Wieviel Kalkül steckt hinter der US-Hilfe für Argentinien?
14. Oktober 2025
Mitten im Herzen von Buenos Aires verrät ein Werbeschild eines Immobilienunternehmens die Stimmungslage in der argentinischen Wirtschaft. Sinngemäß heißt es dort: "Es gibt wieder Kredite, die Inflation ist rückläufig. Worauf wartest Du?"
Und genau das ist das Problem der argentinischen Regierung, denn trotz stark rückläufiger Inflation, guten Wachstumsraten und sinkender Armutsrate halten sich die Argentinier mit Investitionen im eigenen Land zurück.
"Es sind erste Anzeichen für eine Verbesserung des Konsums und der Investitionen zu beobachten, beide im privaten Sektor, unterstützt durch die erste Umsetzung des Stabilisierungsplans der Regierung, der mit einer geringeren Inflation und einem Haushaltsüberschuss einherging", heißt es dazu im vor wenigen Tagen erschienen Bericht der Weltbank, der ein Wachstum von 4,6 Prozent für das laufende Jahr prognostiziert.
Graue Realität
Trotzdem ist es der Regierung von Präsident Javier Milei bislang aber noch nicht gelungen, einen tatsächlichen Vertrauensdurchbruch auf dem Markt zu erzielen. Ein Beispiel dafür ist die eingangs zitierte Botschaft des Immobilienhändlers, sie hängt über der Kreuzung zwischen der Avenida Boedo und der Avenida San Juan im Mittelschichtsviertel Boedo.
Gleich gegenüber ist vor einem Lebensmittelgeschäft ein anderes Problem der aktuellen Regierung sichtbar. Der Obst- und Gemüseladen in Buenos Aires gibt immer donnerstags Rentnern einen Rabatt von 15 Prozent. Die sind von den Sparmaßnahmen der Regierung besonders betroffen und demonstrieren immer mittwochs vor dem Kongress für würdige Renten.
Knapp anderthalb Wochen vor den Parlamentswahlen am 26. Oktober, die die Mehrheitsverhältnisse im Kongress und des Senats zu einem Teil neu ordnen können, steht die Regierung Milei also unter Druck. Korruptionsvorwürfe im unmittelbaren Umfeld des Präsidenten sorgen für Aufregung und schaden der Glaubwürdigkeit des Reformprozesses.
US-Finanzminister kündigt Rückendeckung an
In dieser Gemengelage greift nun die US-Regierung dem politischen Verbündeten in der "Casa Rosada" unter die Arme. "Argentinien befindet sich derzeit in einer schweren Liquiditätskrise. Die internationale Gemeinschaft, darunter auch der Internationale Währungsfonds (IWF), unterstützt Argentinien und seine Finanzpolitik einstimmig, aber nur die Vereinigten Staaten können schnell handeln.
Und sie werde handeln, versprach nun US-Finanzminister Scott Bessent wenige Tage vor dem mit Spannung erwarteten Treffen zwischen US-Präsident Donald Trump und Javier Milei am 14.Oktober in Washington. Dort soll der "Deal" endgültig festgezogen werden und dem Verbündeten Milei Rückenwind für die Wahlen am 26. Oktober geben.
Währungsswap für Handlungsspielraum
"Die vom US-Finanzministerium angekündigte Hilfe für Argentinien besteht aus zwei Teilen: Zum einen aus einem Währungs-Swap, also einem Tauschgeschäft, durch den die Zentralbank über 20 Milliarden Dollar mehr zur Verfügung haben wird, um damit den Wert der argentinischen Währung zu schützen", sagt Aldo Abram vom wirtschaftsliberalen Think Tank Fundación Libertad y Progreso in Buenos Aires im Gespräch mit der Deutschen Welle.
Zudem habe es mit Stützungskäufen eine Intervention auf dem Markt gegeben. Ein solcher Rückhalt werde die argentinische Position viel vertrauenswürdiger machen, es werde dem Land einen vereinfachten Zugang zu Krediten verschaffen, das Wirtschaftswachstum deutlich steigern und natürlich auch die Reformen unterstützen, ist Aldo Abram überzeugt.
Amerikanische Ambitionen
Deutlich kritischer sieht der argentinische Ökonom Hernan Letcher die US-Ambitionen und vermutet dahinter ein strategisches Kalkül der Nordamerikaner: "Die USA haben ein Interesse an einem teuren Argentinien, da es mit den USA konkurriert", teilt Letscher auf Anfrage der Deutschen Welle mit. Die angekündigte Stabilisierungshilfe sei also zunächst einmal eine Entscheidung, die aus Eigennutz getroffen wurde. Tatsächlich konkurriert beispielsweise die effiziente und produktive argentinische Landwirtschaft mit der US-Agrarindustrie.
Selbsthilfe gefragt
Die Zusage von Trump und Bessent, Argentinien finanziell zu unterstützen, gibt Milei wichtige internationale Rückendeckung in für ihn politisch und wirtschaftlich schwierigen Wochen vor der so wichtigen Kongresswahl. Die Märkte reagieren positiv auf die grundsätzlich zugesagte Unterstützung aus den USA.
Allerdings stehen konkrete Details noch aus, und die USA befinden sich in einem politischen Shutdown, was konkrete Finanzmaßnahmen derzeit erschwert. "Man darf daher gespannt sein, welche Einzelheiten der Besuch von Milei bei Trump im Weißen Haus bringt", sagt Hans-Dieter Holtzmann von der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung in Buenos Aires im Gespräch mit der Deutschen Welle.
Jedoch liege der Schlüssel zur Überwindung der aktuellen Schwierigkeiten weniger in der "Casa Blanca" als in der "Casa Rosada", sagt Holtzmann. Also in der Hand der argentinischen Regierung.
Milei müsse die Wähler von der Notwendigkeit weiterer Reformschritte für einen nachhaltigen Aufschwung des Landes überzeugen und diesen dann nach den Wahlen in engem Schulterschluss mit den anderen Reformkräften umsetzen, so Holtzmann. Dann wird sich zeigen, ob die Immobilienhändler wieder mehr Wohnungen verkaufen und die Rentner keine Rabatte mehr brauchen.