweisungssteuer, die ab 2026 in Kraft treten könnte, könnte den Umfang der Überweisungen in die Region Lateinamerika und Karibik erheblich negativ beeinflussen.
Vor allem für Mexiko, Guatemala, Honduras, El Salvador und Nicaragua wäre das wegen des hohen Anteils am BIP schwerwiegend. Die Länder würden dann gleich doppelt getroffen, "da diese Steuer zusätzlich zu den laufenden Abschiebungen von Einwanderern ohne Papiere erhoben wird und zu einem Zeitpunkt kommt, an dem es Anzeichen dafür gibt, dass die USA einen Rückgang der Beschäftigung unter den Einwanderern aus der lateinamerikanischen Region erleben", sagt Cervantes Gonzalez.
Die Folgen des US-Vorschlags, Migranten ohne Papiere daran zu hindern, Geldüberweisungen in ihre Herkunftsländer zu tätigen, könnte noch weitere Folgen haben. Der CEMLA-Experte sieht ein Schwarzmarktrisiko: "Die Überweisungssteuer könnte dazu führen, dass Überweisungen informell durch Kuriere oder durch digitale Überweisungen über Krypto-Assets getätigt werden."
Republikaner enttäuschen Latino-Wähler
Es könnte allerdings auch ganz anders kommen. Wegen der bisweilen brachialen Bilder von Verhaftungen von lateinamerikanischen Migranten in den USA sowie immer neuen schlechten Nachrichten für hispanisch-stämmige Amerikaner, wächst der Druck aus dieser Wählergruppe auf republikanische Politiker, die im November 2026 bei den US-Zwischenwahlen antreten. Bei den so genannten Midterm-Wahlen wird alle zwei Jahre das gesamte Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neu gewählt. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen 2024 hatten deutlich mehr Latinos für die Republikaner und Donald Trump gestimmt als noch 2020.
Einige fühlen sich nun in Hochburgen wie in Florida von der Partei verraten. Mexikos Präsidentin Sheinbaum hatte die in den USA lebenden Mexikaner ausdrücklich dazu aufgerufen, sich jetzt bei den Lokalpolitikern zu beschweren. Druck der offenbar in dem ein oder anderen Abgeordnetenbüro ankommt: Einen ersten Vorstoß des Trump-Lagers stoppten nun einige republikanische Abgeordnete. Vom Tisch ist die Initiative damit aber noch lange nicht.