Sicherheitsfaktor Wasser
23. Dezember 2013Wenn demnächst in Tadschikistan die Lichter verlässlich brennen, fürchtet das Nachbarland Usbekistan um sein Wasser. Tadschikistan plant seit Jahren ein neues Wasserkraftwerk, um die nächtlichen Stromausfälle zu beenden. Außerdem soll der erzeugte Strom das Land wirtschaftlich voran bringen.
Das Kraftwerk soll am Fluss Wachsch errichtet werden. Er fließt auch durch Usbekistan und ist für die dortige Landwirtschaft unverzichtbar. Mit dem geplanten Mega-Staudamm könnte Tadschikistan den 30 Millionen Usbeken das Wasser abdrehen - ein großes Drohpotential und effizientes Druckmittel. Zudem steht der geplante Rogun-Damm im erdbebenbedrohten Tamirgebirge. Sollte dieser infolge eines Bebens brechen, könnte er eine riesige Flutkatastrophe in Usbekistan auslösen.
Der schwelende Konflikt zwischen den beiden ehemaligen Sowjetrepubliken ist kein Einzelfall. Es gibt weltweit kaum eine Region, in der Wasser nicht auch eine sicherheitspolitische Rolle spielt.
Gudrun Kopp, 2009-2013 Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, BMZ, schätzt das Konfliktpotential hoch ein: "Konflikte können sich sehr schnell entwickeln und auch bis hin zu Kriegen führen", warnt sie. Allein 2012 listet die internationale Worldwater Organisation 23 Auseinandersetzungen auf, die teilweise zu gewaltsamen Konflikten führten. So nahmen Bauern in der Abu Simbel Region in Ägypten 200 Touristen als Geiseln, um die Bewässerung ihrer Felder zu erzwingen. Die Touristen kamen frei, als die Behörden die Bewässerungskanäle wieder öffneten. Doch nicht nur regional sondern auch international sorgt die Verteilung der Wasserressourcen immer wieder für Zündstoff. So ist die Frage um Wasserrechte auch immer wieder Gegenstand des latenten Streits zwischen Indien und Pakistan.
Hoffnungsträger Vereinte Nationen
Denn Wasser hält sich nicht an Nationalgrenzen und zwingt damit auch die betroffenen Länder über die Nutzung zu verhandeln. "Immerhin gibt es etwa 260 Flüsse und Seen, die weltweit grenzüberschreitend sind. Das sind 60 Prozent des weltweiten Frischwasseraufkommens – daran sieht man schon die Dimension", betont Gudrun Kopp im Interview mit der Deutschen Welle.
Die Vereinten Nationen schätzen, dass es aktuell für mehr als die Hälfte der länderübergreifenden Wasserressourcen keine Verträge gibt. Das "Übereinkommen über das Recht der nicht-schifffahrtlichen Nutzung internationaler Wasserläufe" soll das ändern. Die UN-Konvention regelt eine faire Verteilung des Wassers zwischen den Anrainerstaaten. Sie verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, auch die Interessen anderer Anrainerstaaten zu berücksichtigen, vor allem wenn es um Wasserentnahmen und um Verschmutzung der gemeinsamen Gewässer geht.
1997 hat die UN-Generalversammlung das Regelwerk angenommen, es ist bis heute aber nicht ratifiziert. 2014 soll es endlich so weit sein: Es fehlen nur noch vier Unterschriften, bis die Konvention in Kraft treten kann.
Die Donau als Vorbild
Um die Zusammenarbeit zwischen den Parteien zu fördern, sollte im ersten Schritt eine gemeinsame Flusskommission geschaffen werden. Vorbild könnte nach Ansicht von Gudrun Kopp die Donau-Kommission sein. Sie regelte seit 1948 zunächst nur die Schifffahrt auf einer der wichtigsten Wasserstraßen Europas. Vor 15 Jahren wurde das Abkommen zwischen den Anrainerstaaten jedoch erweitert. Es umfasst jetzt auch den Umwelt- und Gewässerschutz und gemeinsame Vorsorgemaßnahmen bei Störfällen und Hochwasser.
Als eine der neuen Initiativen, die nach dem Donau-Modell entstanden sind, nennt Gudrun Kopp die Nil-Anrainerstaaten, die sich in der gemeinsamen "Nile River Basin Initiative" zusammengeschlossen haben. Die Bundesrepublik unterstützt seit mehr als zehn Jahren sowohl auf politischer Ebene als auch mit finanziellen Mitteln die Initiative.
Gemeinsame Bedrohung schweißt zusammen
Wenn eine internationale Initiative erfolgreich ist, kann sich das Konfliktpotential in Friedenspotential umwandeln, betont Olcay Ünver. Er leitet die Abteilung für Land- und Wasserfragen bei der FAO, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen.
Es gebe, so Ünver, zwei Faktoren, die eine friedliche, gemeinsame Wassernutzung über Nationalgrenzen hinweg fördern können. "Der erste Faktor ist eine gemeinsame Bedrohung", sagt er. Wenn zum Beispiel bei wachsender Bevölkerung das Wasser für alle immer knapper wird oder wenn die Anrainer von Dürren oder Überschwemmungen betroffen sind. "Solche Bedrohungen machen das Nicht-Kooperieren einfach zu teuer", so der FAO-Experte. Ein anderer Friedensfaktor sei die Win-Win-Situation, die durch eine Zusammenarbeit entstehen könne. "Das können gemeinsame Projekte sein wie Wasserkraftwerke, Bewässerungsanlagen oder Umweltprojekte, um die Gewässer zu schützen", sagt er.
Konkurrenz um die Nutzung
Bei der Verteilung der globalen Wasserressourcen geht es immer darum, unterschiedliche Interessen abzuwägen: Energiegewinnung gegen Bewässerung, Hochwasserschutz gegen Schifffahrt, Abwasser gegen Trinkwasser.
Die Organisation UN Water schätzt, dass in gut zehn Jahren fast zwei Milliarden Menschen in Gebieten leben werden, die von akutem Wassermangel bedroht sind. Auch das fordert ein effizientes Wassermanagement über Grenzen hinweg. Ohne das UN-Abkommen, das als Grundgerüst für bi- und multilaterale Abkommen dienen kann, wird es jedoch schwierig.